"Grüße aus Fukushima" im Kino:Wo es den Leuten richtig schlecht geht, geht es mir besser

"Grüße aus Fukushima" von Doris Dörrie im Kino

Ihre Freundschaft rettet den Film: Rosalie Thomass und Kaori Momoi in "Grüße aus Fukushima".

(Foto: Majestic)

Das glaubt zumindest Marie, Protagonistin des neuen Doris-Dörrie-Films "Grüße aus Fukushima". Der erinnert an die "Sendung mit der Maus" - hat aber auch wunderbare Dialoge.

Filmkritik von Karoline Meta Beisel

Das Letzte, was sie in Fukushima brauchen können, ist ein trauriger Clown. Marie ist so einer - und zwar nicht ein "trauriger Clown" in Anführungszeichen, mit aufgeschminkter Leidensmiene, sondern ein wirklich verzagter: Marie hat Liebeskummer, die Alten in den Notunterkünften kaufen ihr den Clown nicht ab. Sie ist unzufrieden: "Ich dachte, wenn ich mal wohin fahre, wo es den Leuten richtig schlecht geht, dass es mir dann besser geht!"

Diese junge Deutsche auf der Flucht vor dem Leben ist zu Beginn des Films "Grüße aus Fukushima" nicht eben eine Sympathieträgerin. Das Katastrophengebiet um das Kraftwerk ist für sie nur Kulisse für ihr eigenes Drama. Noch dazu wird der Film in den ersten Szenen das "Sendung mit der Maus"-hafte nicht los. "Fahren wir jetzt in diese Zone?", fragt Marie. "Was ist denn in diesen ganzen Säcken?", und: "Gibt es hier nur alte Menschen?". Man nennt es nicht Zone; in den Säcken ist verstrahlte Erde; und ja, die Jungen sind alle fort. Aber die Begegnung mit einer dieser Alten, der letzten Geisha von Fukushima, bringt nicht nur Marie, sondern auch den Film auf die richtige Spur.

"Grüße aus Fukushima" ist nach "Erleuchtung garantiert" und "Kirschblüten - Hanami" schon der dritte Film, den Doris Dörrie in Japan gedreht hat - aber längst nicht so traurig wie der letzte. Fünf Jahre nach dem Erdbeben ist Dörrie ins Katastrophengebiet gereist. Die ruhigen Schwarz-Weiß-Aufnahmen (Kamera: Hanno Lentz) zeigen fast schon dokumentarisch, wie wenig übrig geblieben ist nach der Flutwelle, die an wenigen Stellen mit Archivmaterial auch gezeigt wird. In einer langen Sequenz sind einfach nur Überlebende der Katastrophe zu sehen, wie sie vor einer Wand stehen und in die Kamera schauen.

Ansonsten folgt die Kamera stets Marie (Rosalie Thomass): Fährt mit ihr durch ein feindselig anmutendes Land, an gesperrten Straßen und vermummten Menschen vorbei und über Wege, die langsam von der Vegetation zurückerobert werden. Die Apokalypse, sie ist unglaublich schön auf diesen Bildern.

Allein, es ist wirklich nicht viel übrig. Die alte, störrische Geisha Satomi (Kaori Momoi) will ihr völlig verwüstetes Haus in der Sperrzone wieder aufbauen. Marie hilft ihr dabei. Beide haben mit den Gespenstern der Vergangenheit zu kämpfen, nicht nur im übertragenen Sinn. "Was, wenn ich alles verlöre, was mir lieb ist?", fragt Marie in der allerersten Einstellung des Films. Satomi ist genau das passiert, auch bei ihr muss nicht nur das Haus geflickt werden.

Die zarte Freundschaft zwischen den beiden Frauen ist so unwahrscheinlich wie rührend und braucht wenig Worte. Marie schleppt Satomis Wasser, Satomi bringt Marie bei, wie man formvollendet Tee trinkt. "Du bist so elegant", sagt die Deutsche. "Du bist ein Elefant", sagt die Geisha, "du passt nicht in mein Haus." Wer solche Dialoge hat, braucht keinen Clown mehr.

Grüße aus Fukushima, Deutschland 2016 - Regie, Buch: Doris Dörrie. Kamera: Hanno Lentz. Schnitt: Frank Müller. Mit: Rosalie Thomass, Kaori Momoi, Nami Kamata, Moshe Cohen, Aya Irizuki. Majestic, 108 Minuten.

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