Nationalmannschaft:Mia san Marino

Germany - Training & Press Conference

Thomas Müller befindet sich nach seinen Aussagen über San Marino inmitten einer Debatte.

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Der Platz "schmierig", das Spiel "unnötig": Thomas Müller beschwert sich über den Kick in San Marino. An seinem Dilemma ist aber vor allem sein eigener Verein schuld.

Kommentar von Jonas Beckenkamp

Natürlich ließe sich nun diskutieren, ob es mit Thomas Müller nicht den Falschen trifft - das oberbayerische Original aus Pähl ist in Sachen Fußball-Schnöseleien ja eher unverdächtig. Und selbstredend ist es zu begrüßen, wenn einer mal sagt, was er denkt. Aber wenn selbst der erdverbundene Müllerthomas so einen Zwergenaufstand wie im aktuellen Fall in San Marino auslöst, ist das Anlass genug, sich mal wieder den entscheidenden Fragen der Moderne zu widmen: Wem gehört der Fußball? Und wie weit hat sich das obere Segment der Branche von ganz unten schon entfernt?

Dass Müller Spiele gegen San Marinos Bezirksligakicker "unnötig" findet, lässt erahnen, wie es um diese Diskrepanz steht: Wer den Millionenbetrieb hauptsächlich aus München, Madrid und Manchester kennt, der entwickelt für den "schmierigen" Rübenacker in Serravalle schwerlich Enthusiasmus. Für den Fußball ist aber genau das ein bedenkliches Signal, denn wenn irgendwann gar keiner mehr Bock auf San Marino hat, verkommt das Spiel endgültig zu einer Veranstaltung der Elitären. Der Fußball als exklusiver Kreis für ein paar Auserwählte - dieser längst voranschreitenden Entwicklung kann man im Grunde nur entgegenschreien: Mia san Marino!

Wenn Signore Gasperoni, der Verbandssprecher aus dem Kleinstaat, die Deutschen nun darauf hinweist, dass der Fußball nicht nur den Großkopferten gehört, "sondern allen, die ihn lieben", mag das vielleicht populistisch klingen, aber es steckt auch ein Funken romantische Weltwahrheit darin. Das Recht auf Teilhabe am globalen Spiel gilt auch für die Andorras, Färöers, Fidschis oder SV Drochtersen/Assels. Dass den Profis aufgrund des übervollen Spielplans der Superreichen die Sehnen schmerzen, kann jeder verstehen, der mal ein paar Waldläufe mit Muskelkater absolviert hat. Schuld an jener Knochenmühle sind aber nicht die Kleinen, sondern die Großen.

Tatsächlich trägt beispielsweise die von Karl-Heinz Rummenigge forcierte Internationalisierung des FC Bayern mit ihren Zirkusspielen in Orlando oder New York mehr zum Verschleiß beim Personal bei als so mancher Pflichttermin des DFB (WM-Qualifikation!) in der Prärie. Sponsorentermine, Werbedrehs, die alljährlichen Auftritte gegen die "Paulaner Traumelf" und der "Franz Beckenbauer Cup" - diese Auswüchse des Geschäfts blähen den Terminkalender in ähnlicher Art auf. Immer mehr Spiele, immer größere Einnahmen, immer weniger Regeneration. Die Ankläger sind schließlich gezwungenermaßen Akteure wie Müller, der in der vergangenen Saison auf stolze 63 Einsätze zurückblickt (sämtliche Gaudikicks nicht eingerechnet).

Der Fußball hat sich seine Belastungsstörung selbst geschaffen, er quetscht aus seinen Helden auch das letzte Tröpfchen Saft heraus und es wird der Punkt kommen, an dem nur noch Entschlackung vor der Implosion hilft. Die tapferen Sanmarinesen und ihr Kartoffelterrain sind für dieses Dilemma aber der falsche Ansprechpartner.

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