Bremse für die Energiewende:Flugsicherung stoppt Windkraft

Wolken über Brandenburg

Gefahr für die Sicherheit? Eine Windenergieanlage in Brandenburg.

(Foto: Patrick Pleul/dpa)

Zivile und militärische Luftfahrtbehörden unterbrechen den Bau von mehreren hundert Windkraftanlagen. Die Rotoren der Windräder könnten Radarsysteme beeinflussen und seien damit ein Risiko für den Flugverkehr, heißt es. Echt?

Von Markus Balser, Berlin

Alexander Prinz von Isenburg ist ein umweltbewusster Mensch. Rund um den Familiensitz der Adelsfamilie im hessischen Birstein betreibt der Unternehmer Solarparks, eine ökologische Landwirtschaft und ein Wasserkraftwerk. Und der Prinz hat noch viel mehr vor: 14 Windanlagen für 65 Millionen Euro sollen bald Strom liefern. Doch das schon genehmigte Projekt wird erst mal auf Eis gelegt. Denn die Rotoren sorgen für Ärger im deutschen Luftraum.

Die Deutsche Flugsicherung (DFS) stoppte die Pläne des Prinzen. Die Angst der Behörde: Die Windräder könnten eine benachbarte Radarstation des Navigationssystems für Flugzeuge stören. Seit gut vier Jahren gibt es eine 15 Kilometer große Tabuzone um die Radaranlagen und Funkfeuer. Windräder strahlten zwar selbst keine Energie ab, könnten aber als hoch aufragende Bauwerke Signalwellen ablenken - und Flugzeugen so einen falschen Standort vorgaukeln, warnen DFS und die Flugsicherung der Bundeswehr.

Hunderte Windparkprojekte blockiert

Etwa 60 militärische und zivile Funkfeuer gibt es in Deutschland, Gebäude von der Größe einer Garage. Meist stehen sie in ebenen Regionen, weil dort die Funkwellen den wenigsten Widerstand haben - in Gegenden also, die auch Betreiber von Windparks schätzen. Schließlich lässt sich dort viel Wind ernten.

Was kurios klingt, wird für die Windbranche zum ernsten Problem. Denn in ganz Deutschland werden derzeit Streitfälle wie der in Birstein zur Bremse für die Energiewende. Laut Berliner Bundesverband Windenergie sind wegen Konflikten mit dem Radar mehrere Hundert Windparkprojekte blockiert. Gesamte Windleistung: vier Gigawatt. Das entspricht etwa dem von der Bundesregierung für zwei Jahre vorgesehenen Zubau an Windparks in Deutschland.

Tabuzone um Radaranlagen zu groß

Jetzt eskaliert der Streit, auch weil es um immer mehr Geld geht. Allein an der schleswig-holsteinischen Ostküste betreffe der Konflikt inzwischen Investitionen von rund einer Milliarde Euro, sagt Verbandschef Henning Dettmer. Lenke die Flugsicherung nicht bald ein, könne das teuer werden, verlautet aus der Windbranche. Erste Windparkplaner prüften Schadensersatzforderungen wegen der massiven Verzögerung beim Bau ihrer Anlagen.

Damit geraten Deutschlands Behörden immer stärker unter Druck. Die Betreiber von Windkraftanlagen wehren sich gegen die nach ihrer Meinung zu starre Haltung zu Windkraftanlagen. Seit Monaten schon fordern Industrie, Umweltschützer und Politiker ein Einlenken - und die Verkleinerung der Tabuzone. Sie halten die 15-Kilometer-Zonen der DFS für unverhältnismäßig. Mitte Juli etwa sprach sich das Verwaltungsgericht Oldenburg in zwei Fällen gegen den strikten Zirkel aus. Begründung: Neue Studien einer DFS-Tochter hätten ergeben, dass ein Umkreis von drei Kilometern für den sicheren Luftraum ausreichen könne.

Zweifel an der Störwirkung der Windkraftanlagen

Die Bundesregierung räumt inzwischen ein, dass es Zweifel an der Störwirkung gibt. "Alle der DFS bekannten Simulationsmethoden konnten bisher noch nicht vollständig gegenüber Messungen validiert werden", heißt es in einer Antwort der Regierung auf eine kleine Anfrage der Grünen. Die Ergebnisse eines neuen Gutachtens würden derzeit überprüft, schreibt Katharina Reiche, Parlamentarische Staatssekretärin des zuständigen Verkehrsministeriums. Es komme zu teilweise völlig neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen. "Schlussfolgerungen sollten zeitnah vorliegen", heißt es in dem Papier, das der Süddeutschen Zeitung vorliegt.

Die Opposition übt harte Kritik am zögerlichen Kurs von Schwarz-Rot. Die Bundesregierung versäume es seit Jahren, klare und nachvollziehbare Regeln zu schaffen, ärgert sich Grünen-Fraktionsvizechef Oliver Krischer. "So werden Windenergie und Radar inzwischen ein Beschäftigungsprogramm für Gerichte." Die Bundeswehr könne nicht mal sagen, bei wie vielen Projekten sie ihr Veto eingelegt habe. "Jede Pommesbude hat eine seriösere Buchführung."

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