Diplomatischer Drahtseilakt:Kanonendonner und leise Töne

Diplomatischer Drahtseilakt: Ausgerechnet auf dem Tiananmen-Platz: Hier wurde 1989 die Demokratiebewegung niedergewalzt, hier nimmt nun Gauck mit Präsident Xi die Ehrengarde ab.

Ausgerechnet auf dem Tiananmen-Platz: Hier wurde 1989 die Demokratiebewegung niedergewalzt, hier nimmt nun Gauck mit Präsident Xi die Ehrengarde ab.

(Foto: Andy Wong/AP)

Der Besuch in Peking ist keine angenehme Reise für Bundespräsident Joachim Gauck. Was traut sich der ehemalige DDR-Bürgerrechtler im kommunistischen China?

Von Constanze von Bullion, Peking

Es wird keine Vergnügungsreise, und ihr offizieller Teil beginnt - ausgerechnet - am Tiananmen-Platz in Peking. Auf dem Riesenareal vor der Großen Halle des Volkes, auf dem 1989 die chinesische Demokratiebewegung niedergewalzt wurde, ist Kanonendonner zu hören am Montag. Das Krachen der Salutschüsse mischt sich mit dem Deutschlandlied, wie Kriegsgeräusch rollt es quer über den Platz und als Echo wieder zurück zu dem kleinen Herrn, der neben Chinas Staatspräsident Aufstellung genommen hat. Rote Fahnen, Ehrengarde, Gewehre präsentiert. Es gab schon angenehmere Termine.

"Wir sehen den Aufstieg Chinas durchaus positiv und mit Sympathie."

Joachim Gauck auf Staatsbesuch in China, vier Tage lang wird der Bundespräsident einem der letzten kommunistischen Staaten seine Aufwartung machen. Gauck will in der zweitgrößten Wirtschaftsmacht der Welt nicht tun, was Briten oder Franzosen dort üblicherweise machen, also nur Geschäfte. Es soll auch kritische Töne geben. Gauck besucht China in einer Zeit innenpolitischer Verhärtung und wachsender Repression gegen Bürgerrechtler, Journalisten, auch religiöse Minderheiten. Für einen Mann, dem die Überwindung von Unterdrückung und Totalitarismus zum Lebensthema wurde, ist die Reise ein diplomatischer Hochseiltakt.

Was traut sich einer wie Gauck in einem Land wie China, haben sich also viele gefragt, bevor es losging. Wenn bei diesem Staatsbesuch anfangs wenig Kritisches zu hören sind, liegt das auch daran, dass der den Bundespräsidenten begleitende Journalistentross an den kniffligsten Begegnungen nicht teilnehmen darf - auf Wunsch der Gastgeber.

Am Montagmorgen etwa diskutiert Gauck hinter verschlossener Tür mit Professoren der Parteihochschule der KP Chinas, also mit der staatstragenden akademischen Elite, die Parteikader schult. "Ideologie und Entwicklung" heißt das Motto der Begegnung, und wenn stimmt, was Teilnehmer hinterher berichten, sucht Gauck in marxistischer Dialektik auf die inneren Widersprüche des chinesischen Sozialismus hinzuweisen. Wenn die Partei sich mit der Marktwirtschaft versöhnt habe, also darauf verzichte, die Produktionsmittel in Arbeiterhand zu legen - warum verzichte sie dann nicht auch auf andere Axiome und gehe weiter, in Richtung Rechtsstaat? China sei ein "vollendeter Rechtsstaat", wenn auch in Entwicklung, soll von chinesische Seite entgegnet worden sein.

Menschenrechtsaktivisten und NGOs sehen das anders. Staatspräsident Xi hat zwar den Kampf gegen die Korruption eröffnet und sucht die Armut zu bekämpfen. Engagierte Bürger, Anwälte und kritische Journalisten aber sind "systematischer Drangsalierungen und Einschüchterungen" ausgesetzt, heißt es im China-Report 2016 von Amnesty International. Erst kürzlich wurde der junge tibetische Blogger Druklo zu drei Jahre Haft verurteilt, nach einem Prozess ohne Rechtsbeistand. Aber auch religiöse Minderheiten werden schikaniert, Muslime wie Christen.

Gauck, sonst kein Leisetreter in Sachen Bürgerrechte, schlägt zunächst vorsichtige Töne an. Nach den militärischen Ehren mit Kanonendonner am Tiananmen-Platz sitzt er mit Staatschef Xi Jinping in einem Saal wie für Riesen. "Es befriedigt mich sehr, dass die führende Nation Asiens und die Bundesrepublik Deutschland in einer so ausgewogenen und harmonischen Beziehung sind", sagt Gauck. "Wir sehen den Aufstieg Chinas durchaus positiv und mit Sympathie." Trotz "unterschiedlicher Systeme" seien beide Länder "immer wieder aufeinander zugegangen".

Nach einem Bankett am Abend tritt Gauck dann erneut vor die Kameras. Doch, sagt er, ein Besuch der Volksrepublik China sei "immer eine Herausforderung". In seinen Gesprächen mit Staatspräsident Xi und Ministerpräsident Li Keqiang habe er neben den bilateralen Beziehungen durchaus "auch heikle Themen angesprochen" und sich über die "intensive Art des Zuhörens" der Gastgeber gefreut, auch wo es um konkrete Fälle von Menschenrechtsverletzungen gegangen sei. "Es ist deutlich geworden, dass die Bundesrepublik Deutschland sich nicht vom Menschenrechtsthema abbringen lässt", sagte Gauck. Nicht alle Besucher Chinas verhielten sich so, "wir machen das". Am Dienstag reist der Bundespräsident weiter nach Shanghai, wo er an der Tongji-Universität sprechen will.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: