Stadtentwicklung:Wo in München um Grünflächen gestritten wird

Die Stadt braucht dringend mehr Wohnungen, doch wenn die Gebäude auf Grünflächen gebaut werden, regt sich bei den Anwohnern häufig massiver Widerstand. Vier umstrittene Projekte.

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Am Hart: Stillstand statt Einzug

Thalhoferstraße AM Hart

Quelle: privat

Als die Stadt vor vielen Jahren den Wohnraum an der Bernaysstraße Am Hart erschloss, musste sie auch neue Grünflächen ausweisen: eine öffentliche Grünanlage, die vom Schollerweg im Süden bis zur Rathenaustraße im Norden reicht. Den Anwohnern wurde die Erschließung damals in Rechnung gestellt. Das war auch ein Grund, dass die Bürger gegen den Bau einer Flüchtlingsunterkunft an der Thalhoferstraße und auf ihrer Grünanlage protestierten, einige Anwohner sogar Klage einreichten. Zwar wurde der Bau ein wenig nach Westen versetzt, damit die Containeranlage für 200 Menschen nicht zu nah an die Wohnhäuser der Thalhoferstraße heranreicht, aber der Standort in der Grünanlage blieb.

Bäume wurden gefällt, ein Bauzaun aufgestellt und die ersten Bagger kamen im Spätsommer 2015 - unbekannte Täter bewarfen Baumaschinen mit Steinen. Schon im Juni 2016 sollten die ersten Flüchtlinge einziehen. Doch seit Monaten stagniert der Bau. Container wurden aufgestellt, aber es waren die falschen; sie entsprachen nicht den gesetzlich vorgegebenen Standards und werden derzeit vom Generalunternehmer nachgerüstet. Vergangene Woche wurde das Baugerüst abgebaut. Wann die ersten Flüchtlinge einziehen, ist offen.

Nicole Graner

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Trudering: Wohnen statt bolzen

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Quelle: David-Pierce Brill

"Es gibt in München viele nützliche Unnützwiesen", lautet der Slogan der Truderinger Bürgerinitiative "Rettet die Unnützwiese". Diese platte Fläche mit zwei Toren an der Unnützstraße hat die Stadt auserkoren als einen Standort für ihr Programm "Wohnen für Alle": 57 Wohnungen sollen am Rand der grünen Oase entstehen. Die Anlieger um Sprecher Stefan Hofmeir haben sich zunächst zusammengetan, weil sie um ihre Nachbarschafts-Bolzwiese kämpfen wollten. Was sie auch mit allen Mitteln tun:

Sie stellen Anträge im Bezirksausschuss und bei der Bürgerversammlung, schreiben einen offenen Brief an OB Dieter Reiter. Auch ihre Internetseite, für die sie ein pädagogisches Filmchen über den Sinn von Nachhaltigkeit gemacht haben, verrät Kampfgeist. Wer will, kann sich für 35 Euro ein Banner mit dem Text "Unnützwiese? Klar nutzen wir diese!" bestellen.

Die Initiative sucht aber auch Leute, die stadtweit Unterschriften sammeln. Denn die Mitglieder haben erkannt, dass das Problem "Wohnungsbaufläche versus Freizeitfläche" nicht nur für Trudering gilt. Sie starten ein Bürgerbegehren zur Sicherung bestehender Spiel- und Freiflächen in ganz München. Die besten Argumente dafür liefern die städtischen Grünplaner selbst.

Renate Winkler-Schlang

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Bogenhausen: Schule statt Klimapark

Dirtbike-Parcours in Englschalking, 2014

Quelle: Alessandra Schellnegger

Nach drei vergeblichen Anläufen zur Sanierung des maroden Wilhelm-Hausenstein-Gymnasiums soll jetzt ein Neubau her. Dafür ist das Schulgelände im Arabellapark allerdings zu klein, und die Stadt hat im teuren Bogenhausen kaum eigene Grundstücke. Am Ende fiel die Wahl auf eine 140 000 Quadratmeter große Freifläche am Salzsenderweg, auf der Baureferat und Anwohner seit einigen Jahren einen Klimapark entwickeln. Er sollte im Nordosten der Stadt explizit eine Frischluftschneise freihalten. Der Schulbau mit seinen 20 000 Quadratmetern wird diese Schneise zumindest einengen.

Angesichts der chronischen Überbelegung des Gymnasiums stellten sich die Stadtviertelvertreter dennoch zähneknirschend hinter den Stadtratsbeschluss vom Juni. Nicht so die Anwohner. Sie gründeten im Juli die Initiative Pro Klimapark, sammelten Unterschriften, versuchten, den Stadtrat umzustimmen. "Wir wachsen ohne Ende", erklärte Sprecherin Tania Albrecht, "wir werden immer mehr Menschen. Solche Parks sind in München essenziell wichtig, sonst haben wir am Ende Verhältnisse wie in Los Angeles oder Hongkong." Der Bund Naturschutz schloss sich der Kritik an: Ausgewählt worden sei "das Grundstück mit dem geringsten Aufwand und der größten Naturzerstörung".

Ulrike Steinbacher

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Milbertshofen: Baustelle statt Fußballplatz

Bolzplatz zwischen der Schmalkaldener Straße und Frankfurter Ring in Milbertshofen. Der soll  verschwinden.

Quelle: Florian Peljak

Von Wiese konnte nicht mehr die Rede sein. Besonders vor den großen Toren. Der Boden war so ausgetreten, dass kein Grün mehr wachsen wollte. Der beste Beweis dafür, dass der Bolzplatz am Frankfurter Ring/Schmalkaldener Straße beliebt war. Kein Wunder also, dass die Anwohner um ihren Platz gekämpft haben. Als sie erfuhren, dass die GWG im Auftrag der Stadt dort ein "Wohnen für Alle"-Bauprojekt plant, organisierten sie sich, sammelten Unterschriften, initiierten eine Online-Petition, veranstalteten ein Fußball-Turnier.

In einem offenen Brief an Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) reagierte die ehemalige langjährige Bezirksausschuss-Vorsitzende Antoine Thomsen mit Unverständnis, dass den Jugendlichen der letzte, begrünte Platz im dicht besiedelten Milbertshofen genommen werde. "Diese Fläche zu bebauen, ist ein großer politischer Fehler", ärgerte sich auch der Landtagsabgeordnete Michael Piazolo (Freie Wähler).

Der Stadtrat entschied trotzdem anders, das Wohnprojekt wird mittlerweile gebaut. Aber: Der Protest der Anwohner und der Lokalpolitiker war nicht ganz umsonst. Die GWG erarbeitete einen Kompromiss. Anstelle der 60 Wohnungen werden nun 55 gebaut. Damit Platz bleibt für einen Bolzplatz in kleinerer Version - und so viel Grün wie möglich.

Nicole Graner

© SZ.de/infu
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