Rücktritt des spanischen Sozialistenchefs:Der "hübsche" Pedro war zum Abschuss freigegeben

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Zerrieben zwischen Podemos und den Ciudadanos: Pedro Sánchez gibt nach nur zwei Jahren als PSOE-Chef auf. (Foto: dpa)

Zwei Jahre lang stand Pedro Sánchez an der Spitze der spanischen Sozialisten. Warum von der Aufbruchstimmung, die "el guapo" verbreitete, nichts geblieben ist.

Analyse von Thomas Urban, Madrid

Im Sommer vor zwei Jahren war Pedro Sánchez den spanischen Sozialisten fast aus dem Nichts als Hoffnungsträger erschienen: Die traditionsreiche Sozialistische Arbeiterpartei Spaniens (PSOE) lag am Boden. Vor allem sie wurde für die große Wirtschaftskrise verantwortlich gemacht, Folge des Platzens einer gigantischen Immobilienblase im Jahr 2008.

Die gescheiterte Parteiführung nahm ihren Abschied, erstmals sollten die Mitglieder den neuen Parteichef in einer Urwahl ermitteln. Überraschend siegte der Madrider Hinterbänkler gegen die Kandidaten aus der altgedienten Funktionärsriege. Er hatte in den Wochen vor der Abstimmung unermüdlich mit seinem alten Peugeot allein die Ortsverbände in allen Ecken und Enden des Landes abgeklappert.

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Von Thomas Urban

Damit vollzog die PSOE einen Generationswechsel, Aufbruchstimmung erfasste die Partei. Sánchez war bei seinem Amtsantritt gerade 42 Jahre alt, er ist 1,90 Meter groß, durchtrainierter Sportler und sieht aus, so schrieb es die Madrider Boulevardpresse, wie ein Hollywoodstar der fünfziger Jahre. Weit lag "Pedro der Hübsche" ( el guapo), wie er schnell genannt wurde, in den Beliebtheitsskalen vor dem 17 Jahre älteren konservativen Regierungschef Mariano Rajoy mit seinem Buchhaltercharme und grauen Bart.

Der Schwung, mit dem Sánchez sein Amt antrat, verebbte aber rasch. Die PSOE konnte die allgemeine Unzufriedenheit mit dem unpopulären Rajoy, der dem Land einen harten Sparkurs zur Sanierung der zerrütteten Staatsfinanzen aufzwang, nicht nutzen. Denn sie geriet gleich unter doppelten Druck: von links nahm ihr die neue linksalternative Gruppierung Podemos (Wir schaffen das) Stimmen weg, von der Mitte her die liberalen Ciudadanos (Bürger), die andere Aufsteigerpartei.

Leichtgewicht statt Volkstribun

Sánchez fand dagegen kein Rezept, und so kam es, dass die PSOE bei sämtlichen Wahlen unter seiner Führung immer weiter absackte, auf nationaler Ebene sogar einen neuen Tiefststand erreicht. Er ist eben doch kein Volkstribun, als Oppositionsführer wirkte er stets zu leichtgewichtig.

Diesen Eindruck verstärkte er noch beim TV-Duell mit seinem erklärten Erzfeind Rajoy vor den Parlamentswahlen 2015: Er unterbrach ihn ständig und beschimpfte ihn sogar als "unanständig", weil dieser angeblich korrupte Seilschaften bei den Konservativen gedeckt hat. Die Beleidigung kam allerdings bei den Kommentatoren in dem Land, in dem man großen Wert auf traditionelle Höflichkeit legt, sehr schlecht an. Und der Hinweis auf die Korruption wirkte wenig glaubwürdig, da auch Politiker aus der früheren ersten Garnitur der PSOE genau deshalb vor Gericht stehen.

Trotz der Wahlniederlagen war Sánchez eigentlich in einer guten Lage: Die Sitze im Parlament waren so verteilt, dass ohne die Zustimmung oder zumindest Duldung der PSOE keine Regierung gebildet werden konnte. Rajoy bot ihm nun eine große Koalition nach Berliner Vorbild an.

Ein Ding der Unmöglichkeit wäre dies nicht gewesen: Die politischen Gräben zwischen Sozialisten und Konservativen sind längst nicht mehr so tief wie früher, beide haben sich in den letzten Jahren zur Mitte bewegt. Sánchez hätte zugreifen können, er wäre nun Vizepremier und Chef eines wichtigen Ressorts. Doch er lehnte bockig jeden Kompromis ab - und galt somit als der Hauptverantwortliche für das politische Patt in Madrid seit Ende 2015.

Gegner Rajoy kann zufrieden sein

Ehrgeizig strebte er stattdessen selbst das Amt des Regierungschefs an, obwohl sich nicht im entferntesten eine Mehrheit dafür abzeichnete. Mit seiner Blockade aber irritierte er zunehmend die eigenen Reihen, zumal er mit Podemos und den katalanischen Sezessionisten flirtete. Doch beides stieß im Parteivorstand auf wenig Gegenliebe.

Immer mehr führende Sozialisten forderten ihn auf, es gut sein zu lassen, ein Minderheitskabinett Rajoy zu dulden und als Oppositionsführer mehr Erfahrung zu sammeln. Damit hätte die PSOE Zeit, sich neu aufzustellen, und könnte bei erster Gelegenheit die Konservativen stürzen.

Sogar die Parteilegende Felipe González attackierte Sánchez wegen seiner Dickköpfigkeit, der letzte sozialistische Premier José Luis Zapatero schloss sich an. Damit war der hübsche Pedro zum Abschuss freigegeben. Er hinterlässt eine völlig zerstrittene Partei, die wohl lange brauchen wird, um wieder als regierungsfähig zu gelten. Sánchez hat verloren, Rajoy aber, den er um jeden Preis blockieren wollte, kann zufrieden sein.

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