Renten:Verrat an der jungen Generation

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Während die Politik an immer neuen Wohltaten für Ältere arbeitet, vernachlässigt sie jüngere Generationen.

(Foto: Jochen Lübke/dpa)

Die Politik in Deutschland tüftelt an immer neuen Wohltaten für Senioren. Dabei bräuchten andere das Geld viel dringender.

Kommentar von Alexander Hagelüken

Der arme Rentner ist ein Bild, das in der öffentlichen Wahrnehmung eingebrannt ist. Dabei spielt sicher die Erinnerung an Jahrhunderte eine Rolle, in der Alte nach dem Arbeitsleben nur schwer ein Auskommen fanden. Es dürften dazu auch eigene Ängste der Menschen beitragen, selbst als Senior bedürftig dazustehen. Die gute Nachricht ist: Der aktuellen Rentnergeneration geht es besser, als die Deutschen denken.

Kaum einer muss Sozialleistungen in Anspruch nehmen, weil seine Altersbezüge nicht zum Leben reichen. Eine neue Untersuchung zeigt sogar: Das Einkommen der allermeisten Älteren stieg in den vergangenen Jahrzehnten doppelt so stark wie das von Menschen unter 45. Das zeigt: In Deutschland läuft etwas falsch. Die Bundesregierung macht derzeit die falsche Politik. Sie tüftelt an immer neuen Wohltaten für die aktuelle Seniorengeneration, obwohl die bereits gut versorgt ist. Dafür vernachlässigt sie jüngere Menschen - sowohl jetzt als Arbeitnehmer wie auch später, als Rentner von morgen.

Wer das sagt, spielt deshalb nicht Alte gegen Junge aus. Es ist uneingeschränkt positiv, dass die meisten heutigen Senioren im Wohlstand leben. Diese gesellschaftliche und politische Leistung war nicht selbstverständlich. Seit Jahrzehnten kommen immer weniger Arbeitnehmer auf einen Ruheständler, weil die Deutschen gleichzeitig länger leben und weniger Kinder kriegen. Und trotzdem werden, auch dank verschiedener Reformen, auskömmliche Renten gezahlt.

Die meisten Senioren stehen heute sogar besser da als ihre Vorgänger, die vor dreißig Jahren in einer Zeit lebten, als sich die Alterung der Gesellschaft weniger auswirkte. Die heutigen Ruheständler profitieren stärker von eigenem Vermögen, Erbschaften, privater und betrieblicher Vorsorge. Außerdem sind mehr und mehr Frauen berufstätig. Sie schaffen sich selbst eine Rente, während sie früher stärker von ihrem Mann abhingen.

Wer all das zusammennimmt, darf sich für die heutigen Senioren freuen. Aber er stellt auch fest, dass die Perspektiven für Jüngere häufig schlechter sind. In den vergangenen 20 Jahren stagnierten die realen Löhne für zahlreiche Deutsche bis hinauf in die Mittelschicht. Stellen sind heute oft befristet und gerade in den ersten Berufsjahren schlecht bezahlt. Fast die Hälfte der jungen Singles zwischen 25 und 35 ist nach der offiziellen Definition von Armut bedroht - eine dramatische Diagnose für ein so reiches Land.

Viele junge bis mittelalte Arbeitnehmer stehen vor einem weiteren Problem. Sobald demnächst die Babyboomer in den Ruhestand gehen, die in den 60er-Jahren auf die Welt kamen, wird das Alterssystem der nächsten Belastung ausgesetzt. Ein Großteil der heutigen Arbeitnehmer muss wahrscheinlich hohe Beiträge in die Rentenkasse zahlen und bekommt dafür vergleichsweise wenig Altersgeld. Besonders eng wird es für jene, die wenig verdienen oder - wie oft Mütter - lange wegen der Kinder aussetzen und danach nicht mehr richtig im Beruf Fuß fassen.

Das Kalkül dahinter ist klar: Ältere Menschen sind die größte Wählergruppe

Mageres Einkommen, unsichere Rente: Diese doppelte Zwangslage zahlreicher Arbeitnehmer ist für die Politik eine Riesenaufgabe. Ein geeignetes Programm müsste aus mehreren Teilen bestehen. Zum Beispiel: Geringverdiener und die Mittelschicht von Abgaben und Steuern entlasten, damit sie mehr Geld verfügbar haben. Und: Weniger junge Menschen ohne Abschluss ins Berufsleben stolpern lassen. Eltern das Arbeiten erleichtern. Finanzreserven für die Zeit schaffen, in der noch mehr Rentner auf noch weniger Arbeitnehmer kommen.

Doch statt mit einem solchen Programm beschäftigt sich die Politik damit, die heutige Seniorengeneration noch besser auszustatten. Die vorzeitige Rente mit 63 und die Mütterzuschläge kosten viele Milliarden, die der jüngeren Generation bitter fehlen. Angesichts der nahen Wahl sind schon die nächsten Rufe nach weiteren Leistungen für die heutigen Senioren zu hören.

Das politische Kalkül dahinter ist leicht zu verstehen. Bei der Bundestagswahl 2013 stellten die Über-50-Jährigen bereits die Mehrheit der Wähler. Für Senioren ist das Thema Rente überragend wichtig, weshalb sie durch entsprechende Maßnahmen gewogen zu stimmen sind. Ein aktiver Arbeitnehmer, den von den beruflichen Bedingungen über die Steuern bis zur Familienförderung und den Schulen der Kinder mehr Themen betreffen, ist politisch nicht so leicht einzufangen. Aus diesem Grund machen gerade die großen Volksparteien so gerne Politik für die heutigen Rentner - und verraten dabei all die anderen Bürger, um die sie sich viel eher kümmern müssten.

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