ZDF-Eventfilm:Sex, Lügen und Fünf-Uhr-Tee

Die Pfeiler der Macht (Teil 1)

Mutti ist die Bestie: Augusta Pilaster (Jeanette Hain) hat große Pläne für ihren Sohn Edward (Daniel Sträßer). Damit steht sie ziemlich allein da.

(Foto: ZDF und Patrick Redmond)

Christian Schwochow hat Ken Folletts "Die Pfeiler der Macht" als üppigen Zweiteiler inszeniert. Doch Ausstattung und Kostüme verstellen nicht den Blick aufs Wesentliche.

TV-Kritik von David Denk

Manchmal ist der Weg gar nicht so weit vom Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg ins viktorianische England. Das Café, in dem sich Regisseur Christian Schwochow und seine irische Szenenbildnerin Anna Rackard zur Vorbereitung auf den Dreh von Pfeiler der Macht trafen, hat eine besondere Attraktion: zwei Papageien, Charly und Arno, die den Gästen flatternd und brabbelnd Gesellschaft leisten. Deren Anwesenheit passte Schwochow und Rackard auf Anhieb so hervorragend ins Konzept, dass Papageien nun auch im Film auftauchen, als Haustiere der Bankiersfamilie Pilaster, von deren Aufstieg und Fall Die Pfeiler der Macht  erzählt.

"Tiere, wir sind Tiere, die aus dünnwandigem Porzellan trinken können", kommentiert Samuel Pilaster (Axel Milberg) den Aufruhr um sich herum. Nicht nur für den als homosexuell geouteten Teilhaber des Geldhauses endet der ZDF-Zweiteiler nach dem Weltbestseller von Ken Follett im gesellschaftlichen Abseits. "Tiere, wir sind Tiere", wiederholen die Papageien - an Dialogwitz mangelt es dem Buch von Annette Simon eindeutig nicht.

Ins Rollen bringt die Geschichte der Suizid des bankrotten Textilfabrikanten Thomas Pilaster, der zwei Kinder zu Vollwaisen macht, seinen Sohn Hugh und indirekt auch Maisie Robinson, deren Vater seinen Job in der Fabrik verliert und nach Amerika auswandert. Maisie schlägt sich nach einer Zufallsbegegnung der beiden am Grab Pilasters alleine durch, Hugh wird von der Familie seines blassen Onkels Joseph Pilaster (Thorsten Merten), Bruder von Samuel, aufgenommen. Durch Geschick und Fleiß macht er in der Bank Karriere und sich seine intrigante Tante Augusta (Jeanette Hain) zur Feindin, die lieber ihren verkorksten Sohn Edward (Daniel Sträßer) an der Spitze sehen würde. Beide stehen unter dem verführerischen Bann von Edwards durchtriebenem Schulfreund Mickey Miranda (Luca Marinelli).

Zu allem Überfluss verlieben sich Hugh (Dominic Thorburn) und Maisie (Laura de Boer) ineinander, woran auch der sechsjährige Amerika-Aufenthalt, in den sich Hugh flüchtet, nichts ändern kann. Doch in der Zwischenzeit hat Maisie ihren langjährigen Verehrer, Hughs besten Freund Solly Greenbourne (Albrecht Abraham Schuch), geheiratet. Hugh ist zwar auch vergeben, an eine amerikanische Sängerin (Yvonne Catterfeld), aber doch geschockt - erst recht, als er erfährt, wer der leibliche Vater von Maisies Sohns David ist. Haben sie und Hugh eine Zukunft? Und wie steht es um ihn und Solly? Und was wird aus der Bank, in der Mickey über Edward an Einfluss gewinnt?

Für Schwochow, den inoffiziellen Film- und Fernseh-Beauftragten für deutsch-deutsche Stoffe (Novemberkind, Der Turm, Bornholmer Straße), war dieses Projekt eine willkommene Abwechslung: "Die Pfeiler der Macht ist mein erster wirklicher Unterhaltungsfilm", sagt der 37-Jährige, "trivial im besten Sinne". Regisseur sei er schließlich nicht geworden, "um der Welt meine Thesen zu präsentieren, sondern weil ich mit jedem Film eine neue Welt erfinden kann". Mit seinem Kameramann Frank Lamm hat Schwochow komplex komponierte Bilder und exakt getimete Choreografien geschaffen. Wenn die Direktoren in Reih und Glied ihre Bank betreten und formvollendet Hut und Mantel abwerfen, ist man auf eine Tanz- und Gesangseinlage gefasst. Ein "überdrehter und trotzdem ehrlicher Film" sollte es werden, sagt Schwochow, "der die Konflikte und Sehnsüchte der Figuren ernst nimmt, in der Wahl der spielerischen Mittel aber mehrere Millimeter über die Realität hinausgeht - mein insgeheimes Motto war: Die Buddenbrooks treffen die Addams Family."

