Varoufakis' Mittelfinger:Was für und gegen Böhmermanns Fälschung spricht

Varoufakis in 'Günther Jauch'

Varoufakis in der Sendung von Günther Jauch am Sonntagabend. Was ist Fake? Was Manipulation? Was real?

(Foto: dpa)

Wie kommt der Mittelfinger in die Varoufakis-Rede? Jan Böhmermann will es gewesen sein. Das ZDF spricht von Satire. Kann das sein? Ein total ernster Überblick.

Von Bastian Brinkmann

Hat Jan Böhmermann das Mittelfinger-Video von Yanis Varoufakis gefälscht? Oder ist sein Video selbst eine Fälschung? Es bricht eine von Böhmermann genial angestoßene Debatte aus: Wer hat recht? Hier alle Argumente für beide Seiten im Überblick.

Die Aussagen von Varoufakis bei Jauch

In seiner TV-Sendung zeigte Günther Jauch am Sonntagabend ein Video, in dem Varoufakis Deutschland den Mittelfinger zeigt (hier im Video ab 25:45). Varoufakis dementierte sofort, dass das Video echt ist - hier im englischen Wortlaut.

Spricht für Mittelfinger-Fälschung: Varoufakis behauptet steif und fest, dass das Video eine Fälschung ist. Obwohl er wissen muss, dass es gefährlich ist, als Minister in der Öffentlichkeit die Unwahrheit zu sagen. "Ich habe den Finger nie gezeigt, niemals. Das ist manipuliert, und ich schäme mich, dass ich Teil einer Sendung bin, die so ein Video zeigt. [...] Ich kann das über allen Zweifel erhaben beweisen. Das ist nie passiert."

Spricht gegen Mittelfinger-Fälschung: Es kann nicht ganz ausgeschlossen werden, dass es bei Jauch zu einem Missverständnis kam. Denn die Redaktion hat das Video in einen falschen Kontext gestellt. Varoufakis zeigte damals nicht dem Deutschland den Finger, das Griechenland mit milliardenschweren Notkrediten hilft. Varoufakis bezog sich vielmehr auf die deutschen Banken, die Griechenland zu viel Kredit gegeben und sich verzockt hatten. Mehr dazu hier. Varoufakis' Aussagen bei Jauch können auch so gelesen werden, dass er sich dagegen wehrt, aus dem Kontext gerissen zu werden, und sich nur schlecht ausgedrückt hat.

Das Video, aus dem Jauch zitiert hat

Auf Youtube gibt es diverse Kopien und Ausschnitte aus der Rede, in der Varoufakis den Finger gezeigt haben soll. Das Originalvideo wurde von den Veranstaltern des Subversive Festivals ins Netz gestellt. Sie hatten 2013 Varoufakis als Redner eingeladen. Die umstrittenen Szene beginnt bei 40:20.

Spricht für Mittelfinger-Fälschung: Das Video wurde erst im Februar 2015 hochgeladen - also zwei Jahre, nachdem der Vortrag gehalten war. Eine andere Rede von Varoufakis vom gleichen Festival hatten die Veranstalter zeitnah im Jahr 2013 im Internet veröffentlicht. Der Kameramann erwähnte vor ein paar Tagen zudem in einem Reuters-Video, dass er Böhmermann kennt (ab 1:25; dieses Zitat fehlt übrigens in der deutschen Variante des Reuters-Videos). Das würde dafür sprechen, dass Böhmermann tatsächlich in der Lage gewesen sein könnte, ein manipuliertes Video im Internet so zu lancieren, dass der Eindruck entsteht, es stamme vom Subversive Festival.

Spricht gegen Mittelfinger-Fälschung: Die Veranstalter könnten die neue Berühmtheit von Varoufakis zum Anlass genommen haben, das Video erst jetzt hochzuladen. Bevor er griechischer Finanzminister wurde, war er viel weniger prominent. Außerdem hat Varoufakis das Video nach der Jauch-Sendung selbst auf Twitter gepostet und dazu geschrieben, dass diese Version nicht manipuliert sei. Bei Google lassen sich zudem bisher keine Hinweise darauf finden, dass eine ältere Version des Videos - ohne Mittelfinger - im Jahr 2013 schon einmal irgendwo veröffentlicht wurde. Und vor allem: Die Festival-Organisatoren hatten bestätigt, dass die Aufnahmen nicht manipuliert sind. "Wenn wir das Video selbst veröffentlicht haben, dann ist es auch echt", hatte Dina Pokrajac gesagt, die beim Festival für das Filmprogramm zuständig war.

Das Video von Jan Böhmermann

Spricht für Mittelfinger-Fälschung: Böhmermann behauptet, mit Organisatoren des Subversive Festivals zusammengearbeitet zu haben*. In seinem Video (ab 3:30) begrüßt Böhmermann eine Dina vom Subversive Festival. Sie sei eine Freundin einer Mitarbeiterin von ihm und habe deswegen bei der Aktion mitgemacht. Dina taucht per Skype-Aufnahme in Böhmermanns Video auf und bestätigt, bei der Mittelfinger-Aktion mitgemacht zu haben. "Es tut mir leid", sagt sie ironisch und zeigt selbst den Finger.

Spricht gegen Mittelfinger-Fälschung: Wenn Böhmermann zeigt, wie er das Varoufakis-Video umgeschnitten hat, könnte er natürlich auch das Mittelfinger-Video manipuliert haben - um eine Version zu erhalten, die den Finger eben nicht zeigt. Böhmermann inszeniert seinen Beitrag als Dokumentation, die zeigen soll, wie der Finger angeblich in die Rede montiert wurde. Die entsprechenden Arbeiten müssten im Februar oder früher stattgefunden haben, weil das Video mit dem Mittelfinger seitdem online ist. Allerdings fällt an einer Stelle Varoufakis' Finger-Double aus der Rolle. Es ist vermeintlich sein Finger, der im Februar schon in das Video geschnitten wurde. Doch während des Drehs dazu äußert er sich zu der Jauch-Sendung, die erst vergangen Sonntag ausgestrahlt wurde. "Also wenn das Video bei Günther Jauch läuft, dann muss es doch eigentlich stimmen", sagt der Mann im grünen Anzug (ab 6:05).

Die Erklärung des ZDF**

Der Heimatsender von Böhmermanns Show mischt sich in die Debatte ein: "Das Neo Magazin Royal ist eine Satiresendung", teilt die offizielle ZDF-Pressestelle mit. Und weiter: "Die Redaktion hat die Debatte über das Varoufakis-Video nach der Ausstrahlung in der Jauch-Talkshow satirisch zugespitzt. Dafür haben Jan Böhmermann und seine Redaktion die Möglichkeiten der Video-Manipulation sehr anschaulich dargestellt."

Spricht für Mittelfinger-Fälschung: Ein hartes Dementi wäre deutlicher formuliert.

Spricht gegen Mittelfinger-Fälschung: Sogar beim ZDF gibt es lustige Menschen, die bei der Satire mitspielen.

*Anmerkung der Redaktion: An dieser Stelle stand in einer früheren Version dieser Satz: "Die Macher haben auf Anfragen von SZ.de bisher nicht geantwortet." Wir haben ihn aus guten Gründen entfernt.

**Anmerkung der Redaktion: Die folgenden Absätze wurden um 14 Uhr ergänzt.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: