Trump-Erlass:An US-Flughäfen Gestrandete dürfen bleiben

  • Nach dem Trump-Dekret kommt es an mehreren US-Flughäfen zu Demonstrationen.
  • Grenzbeamte hatten am Samstag Migranten und Flüchtlinge an der Einreise gehindert.
  • Unter den Betroffenen sind auch Ausländer mit Visum oder dauerhafter Aufenthaltsgenehmigung.
  • Ein Gericht entscheidet: Wer von diesen bereits in den USA gelandet ist, wird vorerst nicht zurückgeschickt.

Von Beate Wild, New Orleans

Wo sonst Flugreisende aus aller Welt entlang eilen, sind am Samstagabend die Rufe von Demonstranten zu hören. "Lasst sie rein, lasst sie rein!", skandiert die Menge, ihre Botschaft verbreitet sich sofort über die sozialen Medien in die Welt.

Mehrere tausend New Yorker sind zum John F. Kennedy Flughafen gekommen. Einige von ihnen tragen noch die rosa Mützen des Women's March von vergangener Woche, auf ihren Schildern steht "Lasst sie rein!", "Widerstand" und "Steht auf für eure Rechte", wie Fernsehbilder in den USA zeigen. Sie protestieren gegen die Festsetzung von zwölf Menschen, die am New Yorker Flughafen gelandet waren - und nun wegen eines präsidialen Dekrets nicht durch die Grenzkontrolle kommen sollten.

Auch vor einem Bundesgericht im New Yorker Stadtteil Brooklyn finden sich Protestierende ein: Dort wird über die Klage der Bürgerrechtsorganisation Aclu gegen die Umsetzung des Dekrets entschieden. Um 21 Uhr Ortszeit kommt das Urteil: Die derzeit an US-Flughäfen festgehaltenen Menschen können einreisen, sofern sie eine gültige Einreiseerlaubnis haben. Das Urteil gilt landesweit. Es ist ein erster Teilerfolg für die Gegner der Trump-Politik.

Richterin Ann Donnelly begründet ihre Entscheidung damit, dass die "unmittelbare Gefahr substanzieller und irreparabler Schäden für Flüchtlinge, Visa-Inhaber und Individuen derjenigen Nationen, die vom präsidialen Erlass des 27. Januar betroffen sind", drohe.

Die Entscheidung ist zwar nur vorläufig. In einigen Wochen soll der Sachverhalt endgültig geklärt werden. Der Gerichtsentscheid legt jedoch nahe, dass der Trump-Erlass gegen die US-Verfassung verstößt. Es sei sehr wahrscheinlich, dass die Antragsteller sich mit ihrem Standpunkt durchsetzen könnten, dass ihre Ausweisung und die von Menschen in ähnlicher Situation Rechtsstaatlichkeit und Schutzgarantien verletzten, die durch die US-Verfassung garantiert würden, heißt es in dem Gerichtsentscheid.

Die Bürgerrechtsorganisation Aclu feiert den Teilerfolg. US-Gerichte hätten sich "heute als Bollwerk gegen Regierungsmissbrauch sowie gegen verfassungswidrige Politik und Anordnungen" erwiesen, teilt die Organisation mit. "Zumindest werden sie nicht zurück in die Flugzeuge gesetzt, vor allem darum ging es heute", sagt Aclu-Anwalt Lee Gelernt beim Verlassen des Gerichts.

"Was wird aus meinem Hund, meinem Job, meinem Leben?"

Am Freitag hatte der neue US-Präsident Donald Trump einen vorläufigen Einreisestopp für Flüchtlinge sowie ein 90-tägiges Einreiseverbot für Staatsangehörige aus den mehrheitlich muslimischen Ländern Irak, Iran, Jemen, Libyen, Somalia, Sudan und Syrien veranlasst.

Die Auswirkungen dieses Dekrets waren im Laufe des Samstags im ganzen Land sichtbar geworden: An mehreren Flughäfen wurden Einreisende aus den sieben Ländern festgehalten, andere bereits im Ausland am Einsteigen ins Flugzeug gehindert. Betroffen waren nicht nur Inhaber von Visa, sondern auch Besitzer der Green Card - das ist die unbefristete Aufenthaltsgenehmigung für die USA.

Stundenlang festgehalten - trotz gültigen Visums

Nazanin Zinouri, eine Professorin der Clemson Universität, sitzt am Samstag in Dubai fest. Sie hatte ihren jährlichen Besuch bei Verwandten in Teheran absolviert und war dann in Dubai kurz vor dem Abflug in die USA von Beamten aus dem Flugzeug eskortiert worden. Seit sieben Jahren lebe sie in den Vereinigten Staaten, klagt sie in einem Facebook-Eintrag, und nun sei sie ohne Vorwarnung plötzlich unerwünscht - ihr Auto stehe noch in den USA am Flughafen. "Was wird jetzt aus meinem Hund, meinem Job und meinem Leben dort?", fragt sie und schlussfolgert: "Mein Leben ist ihnen nichts wert."

Geschichten wie diese kursieren viele: Langjährige Green-Card-Inhaber auf Familienbesuch daheim, in den USA eingeschriebene Auslandsstudenten, Wissenschaftler auf dem Weg zu Konferenzen - es trifft unterschiedliche Gruppen. Wohlgemerkt: In den USA wurde in den vergangenen 40 Jahren kein einziger tödlicher Anschlag von Staatsbürgern der sieben betroffenen Länder verübt.

Unter den Festgehaltenen in New York sind auch Iraker, die einst dem US-Militär geholfen hatten und nun Schutz im Land erhalten sollten - sie geraten in ihrem Heimatland oft in das Visier von Islamisten. Hameed Khalid Darweesh hatte seit 2003 als Übersetzer und Lieferant für die US-Armee gearbeitet und am 20. Januar sein Visum erhalten. Als Trump den Erlass unterzeichnet, sitzt Darweesh mit seiner Frau und Familie bereits im Flugzeug. Während seine Frau und die drei Kinder die Passkontrolle in New York noch problemlos passieren, halten die Beamten Darweesh auf.

Nach 19 Stunden im Gewahrsam der Grenzschützer kommt er am Samstagnachmittag schließlich doch noch in die Ankunftshalle. "Was habe ich schon alles für dieses Land gemacht? Und sie legen mir Handschellen an", erzählt er mit Tränen in den Augen den anwesenden Reportern.

Andere haben nicht so viel Glück: Ein Reporter des Portals Mic, der am JFK vor Ort ist, spricht am Samstag mit zwei jungen Frauen, die seit acht Uhr morgens auf ihre Mutter aus dem Irak warten. Sie habe ein gültiges Visum besessen, erzählen sie. Möglicherweise werde sie aber nun zurück in den Irak geschickt.

Erster Teilerfolg vor Gericht

Tech-Unternehmen kritisieren Trumps Dekret

Besonders betroffen ist die Tech-Industrie im Silicon Valley, wo Tausende Mitarbeiter aus den betroffenen Ländern kommen dürften. Die Facebook-CEO Mark Zuckerberg postete, dass er "besorgt" sein über die aktuellen Entwicklungen, Apple-Chef Tim Cook schrieb in einem Brief an seine Mitarbeiter, Trumps Dekret sei "keine Politik, die wir unterstützen" und versprach seinen betroffenen Mitarbeitern zu helfen. Er habe sich bereits mit dem Weißen Haus in Verbindung gesetzt, fügte Cook hinzu.

Auch andere Tech-Unternehmen wie Google, Microsoft, Netflix und Uber zeigten sich besorgt. Google teilte in einer Stellungnahme mit, man sei besorgt über die Auswirkungen dieses Erlasse und sorge sich um Mitarbeiter und ihre Familien. Das Papier könne auch "Barrieren schaffen, um große Talente in die USA zu bringen."

Weil die Einwanderungsgesetze kompliziert sind, ist der Samstag auch der Tag der Anwälte: Dutzende von ihnen sind am Flughafen, um den Festgehaltenen oder ihren Verwandten mit Anträgen zur Freilassung oder Einreiseerlaubnis zu helfen. Nicht nur Aclu in New York, auch andere Flüchtlingsorganisationen wie "International Refugee Assistance Project" und "National Immigration Law Center" reichen Klagen ein.

Menschenrechtsgruppen teilten mit, dass an zahlreichen Flughäfen wie Atlanta, Houston, Dallas, Chicago, Philadelphia und Detroit andere Reisende festgehalten wurden. Das Heimatschutzministerium teilt in der Nacht der New York Times zufolge mit, dass 109 Menschen die Einreise in die USA verweigert worden sei, die sich bereits im Transitbereich von Flughäfen befanden. 173 wurden demnach gestoppt, bevor sie sich an Bord eines Flugzeugs in die USA begeben konnten. 81 Menschen, die zunächst aufgehalten wurden, durften dann doch einreisen.

Am Samstagabend finden auch Demonstrationen an Flughäfen in Chicago, Boston, Washington, Denver, Los Angeles und San Francisco statt. Für den Sonntag sind weitere Proteste in mehr als zwei Dutzend Städten geplant.

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