Bußgeld im Englischen Garten:Ein bisschen Singapur mitten in München

Kotende Köter, wilde Surfer, hemmungslose Partymacher: Der Freistaat Bayern will im Englischen Garten nun durchgreifen - und von August an kräftige Bußgelder verhängen. Die Polizei soll helfen.

Beate Wild

Es war die Tat eines königstreuen Amerikaners, der München seinen großen Park zu verdanken hat. 1789 legte Benjamin Thompson - der spätere Reichsgraf von Rumford - den Englischen Garten zwischen Isar und Schwabing an. Der Mann war bayerischer Kriegsminister und Sozialreformer.

220 Jahre später ist die riesige Grünanlage, die größer als der Central Park in New York und der Hyde Park in London ist, ein Lieblingsplatz vieler Münchner. Der Sommer in der Stadt treibt sie in den Englischen Garten.

In diesem ältesten Volksgarten der Welt drehen Jogger ihre Runden, treffen sich Bongo-Spieler zum Trommeln, baden Sonnenhungrige im kühlen Eisbach und Freizeitkicker stürmen über die Wiesen. Ganz zu schweigen von den berühmten Nackten, die man in keiner anderen Stadt der Welt mitten in der City antreffen kann - und den wagemutigen Surfern, die mittlerweile sogar an Hawaiis Stränden berüchtigt sind.

Doch mit dieser münchnerischen Unbeschwertheit ist nun bald Schluss. Das Idyll zeigt hässliche Risse.

Der Bayerische Landtag hat vergangene Woche eine Änderung des Landesstraf- und Verordnungsgesetzes beschlossen. Von 1. August dieses Jahres an tritt die Gesetzesänderung in Kraft. Sie enthält einen ganzen Katalog von Regeln für die Parkbesucher. Bei Verstoß drohen Bußgelder.

"Es gibt massive Beschwerden von Münchner Bürgern, besonders über freilaufende Hunde, rasende Radler und Parkverschmutzer" sagt der Chef des Englischen Gartens, Thomas Köster. Das Zusammenleben der verschiedenen Interessengruppen klappe einfach nicht mehr. "Wir brauchen ein bisschen Singapur für den Englischen Garten", sagt er. Die asiatische Metropole ist dafür bekannt, dass dort besonders strenge Gesetze gelten und etwa das Kaugummikauen auf offener Straße verboten ist.

Judith Steiner, Sprecherin des bayerischen Finanzministeriums, das unter anderem für die Park- und Schlösserverwaltung zuständig ist, bestätigt Kösters Eindruck. "Leute mit kleinen Kindern trauen sich nicht mehr in den Englischen Garten", sagt sie. Es müsse sich was ändern, sonst drohe der Park - aufgrund der anarchistischen Tendenzen - kaputtgemacht zu werden.

Das "emotional größte Problem" seien die freilaufenden Hunde, weshalb das neue Gesetz rigorosen Leinenzwang fordern wird. "Wir haben mindestens einen Toten pro Jahr durch Hundeunfälle", sagt Köster. Die Vierbeiner sprängen oft überraschte Radfahrer an, die sich durch einen unglücklichen Sturz tödlich verletzen können. Und auch die nicht entsorgten Hundehaufen, im Beamtendeutsch "Verkotung" genannt, seien ein zunehmendes Problem.

Genaue Zahlen über den Hunde-Ärger kennen Parkverwaltung, Finanzministerium, Polizei und Stadt München nicht. "Lediglich aus dem Jahr 2004 liegt uns eine Zahl vor, da waren es 1691 beanstandete Hundehalter", bleibt Steiner im Vagen.

Aber es sind nicht nur rücksichtslose Hundehalter, die den Parkchef ärgern. Auch das Baden und Surfen im Eisbach ist für ihn ein großes Thema. "Im vergangenen Jahr sind drei Personen ertrunken, die Verletzungsgefahr ist einfach zu groß", sagt Köster. Eigentlich sei das Baden laut der bestehenden Ordnung bereits verboten, doch niemand halte sich daran. Gegen die renitenten Badegäste habe man bislang keine Handhabe. "Doch mit der neuen Verordung dürfen wir dann Bußgelder verteilen", erklärt er.

Ein bisschen Singapur mitten in München

Noch viel gefährlicher als das Baden sei das Surfen auf der berühmten Eisbachwelle. Die Parkverordnung ist so alt, dass das Surfen noch nicht in dem Regelwerk vermerkt ist. "Aber wenn ein Unfall passiert, muss ich als Parkchef persönlich dafür haften", ärgert sich Köster. Und deshalb müsse der gefährliche Sport auf der Welle so schnell wie möglich untersagt werden.

Ein anderes Problem, dem Grünanlagen-Betreuer Köster nicht mehr Herr wird, sind die Müllberge - beziehungsweise die Parkbesucher, die ihren Müll überall liegen lassen. "Die Leute feiern Partys, betrinken sich und lassen dann ihren Unrat einfach liegen", klagt er. Bisher hätte nicht einmal die Polizei etwas gegen diese Umweltverschmutzer ausrichten können. Bald soll es für unterlassenes Aufräumen Bußgelder hageln.

"Wir bekommen das Müllproblem sonst nicht mehr in den Griff", klagt Köster. Derzeit gebe man pro Jahr 110.000 Euro für die Abfallentsorgung aus. Dagegen nehme sich die Wiesenpflege mit 70.000 Euro direkt günstig aus. "Der Bürger muss mehr Verantwortung für diesen schönen Park übernehmen", fordert er. Seit den neunziger Jahren sei die Verwahrlosung des Englischen Gartens kontinuierlich fortgeschritten. Und da der freie Wille der Münchner dazu wohl nicht ausreiche, bedürfe es strengere Regeln, deren Nichteinhaltung bestraft wird.

Die neuen Benutzungsregeln für den Englischen Garten gibt es noch nicht, sie müssen erst formuliert werden. "Wahrscheinlich treten sie erst ab 2009 in Kraft", vermutet Steiner vom Finanzministerium. Für die Parkgesetze gebe es zunächst ein Pilotprojekt in Bayreuth, mit dessen Erfahrungen man dann die Besucher des Englischen Garten maßregeln will. Wie hoch die Bußgelder sein werden, muss auch noch festgelegt werden. "Sie werden sich zwischen 15 und 35 Euro pro Strafzettel bewegen", vermutet Köster.

Für die Umsetzung der Verordnung müsse zudem die Polizeipräsenz in Münchens größtem Park verstärkt werden. "Ich brauche die Hilfe der Polizei, die vor Ort die Täter anspricht und Verwarnungen ausspricht", fordert der Parkchef. Polizeisprecher Andreas Ruch steht dieser Forderung skeptisch gegenüber. "Wir werden sicherlich keine Müllstreife einführen", sagt er. Bisher gebe es eine Reiterstaffel aus zwei Pferden im Englischen Garten. Aufgestockt könne diese wohl kaum werden. Das sei nicht verhältnismäßig.

Zur Information für den Bürger will Köster Flyer verteilen, die erklären, was erlaubt ist und was nicht. "90 Prozent der Parkbesucher sind aus der Münchner Innenstadt", sagt er. Mit einer solchen Aktion erreiche man schon die Richtigen.

Die Einzigen, die wohl aufatmen dürfen, weil sie von diesem Gesetz nicht tangiert werden, sind die FKK-Anhänger. Der Badeanzug oder die Badehose muss nicht angezogen werden. "Die Nackerten", sagt Köster, "stehen in München unter Naturschutz."

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