US-Präsident Obama:Verschwörung der Zeichentrickfiguren

Eine Splittergruppe bringt die Republikaner in Verlegenheit: Sie behauptet unbeirrt, Obama sei nicht in den USA geboren. Eigentlich geht es um seine Hautfarbe.

Jannis Brühl

Ginge es nach Orly Taitz, dann dürften Beamte der Einwanderungsbehörde und der Polizei keine Zeit verlieren. Sie müssten das Weiße Haus stürmen, die Leibwächter vom Secret Service überwältigen, den Präsidenten festnehmen und ihn in ein Flugzeug nach Kenia setzen.

US-Präsident Obama: Die Verschwörungstheorien über die Geburt Barack Obamas haben seinen Präsidentschaftswahlkampf überlebt.

Die Verschwörungstheorien über die Geburt Barack Obamas haben seinen Präsidentschaftswahlkampf überlebt.

(Foto: Foto: Reuters)

Taitz, eine wasserstoffblonde Zahnärztin aus Kalifornien, ist Galionsfigur einer Gruppe, die glaubt, dass Barack Obama nicht in den Vereinigten Staaten geboren wurde. Deswegen sei seine Präsidentschaft nichtig, behaupten die Verschwörungstheoretiker - laut Artikel 2, Absatz 1 der US-Verfassung dürfen nur Bürger zum Präsidenten gewählt werden, die auch im Land geboren sind. Da der 44. Präsident nie ein Einbürgerungsverfahren durchlaufen hat, halte er sich sogar illegal im Land auf. Für Taitz ist die "Enttarnung" Obamas "die Story des Jahrhunderts".

Weil sie von der Frage nach Obamas Geburtsort besessen sind, werden die Anhänger der Theorie von ihren liberalen Gegnern als birther verspottet, in Anlehnung an die Wortschöpfung truther. So nennt man jene Verschwörungsfans, die behaupten, die Anschläge des 11. September seien von der Regierung Bush selbst geplant worden.

Das Gerücht, er sei kein echter Amerikaner, begleitet den ehemaligen Senator von Illinois bereits seit dem Wahlkampf. In Massenmails und Internet-Foren wurde verbreitet, er sei Moslem oder in Kenia geboren. Tatsächlich wurde er im US-Bundesstaat Hawaii geboren, sein Vater ist Kenianer, die Mutter stammt aus Kansas. Um die Theorie vor dem Wahltag zu widerlegen, veröffentlichte Obamas Team seine Geburtsurkunde bereits vor einem Jahr im Internet: Hawaiis Hauptstadt Honolulu ist darauf als Geburtsort vermerkt. Doch das Gerücht gärt auch weiter am rechten Rand und hat jetzt den amerikanischen Mainstream erreicht.

Obwohl seine CNN-Kollegen zugeschaltete birther schon mal vor laufenden Kameras auslachen, behandelt Moderator Lou Dobbs das Thema seit zwei Wochen in seiner Nachmittagssendung und fragt, warum der Präsident nicht endlich "alle Zweifel ausräumt".

Der Sprecher des Weißen Hauses, Robert Gibbs, musste mittlerweile in einer Pressekonferenz Stellung zur Kenia-Thorie nehmen. Er bezeichnete die Gerüchte als "ausgedachten Nonsens". Unterdessen werden republikanische Abgeordnete mit E-Mails und Anrufen bombardiert, birther-Gruppen stürmen ihre Büros und überreichen Unterschriftenlisten.

Dass Beweise, die Verschwörungstheorien entkräften sollen, bei deren Anhängern genau das Gegenteil bewirken, lässt sich am Streit um Obamas Geburtsort beobachten: Die Geburtsurkunde? Offensichtlich eine Fälschung. Die hawaiianischen Behörden, die mehrfach bestätigten, dass der Präsident am 4. August 1961 in Honolulu geboren wurde? Teil der Verschwörung. Die Anzeige, die seine Eltern eine Woche nach seiner Geburt in einer Zeitung schalteten? Sie wurde nur aufgegeben, um ihm später die Präsidentschaft zu ermöglichen.

Bei aller Aufmerksamkeit, die ihnen in den letzten Wochen zuteil wird, so richtig ernst nimmt die birther fast niemand. Für den Fernsehmoderator Joe Scarborough vom Sender MSNBC sind sie schlicht "Zeichentrickfiguren". Doch einen Unterschied zu den Komplott-Phantasien nach dem 11. September gibt es: Den Republikanern fällt es diesmal auffallend schwer, sich von den Lautsprechern und ihren abseitigen Thesen zu distanzieren.

Einfluss an der Basis

Viele in der Partei äußern sich öffentlich nur vage zu dem Thema. Einerseits haben sie Angst, Ziel des Medienspotts zu werden, wenn sie der Verschwörungstheorie zustimmen; andererseits wollen sie die Wähler vom rechten Rand nicht vergraulen. Schließlich sind die Republikaner seit Obamas Wahlsieg in der Dauerkrise. CNN-Kommentator James Carville brachte es auf den Punkt: "Sie haben Angst, den verrückten Flügel ihrer Partei zu verlieren."

Dass die birther tatsächlich Einfluss an der Parteibasis haben, bekam der republikanische Kongressabgeordnete Mike Castle bei einer Bürgerversammlung in Delaware zu spüren. Der Satz "Der Präsident ist ein Bürger der Vereinigten Staaten" genügte, um laute Buhrufe der Mehrheit der Anwesenden auszulösen. Fast alle im Saal erhoben sich und sprachen den Fahneneid, um gegen Castle zu demonstrieren. Dem blieb nichts anderes übrig, als die Veranstaltung zu beenden. Das Video dient birthern zur Erbauung, ihren Gegnern zur Belustigung. Auf Youtube wurde es fast 800.000-mal geklickt. Die New York Times fragte: "Wie viele republikanische Abgeordnete müssen sich noch mit so etwas herumschlagen?"

So standhaft wie Castle sind nicht alle Republikaner: Immerhin elf Abgeordnete des Repräsentantenhauses unterstützen einen Gesetzesentwurf, wonach jeder Präsident vor Amtsantritt das Original einer Geburtsurkunde vorlegen müsste - ein Zugeständnis an die birther. Derzeit sind die Chancen allerdings gering, dass sich eine Mehrheit unter den 435 Parlamentariern findet.

Man könnte Verschwörungstheoretiker wie Orly Taitz für harmlose Wirrköpfe halten, die sich nach der Niederlage John McCains als schlechte Verlierer erweisen und die Republikaner nerven. Doch die ständigen Unterstellungen, Obama sei ein Fremder, sind auch ein weiteres Kapitel in der Debatte über seine Hautfarbe, die nach der Verhaftung des Harvard-Professors Henry Gates wieder debattiert wurde.

Ist es Zufall, dass ausgerechnet der erste schwarze Präsident seine Geburtsurkunde vorlegen musste? Auf der berüchtigten Bürgerversammlung in Delaware wurde dem Abgeordneten Castle entgegengebrüllt: "Ich will mein Land zurück." Es ist auch kein Zufall, dass ausgerechnet CNN-Moderator Dobbs das Thema am Köcheln hält: Seit Jahren macht er Stimmung gegen Einwanderer, denen er vorwirft, Lepra einzuschleppen oder den Süden der USA an Mexiko anschließen zu wollen.

Parallelen zwischen birthern und 9/11-Verschwörungsgläubigen beschränken sich im Übrigen sich nicht nur auf den Namen. Neben Orly Taitz ist Philip J. Berg der Wortführer der Bewegung. Der ehemalige Vizestaatsanwalt von Pennsylvania versuchte vor Gericht, Obamas Präsidentschaft für illegitim erklären zu lassen. 2004 hatte er bereits George W. Bush verklagt - wegen dessen Planung der Anschläge des 11. September. Beide Klagen wurden als unbegründet abgewiesen.

Beängstigender als Bergs Klagefreudigkeit ist allerdings eine andere Parallele: Der Neo-Nazi James van Brunn, der am 10. Juni in Washington einen Sicherheitsmann der Holocaust-Gedenkstätte erschoss, war ebenfalls von Bushs Schuld an den Anschlägen überzeugt. Kurz vor seiner Tat veröffentlichte er auf einem Internet-Forum eine Aufzählung "geheimer Dokumente", die Obama der Bevölkerung vorlegen müsse. Ganz oben auf der Liste: Dessen echte Geburtsurkunde. Die birther-Theorie ist zur einigenden Idee der extremen amerikanischen Rechten geworden.

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