Bayerischer Landtag:Dubiose Werkverträge: Abgeordneter der Freien Wähler soll Immunität verlieren

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  • Günther Felbinger, Abgeordneter der Freien Wähler im bayerischen Landtag, soll sich schwere Unregelmäßigkeiten bei der Bezahlung von Mitarbeitern geleistet haben.
  • Nun hat die Staatsanwaltschaft beantragt, die Immunität aufzuheben.

Von Daniela Kuhr und Wolfgang Wittl, München

In Ferienzeiten herrscht auch im Landtag Ruhe, das gilt aber nur für den Parlamentsbetrieb. Auf den Gängen wird gehämmert und gebohrt, die Pause wird genutzt, um Büros wieder auf Vordermann zu bringen. Das ist in den Herbstferien nicht anders, doch so gerumpelt wie bei den Freien Wählern hat es dieser Tage nirgends. Nur dass in diesem Fall nichts aufgebaut, sondern eingerissen wurde. Es geht - zweieinhalb Jahre nach der Verwandtenaffäre - wieder einmal um das Vertrauen in die Redlichkeit der Abgeordneten.

Worum es bei Günther Felbinger geht

Am Dienstag ging Günther Felbinger, der unterfränkische Bezirksvorsitzende der Freien Wähler, mit der Nachricht an die Öffentlichkeit, dass er sich wegen Unregelmäßigkeiten bei der Bezahlung von Mitarbeitern selbst angezeigt habe. Als Abgeordneter habe er von 2008 bis 2013 mehrere Werkverträge mit dem Kreisverband Main-Spessart sowie seinem Bezirksverband über die Erstellung von Gutachten zu aktuellen politischen Fragen abgeschlossen. Das Geld aus seiner Abgeordnetenpauschale sei jedoch nicht an die jeweiligen (ehrenamtlichen) Mitarbeiter geflossen, sondern offenbar an die beiden Verbände.

Damit könnte Felbinger, 53, den Verdacht der verdeckten Parteienfinanzierung auf sich ziehen. Er werde alle Unterlagen dem Landtagsamt zur Verfügung stellen und die Summe von etwa 60 000 Euro aus eigener Tasche begleichen, teilte Felbinger in der Main-Post reumütig mit. Von seinen Ämtern als Bezirkschef und stellvertretender Vorsitzender im Ausschuss für den öffentlichen Dienst trat er zurück, er wolle weiteren Schaden von seiner Fraktion abwenden. Ob ihm das gelingt?

Wenig geglückte Flucht nach vorn

Wer die Vorgänge im Landtag zuletzt verfolgt hat, wertet Felbingers Geständnis als wenig geglückte Flucht nach vorne. Tagelang war ein Filmteam des ARD-Politikmagazins "Report Mainz" unterwegs, stellte kritische Fragen zu Scheinverträgen, verfolgte Abgeordnete bis in den Plenarsaal. Im Mittelpunkt des Interesses: Felbinger. Das blieb keinem verborgen, auch nicht der Landtagspräsidentin.

Barbara Stamm habe Felbinger deshalb vergangene Woche zu Beschäftigungsverhältnissen befragt und ihn "mit Frist bis Mittwoch dieser Woche aufgefordert", noch offene Fragen zu beantworten, teilte ein Sprecher mit. Handelte Felbinger also nur auf Druck? Sie werde keine Verstöße gegen das Abgeordnetengesetz dulden, sagt Stamm. Felbingers Verfehlungen würden "auf jeden Fall Konsequenzen haben" - wohl auch juristische.

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Die Staatsanwaltschaft München I bestätigte am Mittwoch, dass sie ein sogenanntes vereinfachtes Verfahren zur Aufhebung von Felbingers Immunität beantragt habe. Sollte die Landtagspräsidentin nicht binnen 48 Stunden widersprechen, können die Ermittlungen gegen Felbinger beginnen. Auch dafür dürfte jedoch nicht Felbingers Selbstanzeige der Auslöser gewesen sein.

Mindestens eine Woche zuvor war bei der Staatsanwaltschaft Würzburg eine anonyme Anzeige gegen ihn eingegangen. Diese wurde mittlerweile nach München weitergeleitet. Der Vorwurf: unrichtige Rechnungslegung gegenüber dem Landtag.

"Report Mainz" berichtete in seinem Beitrag am Dienstag über weitere schwere Vorwürfe gegen Felbinger. Nach "Insidern aus dem Abgeordnetenbüro" soll Felbinger einen Arbeitsvertrag abgeschlossen haben, obwohl es sich in Wirklichkeit um einen Mietvertrag gehandelt habe - er hat also offenbar den Vermieter einfach als Mitarbeiter angemeldet. Dieser Vertrag habe noch bis Oktober bestanden. Der Vorteil: So konnte er die Miete über den Mitarbeiter-Etat abrechnen, obwohl sie eigentlich durch eine Kostenpauschale bereits abgedeckt war, die Landtagsabgeordnete monatlich bekommen - unabhängig davon, welche Kosten sie tatsächlich haben.

Felbinger will sich derzeit nicht äußern. Sein Anwalt Martin Reymann-Brauer erklärt, sein Mandant wolle für 2014 und 2015 Aufwendungen für einen Mitarbeiter zurückzahlen, bei dem "das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung nicht gepasst" habe. Ob es sich dabei um besagte Miete handelt, wollte der Anwalt nicht sagen. Man werde zu Details im Moment keine Stellung nehmen.

Wie viel Geld Abgeordnete für Mitarbeiter bekommen

Einzelne Abgeordnete nehmen unverhohlen das Wort "Betrug" in den Mund. Andere fürchten, es handle sich nicht nur um einen Einzelfall. Nach SZ-Informationen bat die Landtagspräsidentin am 27. Oktober alle Fraktionsvorsitzenden zu einem halbstündigen Gespräch, um sich zu der Sache abzustimmen. Dabei stellte sich heraus, dass es eventuell zwei weitere Fälle gebe. "Report Mainz" nannte noch ein Beispiel aus einer anderen Partei, ohne konkret zu werden. Es liege jedoch eine schriftliche Zusicherung eines Zeugen vor.

In Bayern haben Abgeordnete viel mehr Geld für ihre Mitarbeiter zur Verfügung als in anderen Bundesländern. Bis zu 118 600 Euro werden ihnen jährlich an Kosten für ihre Angestellten erstattet. Damit ist Bayern einsame Spitze. Auf dem zweiten Platz steht Sachsen mit 63 700 Euro, gefolgt von Baden-Württemberg mit 63 500 Euro. Doch lassen sich die Zahlen nur schwer vergleichen, da es etwa in Baden-Württemberg parlamentarische Berater gibt, auf deren Dienste die Abgeordneten zurückgreifen können. Dafür brauchen sie also keine eigenen Mitarbeiter.

Zusätzlich erhalten bayerische Abgeordnete monatlich eine Kostenpauschale von 3366 Euro, mit der sie Unkosten rund um ihr Mandat abdecken, etwa Übernachtungen in München, Fahrten zum Landtag, Büro- und Telefonkosten. Felbinger hat vieles davon mustergültig auf seiner Internetseite aufgelistet. Der Name der Rubrik: gläserner Abgeordneter.

© SZ vom 05.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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