Zwischen Herkunft und Selbstbestimmung

Gedreht vor allem in Dublin und Umgebung, ist Die Pfeiler der Macht trotz eines für deutsche Fernsehverhältnisse üppigen Budgets von acht Millionen Euro, keine reine Materialschlacht, sondern Ausstattungs- und Schauspielerfilm zugleich. Und - auch wenn er im zweiten Teil melodramatische Schlagseite bekommt - ein großer Spaß. Im Spannungsfeld zwischen Herkunft und Selbstbestimmung suchen die Figuren ihr Glück. Schwochow liebt sie und deren Darsteller; fast jede der Figuren - der Hauptcast umfasst 14 Schauspieler unterschiedlicher Nationalitäten - könnte eine eigene Serie tragen.

Stellvertretend herausgehoben seien Albrecht Abraham Schuch als Solly, dessen selbstzerstörerische Ritterlichkeit sehr berührt. Auf dem Höhepunkt des Liebesleids duelliert er sich im Garten seines Schlosses mit einem unsichtbaren Gegner, dem allerschwersten überhaupt - sich selbst. Ebenfalls ein Ereignis ist Jeanette Hain, die Augusta mit einer unbändigen Lust am Machtmissbrauch anlegt. Doch zugleich arbeiten Schwochow und Hain heraus, dass diese mit ihrem Ego-Trip nur eigene Verletzungen zu kompensieren versucht. Ihr toter Schwager, Hughs Vater, hatte ihre Gefühle nicht erwidert. Gerade dieser empathische Blick hinter Puder und Kostüme, in die (Un-)Tiefen der Figuren, ist es, der Schwochows Film auszeichnet.

Man sieht ihren Schmerz und versteht ihre Beweggründe. In den Figuren fühlt man sich auch in dieser fernen Welt zu Hause. Zum Fan von Augusta wird man trotzdem nicht. Fällt auch wirklich schwer bei einer Frau, die neben ihrem gerade verstorbenen Schwiegervater (Rolf Hoppe) Sex hat.

Die Pfeiler der Macht ist nicht die erste Verfilmung eines Ken-Follett-Schmökers. Über 120 Millionen verkaufte Bücher weltweit und die Pageturner-Qualitäten des Schriftstellers wecken immer wieder Begehrlichkeiten bei Produzenten und Sendern: So verfilmten Constantin Television und Network Movies, die auch hinter Die Pfeiler der Macht stehen, schon 2010 Ken Folletts Eisfieber fürs ZDF, damals mit italienischen, heute mit irischen Partnern. Außerdem entstanden als deutsch-kanadische Koproduktionen Die Säulen der Erde (2010) und Die Tore der Welt (2012), die als Vierteiler bei Sat 1 liefen. Ein Verkauf ins Ausland ist auch diesmal erwünscht, aber noch nicht besiegelt: "Die Beliebtheit von Ken Follett und das sehr positive Echo auf den Fernsehmessen stimmen uns zuversichtlich, dass sich unsere Hoffnungen auf weitere Erlöse erfüllen werden", sagt Constantin-Produzent Robin von der Leyen.

Vom großen Meister hat Regisseur Schwochow übrigens noch keine Rückmeldung zu seinem Film bekommen. Er würde sich freuen, wenn Ken Follett sein Buch durch die Adaption ein Stück weit neu entdeckt, kommt aber auch ohne dessen Rückendeckung klar. In erster Linie wolle er schließlich Filme machen, die ihm und seinen Kumpels gefallen. "Das ist schon schwer genug", sagt Schwochow. Klar, Lob von Follett wäre eine feine Sache, "aber sollte dem nicht so sein, schmälert das meinen Stolz auf diesen Film nicht."

Die Pfeiler der Macht, ZDF, Montag und Mittwoch, je 20.15 Uhr.

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