Kolumne "Familie und andere Turbulenzen":Mein Kind ist besser als Mozart

Familien-Kolumne

Malt, Kinder, malt - aber nicht zum Vergnügen! Sondern damit eure Mutter mit dem Werk prahlen kann.

(Foto: Stephanie Wunderlich)

Werden Frauen zu Müttern, treten sie in einen Wettstreit, der es durchaus mit der Mein-Haus-mein-Boot-meine-Frau-Rivalität vieler Männer aufnehmen kann. Nur das Objekt der Prahlerei ist ein anderes. Es dreht sich alles um: mein Kind. Und was es alles kann. Nämlich lauter Dinge, die deins nicht kann!

Von Katja Schnitzler

Kaum hatte die Mutter das Krankenhaus samt Säugling verlassen, musste sie feststellen, dass sie sich mitten in einem Wettbewerb befand, von dessen Existenz sie zuvor keine Ahnung gehabt hatte. Und irgendjemand hatte sie ungefragt auf die Teilnehmerliste gesetzt.

Bei Stilltreffs, Rückbildungskursen und Krabbelgruppen schienen sich die Damen mit dem Babybauch auch gleich ihrer Bescheidenheit entledigt zu haben und legten los.

"Mein Säugling schläft schon durch, obwohl er erst drei Tage alt ist!" "Mein Baby dreht sich ganz allein um, stellt euch vor, obwohl das rein anatomisch noch gar nicht möglich sein soll." "Meine Zweijährige hat ihre Franz-Marc-Phase hinter sich und widmet sich nun ihrem neuen Vorbild Picasso!" "Mein Sohn überholt mit dem Laufrad alle Rennradler!" "Meine Tochter braucht nur zehn Minuten für die Hausaufgaben, an denen andere zwei Stunden sitzen - sie wird wohl eine Klasse überspringen. Oder zwei!"

Solche Dinge erfuhr die staunende Mutter von allen Seiten und hoffte, dass sich dieser hemmungslose Drang zum weiblichen Kräftemessen mit dem Heranwachsen der kleinen Superhelden bei den eifrigen Wettstreiterinnen geben würde. Aber das tat er nicht.

Selbst dann nicht, wenn die kleinen Genies den Beweis ihrer besonderen Fähigkeiten schuldig blieben. Oder die Behauptungen sogar widerlegten.

Wie zum Beispiel der kleine Justus, der beim Musikschulkonzert ("Wir überlegen, unseren Sohn wegen seiner Begabung auf ein Musikgymnasium zu schicken. Mozart wurde schließlich noch früher gefördert!") gerade mal jede zweite Klaviertaste richtig traf. Immerhin, hätten Eltern gesagt, die entspannter waren als andere. Und hatten trotzdem applaudiert, für den Mut, überhaupt vor Publikum aufzutreten.

Nicht so die Wettkampf-Mutter, die unter jedem falschen Ton litt, weil er direkt an ihrem Ego kratzte. Fassungslos ob dieser Schlappe verließ sie sogleich nach Konzertende mit dem geknicktem Justus den Schauplatz der Niederlage und überließ diesmal - aber nur diesmal! - anderen Frauen das Siegertreppchen im Kindertalente-Wettstreit. Mit gemischten Gefühlen sah die junge Mutter dem Wunderknaben und seiner Mama - oder sollte sie sie besser als Trainerin bezeichnen? - hinterher.

Derart abgelenkt, ergriff sie nicht rechtzeitig die Flucht, als andere Wettkampf-Mütter sie und ihr Kind einkreisten, um sogleich verbissene Lobeshymnen auf ihre wohlgeratenen Sprösslinge anzustimmen. "Und was ist mit deinem Kind, kann das etwa nichts?", schwebte die unausgesprochene Frage zwischen den erhobenen Augenbrauen der anderen Mütter. Schweigend fixierten sie die junge Mutter, die noch gar nichts gesagt hatte.

Sowohl sie als auch ihr Nachwuchs wirkten ein wenig verschüchtert. Das Kind schien im Geiste seine besonderen Fähigkeiten durchzugehen, doch sein Gesicht verdüsterte sich: Offenbar war ihm nichts Außergewöhnliches aufgefallen. Selbst fliegen konnte es immer noch nicht, obwohl es jeden Abend mit wedelnden Armen von der Couch sprang. Das Kind schob seine Hand in die der Mutter.

"Also mein Kind", sagte die Mutter ins Schweigen hinein und blickte lächelnd zu ihm hinunter, "mein Kind schafft es immer, mich zum Lachen zu bringen."

"Mein Kind ist geiler als dein Kind", findet auch der Berliner Kabarettist Fil, und: "Mein Kind ist phantasiebegabt und deins spinnt!".

Schreiben Sie uns Ihre Erfahrungen und Tipps in den Kommentaren unter der Kolumne.

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