US-Republikaner:Donald Trump als Außenpolitiker: "Amerika zuerst"

Eine Grundsatzrede soll der Welt erklären, wie Präsident Trump handeln würde. Obwohl er vom Teleprompter abliest, folgt Widerspruch auf Widerspruch - das macht alles noch verstörender.

Analyse von Matthias Kolb, Washington

Zu Beginn die Erkenntnis des Tages: Wenn er will, kann Donald Trump auftreten wie ein Staatsmann. Der Milliardär ist bereit, sich eine Rede von seinen Beratern schreiben zu lassen und er kann den Text fehlerlos vom Teleprompter ablesen. Er spricht ruhig, fast gemäßigt - und verglichen mit seinen Wahlkampf-Events sind die Sätze vollständig und die Rede durchzieht eine klare Struktur.

Doch eine erkennbare Struktur bedeutet noch lange nicht, dass eine Rede in sich schlüssig oder gar überzeugend ist. Und wer nicht schon vorher Trumps "Make America Great Again"-Botschaft toll fand (oder den US-Wahlkampf vom Ausland verfolgt), der wird enttäuscht: Die 40-minütige Grundsatzrede zur Außenpolitik des führenden republikanischen Kandidaten trägt nur wenig dazu bei, die Sorge vor einem US-Präsidenten Donald Trump zu nehmen.

Denn der Auftritt im Ballsaal des Mayflower-Hotels in Washington legt offen, wie widersprüchlich seine Aussagen sind. Trump scheint alles auf einmal erreichen zu wollen - und Prioritäten zu setzen, scheint ihm fremd. Dass er vom Teleprompter abliest und nicht etwa frei assoziiert, wertet das Gesagte auf - und macht die Rede verstörender. Seit zehn Monaten durchzieht seinen Wahlkampf ein isolationistischer Ton: "Amerika zuerst" werde das Motto seiner Regierung sein, verkündet er zu Beginn. Anstatt Weltpolizist zu spielen, müssten die USA die eigene Infrastruktur modernisieren. Internationale Verpflichtungen dürften das Land nicht mehr schwächen.

Gleichzeitig verspricht Trump, als Präsident die Dschihadisten des IS wie durch Zauberhand zu besiegen und unzählige Milliarden ins eigene Militär stecken zu wollen, damit der Rest der Welt die USA nicht für schwach halte ("Make America Respected Again" wäre hierfür das passende Motto). Die US-Soldaten sollten das beste Equipment erhalten und die Veteranen besser versorgt werden. Wie dies zu finanzieren sei, wenn gleichzeitig die Schulden reduziert werden sollen: Diese Details bleibt der 69-Jährige natürlich schuldig.

Schon das Motto "Amerika zuerst" lässt Experten aufheulen: Der Isolationist Charles Lindbergh versuchte 1940 mit "America First" die US-Bürger samt Präsident Roosevelt zu überzeugen, sich aus dem Zweiten Weltkrieg herauszuhalten. Der an Geschichte wenig interessierte Trump hat kein Problem, den Slogan zu verwenden - und zugleich den Sieg der USA gegen Nazi-Deutschland als Sternstunde seines Landes zu feiern (ähnlich toll: Reagan ringt die Sowjetunion nieder).

Einige konkrete Widersprüche in Trumps Außenpolitik-Rede:

  • Trump verspricht den Alliierten, dass sie sich während seiner Präsidentschaft wieder auf die USA verlassen könnten. Zugleich wiederholt er, was bei Wahlkampf-Events stets bejubelt wird: Amerika müsse in seiner Außenpolitik unberechenbar bleiben.
  • Trump wirft Präsident Obama vor, die US-Verbündeten im Stich gelassen zu haben und deren Vertrauen zerstört zu haben. Minuten später wiederholt er, dass eine Trump-Regierung das Nato-Bündnis aufkündigen werde, wenn die europäischen Partner nicht endlich mehr fürs Militär investieren würden. Gleiches gelte für Japan und Südkorea.
  • Trump kündigt an, dass die Zeiten des teuren nation building im Ausland mit ihm vorbei sein würden. Gleichzeitig verspricht der nie bescheidene Trump, dass während seiner Amtszeit weltweit mehr Stabilität herrschen werde. Wie dies funktionieren soll, weiß der 69-Jährige allein.
  • China wirft er erneut vor, die USA wegen der "desaströsen Freihandels-Deals" zu schwächen - hier ist der Applaus im Wahlkampf besonders groß. Gleichzeitig argumentiert Trump, dass Washington seinen "enormen ökonomischen Hebel" nutzen solle, damit Peking Nordkorea zur Vernunft bringt.
  • Von den Staaten in Nahost fordert Trump, dass sich diese stärker im Kampf gegen islamistischen Terrorismus engagieren müssten: "Die Zusammenarbeit darf keine Einbahnstraße sein." Nicht nur der Guardian wird bemerken, dass dieses Argument seltsam klingt, wenn Trump bei anderer Gelegenheit einen temporären Einreisestopp für Muslime in die USA fordert und alle Muslime dämonisiert.

Dass Trump die US-Außenpolitik der Präsidenten Bill Clinton, George W. Bush und Barack Obama als "Desaster" bezeichnet und von "Chaos" in Nahost spricht, verwundert nicht. Auffällig ist jedoch, dass auch die Außenpolitik für Trump etwas sehr Persönliches zu sein scheint: Minutenlang redet er darüber, wie "peinlich" es sei, dass Obama jüngst in Kuba und Saudi-Arabien am Flughafen nicht vom "Präsidenten" abgeholt wurde.

Noch mehr ärgert sich Donald Trump darüber, dass Obama 2009 nach Kopenhagen flog, um dafür zu werben, dass die Olympischen Spiele in Chicago stattfinden. Bekanntlich setzte sich Rio de Janeiro durch, was Trump noch immer erbost: "Wir wurden Vierter. Er hätte das Ergebnis wissen müssen, bevor er eine solche Reise macht. Die ganze Welt hat uns ausgelacht, so wie wir so viele Male ausgelacht wurden." Verletzte Eitelkeit könnte die Außenpolitik Trumps also prägen.

Reaktionen auf die Trump-Rede

Fred Kaplan, Buchautor und Militärexperte von Slate, kürt Trumps Auftritt zur "sinnlosesten und widersprüchlichsten Rede, die ein amerikanischer Präsidentschaftsbewerber jemals gehalten hat". Die New York Times hält es in ihrem Leitartikel für "unentschuldbar", dass Trump nicht bereit sei, sich in das komplexe Feld der Außenpolitik einzuarbeiten oder seine Fehler zu korrigieren.

Senator Lindsey Graham, selbst gescheiterter Präsidentschaftsbewerber, ist überzeugt, dass sich der von den Republikanern verehrte Präsident Ronald Reagan im Grabe umdrehen müsse, wenn er Trumps Ausführungen zuhöre.

Und Madeleine Albright, die ehemalige US-Außenministerin unter Bill Clinton, findet ähnlich klare Worte. "Ich muss Ihnen sagen, dass ich noch nie so eine Kombination aus Widersprüchen, Vereinfachungen und Falschaussagen in einer einzigen Rede gehört habe", sagt die erklärte Unterstützerin von Hillary Clinton in einem Pressegespräch. Später legt sie bei Twitter nach.

Eines sollte man jedoch nicht vergessen: Wie Thomas Wright vom Brookings-Thinktank betont, war die Zielgruppe dieser Rede weniger die sicherheitspolitische Elite in Washington (die kann und will Trump gar nicht für sich gewinnen), sondern vielmehr das Establishment der Republikaner. Donald Trump will ihnen signalisieren, dass er als Präsident eine Außenpolitik durchsetzen würde, die für sie akzeptabel ist (mehr hier).

Insofern sei die Rede auch als Versuch zu sehen, die isolationistischen Töne der Wahlkampf-Auftritte in konventionellere Worte zu kleiden. Zeit genug, um seine Botschaft zu präzisieren - und vielleicht ein paar Details zu nennen - hat Donald Trump genug: Für die kommenden Wochen sind weitere Reden zur Außenpolitik und anderen Themenfeldern angekündigt.

Linktipps:

Das Video der Außenpolitik-Rede von Donald Trump ist auf der Website von C-SPAN verfügbar; ein Transkript der Rede ist bei der New York Times zu finden. Die - meist kritischen - Reaktionen der außenpolitischen Elite fasst Politico zusammen.

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