Zum Tod von James Gandolfini:Abschied vom Family Man

In jeder Sekunde vor der Kamera verlieh er einer schmalbrüstigen Zeit Gewicht: James Gandolfini schuf als Mafiaboss in der Serie "The Sopranos" eine so exemplarische Gegenfigur, dass man erst einmal nicht wahrhaben will, dass der Schöpfer der Figur nun tot ist.

Ein Nachruf von Andrian Kreye

James Gandolfini ist tot. Den kurzen Stich, den einem so eine Todesnachricht versetzen kann, verschweigt man gerne, wenn es sich um einen Prominenten handelt. Der steht einem nicht zu bei einem Fremden. Dabei heißt das ja nur, dass einer ein Werk geschaffen hat, das so viel größer war, als er selbst. Im Falle des Schauspielers James Gandolfini, der am Mittwoch in Rom vermutlich an einem Herzinfarkt gestorben ist, war das die Figur des Tony Soprano.

Dieser von Selbstzweifeln geplagte Chef einer kleinen Mafiatruppe in einer besonders tristen Ecke von New Jersey war für die ersten Jahre des 21. Jahrhunderts eine so exemplarische Gegenfigur, dass man erst einmal nicht wahrhaben will, dass der Schöpfer der Figur nun tot ist. Denn irgendwie lebte Tony Soprano ja auch in den Hollywoodfilmen weiter, die Gandolfini drehte, in "The Mexican", "Zero Dark Thirty" oder "Killing Them Softly". In jeder Sekunde vor der Kamera verlieh James Gandolfini einer schmalbrüstigen Zeit Gewicht.

Nun darf man James Gandolfini nicht verklären. Er war kein begnadeter Schauspieler, der sich in unzählige Rollen einfinden und verwandeln konnte. Bevor er mit 38 Jahren zum Star aufstieg hatte er viele kleine Rollen gespielt, die allesamt genauso auf seine Erscheinung und Biografie zugeschnitten waren wie Tony Soprano.

Zum Tod von James Gandolfini

James Gandolfini als Tony Soprano in "The Sopranos"

(Foto: REUTERS)

James Gandolfini war in New Jersey als Sohn italienischer Einwanderer aufgewachsen, die daheim immer noch italienisch sprachen. Sein Vater hatte als Hausmeister und Maurer gearbeitet, seine Mutter als Köchin einer High-School-Mensa. Er verdingte sich als Lastwagenfahrer, Barkeeper und Geschäftsführer eines Nachtklubs, bevor er Schauspieler wurde. Seine Bandbreite blieb schmal. Er spielte etwas Theater. Doch er eignete sich zu gut für die Klischeerolle des Italo-Gangsters. Er beherrschte den "Swagger", jenen Gang, bei dem ein breites Kreuz und kräftige Arme eine etwas zu schwere Körpermitte in einer Pendelbewegung halten, die kalte, brutale Bedrohung signalisiert.

Nun war der Mafioso als Symbolfigur für gesellschaftliche Entwicklungen nichts Neues. Bis zu den Sopranos war Marlon Brandos Pate der archetypische Mafiaboss. Die Corleones hatten stellvertretend für die amerikanische Nation den Weg der Einwanderer von ganz unten nach ganz oben vollzogen. Die meisten männlichen Amerikaner können Dialogzeilen aus allen Teilen der Trilogie rezitieren. Weil "Der Pate" für das eherne Ethos der Arbeit und die eiserne Moral des Handels stand.

Ständige Zerreißprobe

Auch Tony Soprano blieb bei allen Verbrechen und Sünden ein hochmoralischer Mensch. Sein Abstieg war genauso Symbol. Wie auch die echte Mafia hatte er das Stammgeschäft mit Drogen und Raub längst verloren, kratzte sein Geld bei Schiebereien bei der Müllabfuhr und im Bau zusammen. Darin lag eine ständige Zerreißprobe. Wie soll man das Ethos der Verbrechertraditionen bewahren, wenn die Mafia ins Ganoventum absteigt? Was bei den Sopranos übrig blieb, war immer die Familie.

Mit den Jahren nahm James Gandolfini an Gewicht zu. Bei einem seiner letzten Filmauftritte schrieben sie ihm auch das ins Drehbuch. Wenn er sich als Berufskiller Markie Trattman mit seinem Kollegen Jackie Cogan (Brad Pitt) an den Kneipentisch setzt, um den nächsten Mord zu verhandeln, klingt das Schnaufen, das bei Tony Soprano oft so bedrohlich wirkte, schon gesundheitsgefährdend.

In Rom war er auf dem Weg zum Taormina Film Festival. Er sollte dort einen Meisterkurs geben und einen Preis bekommen. Es wäre ein Triumph gewesen für den Sohn italienischer Einwanderer, in Italien als Meister gefeiert zu werden. James Gandolfini wurde 51 Jahre alt.

Eine ausführliche Fassung des Textes lesen Sie in der Süddeutschen Zeitung vom Freitag, 21. Juni.

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