Ihre Frage:Wie lässt sich Helene Fischers Erfolg erklären?

Helene Fischer

Das ganz, ganz große Los gezogen: Helene Fischer.

(Foto: REUTERS)

Sie ist der größte Schlagerstar, den dieses Land gerade zu bieten hat. Helene Fischer hält sich seit Monaten in den Charts und verkauft mehr als fünf Millionen Platten. Wer aber, wie unser Autor, ihren Erfolg ergründen will, begibt sich auf dünnes Eis.

Ihre Frage

In einem Facebook-Post zu Helene Fischer hat uns ein Leser folgende Frage gestellt.

Mit 30 ist sie Deutschlands bekannteste Schlagersängerin und durfte sogar den Weltmeisterpokal in Händen halten. Wie hat Helene Fischer das geschafft? Kann mir das bitte mal jemand erklären?

Unsere Antwort

Von Jens-Christian Rabe, Feuilleton-Redakteur der SZ

Wer Fragen dieser Art beantworten will, muss sich früher oder später auf dünnes Eis begeben. Und das hat einen einfachen Grund: Massenpsychologie ist besonders in Geschmacksfragen ein Fach mit ungefähr drei bis dreihundert Millionen zu vielen Unbekannten. Wenn man wirklich gute, also auf den jeweiligen Einzelfall zugeschnittene und überprüfbare Antworten auf solche Fragen hätte, könnte man eine Menge Geld verdienen. Solche Antworten habe ich leider nicht.

Etwas mehr als nichts lässt sich aber natürlich schon sagen, über den Erfolg von Helene Fischer. Vor allem über die Grundregeln des Geschäfts mit dem Ruhm in der populären Musik: Die Sängerin ist Mitte der Nullerjahre als Schlagerstar groß geworden. Und Deutschland (sowie Österreich und die Schweiz) sind Schlager-Länder. Auch im Jahr 2014 lautet die nüchterne Wahrheit: die genuin deutsche Popmusik ist der Schlager, der seine Wurzeln eben nicht in Blues und Jazz, sondern in der Volksmusik und der volkstümlichen Musik hat. Humptata. Wer in Deutschland also, so wie Helene Fischer es inzwischen geschafft hat, auf dem kürzesten Weg berühmt werden, jahrelang Dauergast in den Charts sein und mehr als fünf Millionen Platten verkaufen will, der sollte es mit Schlager versuchen.

Es gibt hierzulande nämlich schlicht sehr viele Menschen, die diese Musik offenbar sehr gerne mögen. Und deshalb ist der Schlager auch in den großen Radiosendern und vor allem im öffentlich-rechtlichen-Fernsehen, dem nach wie vor wichtigsten Massenmedium, sehr präsent, was wiederum optimale Werbung ist. Und ab einem gewissen Punkt ist dann nichts mehr erfolgreicher als der Erfolg: Wer also sehr viele Platten verkauft, der wird flächendeckend in den Medien präsentiert und berühmt, und wer flächendeckend in den Medien präsentiert und dadurch berühmt wird, der verkauft noch mehr Platten. Und wenn sich dann noch die Mitglieder der deutschen Fußballnationalmannschaft, die gerade Weltmeister geworden ist, als Fans zu erkennen geben und zu einem Auftritt bei der Siegerfeier in der Hauptstadt einladen - nun ja, dann hat man das ganz, ganz, ganz große Los gezogen. Dann ist man der größte Popstar, den dieses Land derzeit zu bieten hat.

Womit natürlich noch nicht gesagt ist, warum das gerade Helene Fischer und ihrer Musik geglückt ist und nicht jemand anderem aus dem scheinbar unerschöpflichen Pool des Schlager-Nachwuchses. Tja. Genau jetzt bewegen wir uns auf dünnem Eis. Deshalb vielleicht nur so viel: In einem Geschäft, in dem der Star nicht die entscheidende, die unverwechselbare Ursache seines Ruhms ist, sondern mehr oder weniger nur der jeweils beliebteste Repräsentant einer vollkommen unabhängig von ihm und seinem spezifischen Beitrag geschätzten Kunst - in so einem Geschäft erwischt es immer einen. Oder eben eine. Die Planstelle muss eben besetzt werden. Helene Fischer dürfte es aber bestimmt nicht geschadet haben, dass sie eine gutaussehende, freundliche, blonde junge Frau ist und ausgebildete Musical-Darstellerin dazu. Der Weg zum wirklich großen Mainstream-Ruhm ist schließlich vor allem einer, bei dem man eisern lächelnd immer feste auf die Zähne beißen können muss, sich für nicht allzu viel zu schade sein und auf jeder Baumarkt-Bühne zwischen Oberstdorf und Flensburg-Handewitt zu Hause fühlen sollte. Neben Mike Krüger beherrscht diese Kunst niemand so gut wie professionelle Musical-Darsteller.

Auch dass neuere Songs, besonders der aktuelle Hit "Atemlos", zwar immer noch unverkennbar Schlagermusik sind, aber was Beats und Sounds betrifft doch in einem vergleichsweise zeitgenössischen Mainstream-Bubblegum-Pop-Kleid daherkommen, war sicher keine falsche Entscheidung. So lassen sich noch ein paar jüngere Fans gewinnen, die Nationalmannschaft zum Beispiel und Menschen, die noch nicht zum Kernpublikum des ZDF Fernsehgartens gehören.

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