Kolumne "Familie und andere Turbulenzen":Ich bin erwachsen, Mama!

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Mütter, die stets hinter ihren Kindern stehen, sind etwas Wunderbares. Außer, sie stehen dort, um den Nachwuchs besser kontrollieren zu können. (Foto: Stephanie Wunderlich)

Manchen Müttern fällt es schwer, ihre Kinder in die feindliche Welt zu entlassen. Auch wenn die bereits eine Halbglatze haben und mit "Herr Doktor" angesprochen werden.

Von Katja Schnitzler

Nur weil das Kind nun 1,90 Meter groß ist, fast türbreite Schultern und lichtes Haar hat oder von anderen "Herr Doktor" genannt wird, heißt das nicht, dass es gut allein zurechtkommt. Die Welt ist gefährlich, dort draußen lauern Viren, Glatteis und leere Kühlschränke. Gut, dass es Mama gibt, die alles weiß - oder allwissend zu sein glaubt.

"Du, ich hab dich neulich beim Einkaufen gesehen. Wer war denn diese Frau da bei dir? Du hast ja schließlich für sie mitgezahlt!" Der vom Sohn sofort verstandene Subtext: Ich sehe dich, wo auch immer du bist - und wenn mir was entgeht, erzählen es mir die Nachbarn. Außerdem hat mir die Frau an deiner Seite überhaupt nicht gefallen. Kann es sein, dass sie nur hinter deinem Geld her ist?

Die Mutter hingegen versteht nicht, weshalb der Sohn plötzlich so genervt ist, sie wollte sich doch nur unterhalten. Er aber möchte lieber zurück in die Praxis, zu seinen Patienten, von denen er sich wer weiß was einfangen kann. Überhaupt scheint er sie in letzter Zeit aus seinem Leben auszuschließen.

Traurig winkt sie ihm mit dem wollenen grünen Schal hinterher, den er partout nicht umlegen wollte, obwohl ein eisiger Wind weht. Es hat bestimmt minus fünf Grad! Wenigstens die Reste vom Mittagessen konnte sie ihm aufschwatzen, er ist so dünn geworden. Und diese Frau kocht ihm sicher nichts.

Die Mutter geht hinein, um sich ihrem zweiten Küken zu widmen, ebenfalls seit einem Jahrzehnt flügge und vor zwei Jahren nach Australien geflohen. Was die Tochter nicht vor den täglichen Anrufen der Mutter schützt.

Wann kommst du heim?

"Du kontrollierst mich!", klagt die Tochter. "Ich muss doch wissen, dass es dir gutgeht", entrüstet sich die Mutter, und überhaupt: "Schmierst du dich auch ordentlich mit Sonnencreme ein, denk an den Hautkrebs und vergiss die Fußrücken nicht - und wann kommst du endlich wieder heim?" "Ich muss auflegen, es ist zwei Uhr nachts, wieder mal", sagt die Tochter und seufzt. Ihr australischer Freund - von dem die Mutter nichts weiß, weil er nicht studiert hat, aber gerne surft - zieht sich grunzend das Kissen über den Kopf.

Die Tochter kann so schnell nicht mehr einschlafen, zu sehr ärgern sie die nächtlichen Anrufe. Und sie macht sich Sorgen. "Wie einsam ist deine Mutter eigentlich? Hat sie keine Freunde?", hatte ihr Freund sie vor kurzem gefragt. Sie musste mal wieder mit ihrem Bruder telefonieren: Er sollte nicht nur an seine Praxis und die neue Freundin denken, sondern öfter mal bei Mama vorbeischauen.

Als sie selbst im vergangenen Jahr auf Heimaturlaub bei der Mutter gewohnt hatte, war das wie eine Zeitreise gewesen, zurück in die Vergangenheit: Wo gehst du hin, wo kommst du her und warum so spät? Leider meinte die Mutter diese Fragen nicht philosophisch. "Mama", hatte sie irgendwann gestöhnt, "ich hab dich lieb, aber glaub mir: Ich bin erwachsen!" Leider glaubte ihr die Mutter Letzteres nicht. Ob es in anderen Familien auch so zuging?

Wurde etwa Angela Merkel von ihrer Mutter angerufen, um - nein, nicht, um zu erfahren, wie stolz sie auf sie sei, erste Frau als Bundeskanzlerin und so -, sondern um sich anzuhören: Sie habe sie im Fernsehen gesehen, wie sie im viel zu leichten Mantel durch den Schneesturm ... fast den Bundestag im Hintergrund nicht mehr erkennen können ... ihre Tochter holt sich da vor den Augen der Nation den Tod ... wozu sind eigentlich diese Bodyguards da? Auf jeden Fall habe sie gleich ein Päckchen losgeschickt, mit einem Schal. Und Königsberger Klopsen.

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