FC Bayern in China:Zu spät mit Kung-Fu angefangen

FC Bayern Audi China Summer Tour 2015 - Day 1

Chinesische Fans knipsen ein Foto mit Bayern-Torwart Manuel Neuer.

(Foto: Bongarts/Getty Images)
  • Der FC Bayern reist durch China, um neue Fans zu gewinnen.
  • Zwei Profis mit China-Erfahrung glauben, dass der Münchner Klub schon abgehängt ist im internationalen Vergleich.

Von Johannes Kirchmeier

Durch die Flughafenhalle von Peking hallen Schlachtrufe: "Super-Bayern, Super-Bayern, hey, hey!", singen Hunderte chinesische Fans. Thomas Müller schreibt grinsend Autogramme auf Schals, Trikots und weiße Blätter. Philipp Lahm steht als Knipspartner für Selfies bereit. Trainer Pep Guardiola lächelt, als er seinen Gepäckwagen an den Fans vorbeischiebt. "Wow", schreibt Robert Lewandowski auf Twitter. So viele Leute habe er nicht erwartet.

Der FC Bayern tourt in diesen Tagen durch China, um sich auf die Saison vorzubereiten. Vor allem aber, um neue Absatzmärkte zu erschließen. Die Münchner sind längst nicht mehr nur ein Sportverein, sondern ein globales Unternehmen. Doch die euphorischen Bilder vom Flughafen täuschen. Denn mithalten mit anderen Weltkonzernen aus dem Fußball können die Münchner bislang nicht. Erst recht nicht im bevölkerungsreichsten Land der Erde.

Einer der sich mit dem Fußball in China auskennt, ist Andy Nägelein. Der in Hongkong geborene Franke konnte sich als Profi in Deutschland nie richtig durchsetzen, seit mehr als fünf Jahren spielt er in Asien, knapp drei davon in China, derzeit bei Eastern AA in Hongkong in der Super League. Nägelein erzählt, dass zwar jede Woche zwei oder drei Partien der Bundesliga im Staatsfernsehen CCTV übertragen werden. "Die Premier League aber läuft die ganze Woche. Alle Spiele werden im Sportkanal zusätzlich wiederholt." Die Bundesliga-Partien müssten Interessierte dagegen aufnehmen, denn das Topspiel am Samstagabend geht in China erst um 0:30 Uhr los.

Chinas Kinder trainieren in Premier-League-Trikots

Mau sieht es auch bei den Fanartikel-Käufern der nächsten Jahre aus: Die Kinder auf den Straßen tragen Trikots der englischen Klubs. "Jungs, die im Bayern-Trikot herumlaufen, sehe ich sehr selten", sagt Nägelein. Da in China nur wenige Vereine Jugendmannschaften haben, gehen die Kinder zum Training in Camps. Die schmücken sich mit den Vereinsnamen von Manchester United, FC Chelsea, FC Arsenal oder AC Mailand. "Die Vereine kennt hier jeder, damit kannst du werben", sagt Nägelein. Ein FC-Bayern-Camp gibt es nicht.

Auch Sejad Salihovic kickt in China, seit Juni bei Guizhou Renhe. Eigentlich wollte der ehemalige Hoffenheimer seinen Freund Jérôme Boateng beim Spiel gegen Valencia am vergangenen Wochenende besuchen. "Ich habe aber mit Guizhou einen Tag später selbst gespielt und deswegen war es leider nicht möglich, mal eben nach Peking zu fahren", sagt er. Immerhin Kontakt hatte er zum Bayern-Verteidiger. "Es ist auch für die Bayern-Spieler aufregend, hier zu sein", sagt er.

Thomas Müller, das "verrückte Baby"

Bei seinen ersten Spielen in der chinesischen Liga hat der Bosnier Salihovic die Erfahrung gemacht, dass China ein fußballverrücktes Land ist. Der Zuschauerschnitt der Super League liegt bei etwa 22 000 Fans pro Spiel, damit zählt sie zu den zehn zuschauerstärksten Ligen der Welt. Zudem ist China wohl das einzige Land der Welt, das den Spielern eigene Namen in ihrer Sprache gibt. "Verrücktes Baby" ("Erwa") nennen die Chinesen Stürmer Müller wegen seiner humoristischen Einlagen. Nägelein hat die Kurzform "Nie" verpasst bekommen - und Bastian Schweinsteiger wird "xiao zhu" genannt, das bedeutet Schweinchen.

Die beiden China-Erfahrenen Nägelein und Salihovic halten die Zahl von 90 Millionen Sympathisanten, die der FC Bayern während seiner Marketing-Reise für sich begeistern will, für möglich. Dass zum ersten Bayern-Testspiel gegen Valencia 49 000 Zuschauer ins Pekinger Olympiastadion kamen, heiße jedoch nichts, findet Nägelein: "Wenn ein englisches Premier-League-Team kommt, ist auf jeden Fall ausverkauft. Und zwar egal, welches Team kommt."

16 Klubs bleiben in Europa

Neben den Premier-League-Klubs hält Nägelein auch die Champions-League-Rivalen FC Barcelona und Real Madrid für populärer als die Münchner. Die Bundesliga werde natürlich wahrgenommen, gerade durch die starken Champions-League-Auftritte der Münchner und den Weltmeister-Titel des DFB-Teams. Dennoch müssen die Klubs mehr tun für neue chinesische Anhänger, findet Nägelein. Die Reise des FC Bayern ist da nur ein erster Schritt.

1899 Hoffenheim - FC Augsburg

Sejad Salihovic feiert ein Tor noch im Trikot der TSG Hoffenheim. Inzwischen steht er in China bei Guizhou Renhe unter Vertrag.

(Foto: Uwe Anspach/dpa)

Bis auf den FC Bayern und Borussia Dortmund, die durch Asien touren, präsentiert sich in dieser Sommervorbereitung kein deutscher Klub außerhalb Europas. Die Premier League wird ihren Vorsprung vor der Bundesliga wohl noch eine Weile behalten. 13 von 20 britischen Teams sind gerade auf einem anderen Kontinent unterwegs.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: