Nachlese zum Dortmund-"Tatort":Schimanski kann einpacken

Tatort Kollaps WDR Faber Dortmund

Mit seinen flapsigen Sprüchen übertrifft sich Faber in "Kollaps" selbst.

(Foto: WDR/Thomas Kost)

Hach, dieser Faber: In "Kollaps" sticht der Kommissar sogar das hochaktuelle Thema Flüchtlinge aus. Die Nachlese zum "Tatort" aus Dortmund - mit den besten Zuschauerkommentaren.

Von Carolin Gasteiger

Darum geht es:

Ein sechsjähriges Mädchen findet auf einem Spielplatz Koks, probiert es und stirbt an Herzversagen. Schnell gerät ein Geschwisterpaar aus dem Senegal unter Tatverdacht. Jamal und seine Schwester Niara sollen auf dem Spielplatz mit Drogen gehandelt haben. Auf den ersten Blick handelt "Kollaps" von einer Familientragödie, im weiteren Sinne dreht sich aber alles um die Herausforderungen, die die Flüchtlingskrise an die Gesellschaft stellt. Nicht nur der Mordfall bewegt: Martina Bönisch hadert damit, dass ihr Noch-Ehemann ihr das Sorgerecht für die beiden Söhne entziehen will - und Daniel Kossik kommt einfach nicht über die Trennung von Kollegin Nora Dalay hinweg. Erst recht nicht, seit diese einen neuen Freund hat. Mittendrin steht Peter Faber, der seine fragwürdigen Kontakte zu Drogenboss Abakay für die Ermittlungen nutzt. Das gefällt nicht allen Kollegen.

Lesen Sie hier die Rezension von SZ-Tatort-Kritiker Holger Gertz.

Bezeichnender Dialog:

Bönisch und Faber haben den tatverdächtigen Jamal gerade verhört. Dass das nicht auf dem Polizeirevier, sondern in Bönischs Hotelzimmer geschah, passt der Kommissarin nicht. Im Badezimmer kommt es zur Aussprache zwischen den beiden.

Bönisch: Warum haben Sie ihn hergebracht?

Faber: Er hat uns gesagt, was er weiß.

Bönisch: Das hätte er nach einer Nacht in der Zelle auch gemacht.

Faber: Naja, der Junge ist eine arme Sau.

Bönisch: Er ist mitverantwortlich am Tod eines sechsjährigen Mädchens.

Faber: Die einen verkaufen die Drogen, andere kaufen sie. Wieder andere spielen im Park Frisbee oder schieben ihre Kinderwagen. Alle kriegen's mit, aber halten die Klappe. Die Bullen sind unterbesetzt, die Stadt ist überfordert. Deswegen ist ein sechsjähriges Mädchen jetzt tot, bamm. Ja, wen wollen Sie dafür ans Kreuz nageln? Die Dealer, die Junkies, die Nachbarn, die Bullen, Vater Staat, Emma, Emmas Mama? Freie Auswahl.

Bönisch verlässt das Badezimmer, Faber bleibt sitzen und überlegt.

Faber: Er ist eine arme Sau.

Die besten Zuschauerkommentare:

Die beste Szene:

Martina Bönisch ertränkt ihren privaten Frust an der Hotelbar und bandelt mit einem älteren Herren an. Faber will ihr die neuesten Ermittlungsergebnisse mitteilen, bleibt beim Anblick der Revierleiterin, die mit ihrem Herzbuben für eine Nacht auf der Tanzfläche schwoft, aber stehen. Für einen kurzen Moment bleibt offen, ob Provokateur Faber seine Kollegin bloßstellt. Der Kommissar guckt verdutzt, dann wohlwollend - und macht auf der Treppe kehrt. Er hat eben doch ein Herz.

Top:

Flüchtlingskrise, Familiendramen und dazu Faber at his best: Es ist faszinierend, wie Drehbuchautor Jürgen Werner einen spannenden und hochaktuellen Krimiplot erzählt, gleichzeitig aber die einzelnen Ermittler nicht zu kurz kommen lässt. So viel wie in "Kollaps" passiert selten in einem Tatort, ohne dass die Handlung zum kompletten Wirrwarr gerät.

Flop:

Wie im Kindergarten verhält sich der eifersüchtige Daniel Kossik. Heimlich beobachtet er seine Verflossene Nora Dalay aus dem Auto, beleidigt sie plump (ihr Neuer sei wie sie "zielstrebig, ehrgeizig, eiskalt") und provoziert sie, wann immer nur kann: "Willst du deine Zeit jetzt lieber mit mir verbringen?" Vielleicht realistisch, aber auch ziemlich nervig.

Bester Auftritt:

Hilft nichts, es ist mal wieder Faber. In "Kollaps" übertrifft er sich mit seinen pointierten Sprüchen ("Mir geht's nicht beschissen, mir geht's scheiße") fast selbst. Jörg Hartmann spielt den ungehobelten Haudrauf ebenso überzeugend wie den Gerechtigkeitsfanatiker, der im Grunde das Herz am rechten Fleck hat. Faber ist jedenfalls der liebenswerteste Fiesling, den das deutsche Fernsehen zu bieten hat. Da kann Schimanski, der immer wieder als Vorbild für Faber angeführt wird, einpacken.

Aha-Moment:

Manchmal häufen sich die Gastbesetzungen beim Tatort. Und so dürften sich bei "Kollaps" nicht wenige fragen: Ist das nicht schon wieder ein Möhring? Die Gesichtszüge sind ziemlich ähnlich, die Stimme auch, und sogar die Art, das "S" auszusprechen. Tatsächlich ist Emmas Vater im wirklichen Leben Sönke Möhring, der ältere Bruder von Wotan Wilke Möhring. Der war erst vor einer Woche im Tatort zu sehen (hier die Rezension zu "Verbrannt"), ebenso wie Werner Wölbern. Vergangenen Sonntag spielte der noch einen fiesen Dienststellenleiter, dieses Mal den unsympathischen Nachbarn Dieter Lahnstein.

Die Erkenntnis:

Ist ziemlich düster und desillusionierend, aber angesichts der aktuellen Situation erschreckend real. Irgendwann holt jeden, von Kommissarin Bönisch bis zum jungen Asylbewerber Jamal, die eigene Vergangenheit ein.

Die Schlusspointe:

Jamal scheint sein Leben in den Griff zu kriegen, als er mit einem Stapel Bücher eine öffentliche Einrichtung verlässt. Aber dann wird er doch an einer Hauswand mit dem Messer niedergestochen und sackt in sich zusammen - über einem Buch, das den Titel "Chance" trägt. Uff.

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