Pressefreiheit in der Türkei:Schüsse auf regierungskritischen Journalisten in Istanbul

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Can Dündar heute Vormittag vor Prozessbeginn in Istanbul. (Foto: dpa)
  • Auf den Chefredakteur der regierungskritischen Zeitung Cumhuriyet ist geschossen worden - der Journalist blieb unverletzt.
  • Zu dem Attentat kam es während einer Prozesspause, dort steht Can Dündar wegen Verrats vor gericht.
  • Der Täter soll Dündar als "Vaterlandsverräter" beschimpft haben, er wurde festgenommen.

Beim Prozess gegen regierungskritische Journalisten in der Türkei ist auf den angeklagten Chefredakteur der Zeitung Cumhuriyet geschossen worden. Can Dündar sei unverletzt geblieben, berichteten türkische Medien und die Nachrichtenagentur dpa unter Berufung auf Augenzeugen.

Dündar sagte dem Sender CNN Türk in einem Telefonat über den Angreifer: "Aus nächster Nähe hat er geschrien, Du bist ein Vaterlandsverräter." Der Journalist sagte außerdem: "Ich kenne den Attentäter nicht, aber weiß sehr genau wer ihn ermutigt und mich zur Zielscheibe gemacht hat." Er hoffe, dass das Attentat denjenigen, die seit Monaten gegen ihn Stimmung gemacht hätten, "eine Lehre" sei. Die islamisch-konservative Regierungspartei AKP und besonders Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan hatten Dündar und Gül öffentlich immer wieder scharf angegriffen.

Das Gericht hatte sich am Freitag zu Beratungen über das Urteil zurückgezogen, als es gegenüber vom Haupteingang des Justizgebäudes zu dem Attentat kam. Dündar sagte, er sei mit seiner Ehefrau auf dem Weg in ein Café gewesen, um dort auf die Urteilsverkündung zu warten.

Angreifer lässt sich widerstandslos festnehmen

Auf Fernsehbildern war zu sehen, wie der in einen Anzug gekleidete Attentäter widerstandslos festgenommen wurde. CNN Türk berichtete, bei ihm handele es sich um einen im Jahr 1976 im zentralanatolischen Sivas geborenen Mann. Ein türkischer Journalist, der zur Berichterstattung vor dem Gerichtsgebäude war, sei durch einen Streifschuss leicht verletzt worden. Nach den Schüssen sei Panik ausgebrochen. Die Verhandlung sollte am Freitagabend nach Angaben von Dündars Anwalt Bülent Utku wie geplant fortgesetzt werden.

Chefredakteur Dündar und der Bürochef in Ankara, Erdem Gül, wurden des Verrats angeklagt, weil sie über angebliche Waffenlieferungen des türkischen Geheimdienstes an extremistische Aufständische in Syrien Anfang 2014 berichtet hatten. Beiden drohen bei einer Verurteilung langjährige Haftstrafen. Zu den Klägern gehören Präsident Erdoğan und der türkische Geheimdienst MIT. Viele betrachten den Prozess als Schlag gegen die freie Presse.

© SZ.de/dpa/AFP/AP - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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