München:Flotter Strich

Mit zwei Jahren hat Yannick Weinert einen Zeichenwettbewerb gewonnen, nun hat der Elfjährige eine Gespenstergeschichte für Kinder illustriert. Für eine Figur braucht er 60 Sekunden

Von Anita Naujokat

Seine Inspiration schöpft Yannick aus unterschiedlichen Quellen. "Manchmal sehe ich Objekte im Dunkeln oder etwas Verschwommenes, das anders aussieht als in echt. Manchmal bin ich Fan von etwas wie zum Beispiel Star Wars und dann zeichne ich das", sagt der Elfjährige. Schon mit einem Jahr hat Yannick seinen ersten Stift gehalten. "Er konnte noch kaum sprechen, hat aber schon richtig gezeichnet", erzählt seine Mutter Margit Weinert. Seinen ersten Zeichenwettbewerb hat er als Zweijähriger in Neuseeland gewonnen, wo er bis 2010 mit seiner Familie wohnte.

So gesehen hat es dann doch eine kleine Ewigkeit gedauert, bis Yannick zum ersten Mal ein Buch illustrierte. An die 40 Zeichnungen in dem kürzlich erschienenen Kinderbuch "Greta, Jupp und die Geister" von Verena Prym und auch die Bilder auf der das Werk begleitenden Website, auf der man noch mehr über Geister und Geistermacher erfährt, stammen aus Yannicks Feder. Kein Wunder, dass sich der Illustrator dann auch nicht "in echt" im Taschenbuch darstellen wollte, sondern für sich und Verena Prym zwei virtuelle Konterfeis schuf - eine etwas streng blickende und grübelnde Autorin und einen Yannick mit sonnigem Gemüt und übergroßen Augen, die auch seinen Figuren anhaften.

München: Yannick Weinert radiert beim Zeichnen nie. Dass er so gerne zeichnet, erklärt er mit dem Drang, seine Ideen zu verbildlichen.

Yannick Weinert radiert beim Zeichnen nie. Dass er so gerne zeichnet, erklärt er mit dem Drang, seine Ideen zu verbildlichen.

(Foto: Stephan Rumpf)

Die Zusammenarbeit zwischen der in Moosach lebenden Autorin und dem in Haidhausen beheimateten Yannick hätte auf kürzestem Weg zustande kommen können, denn Yannicks Mutter und Verena Prym sind seit Langem befreundet. Kam sie aber nicht. Nachdem das Buch fertiggeschrieben war, hatte die 44-Jährige erst über Instagram einen Illustrator gesucht. Eine Viertelstunde später schrieb ihr die Freundin, "Yannick würde das gerne machen". "Den Text hat er gerade mal überflogen und sofort gesagt, da stelle ich mir das und das vor", erzählt Verena Prym. Vorgaben habe sie ihm nicht gemacht, sondern nur gesagt: "An den Stellen, an denen dir etwas in den Sinn kommt, machst du was."

Die Idee zu der Geschichte kam von ihrer Familie: Ihre vierjährige Nichte Lotta habe wahnsinnige Angst vor Gespenstern. Deshalb habe ihre Schwester sie gebeten, doch eine Geistergeschichte für Lotta zu schreiben, um ihr die Angst zu nehmen. Geschrieben hat sie die auf der Hofreite ihrer Schwester bei Mainz, "und plötzlich war es eine Geschichte von hundert Seiten, die bebildert werden musste", sagt Verena Prym. Lotta habe auch darauf bestanden, dass die Hauptfigur "Greta" heißen müsse - so wie eine der drei Töchter von Verena Prym heißt.

Yannick Weinert

Die Rückseite seines Englischhefts aus der vierten Klasse zeigt lauter Berühmtheiten und Fantasiefiguren, die englischsprachige Länder geprägt haben.

(Foto: privat)

Aus "Liebe zur Fotografie" sind ihre ersten beiden Bücher "Kai. Eine Schildkrötengeschichte" und das "Stadt-ABC" für Kinder entstanden. In beiden arbeitet sie mit Momentaufnahmen und kurzen Texten. Dann war sie vom Wunsch beseelt, komplexer zu schreiben. "Wenn ich reise, anderen Leuten zuhöre, verbinde ich mit deren Lebenswelt oft ganz andere Sachen. Das ist bei mir ähnlich wie bei Yannick", sagt sie. "Erst mal ist das Gefühl da, was und worüber ich schreiben möchte. Danach entwickle ich die Hauptfiguren aus dem Bauch heraus, dann die Nebenfiguren. Und dann geht es darum, ein logisches Gerüst zu bauen, und ich schreibe los und bin dann wieder auf der Gefühlsebene", beschreibt sie den schöpferischen Prozess.

Auch wenn sie Erwachsene spannend findet - Bücher für sie zu schreiben, interessiere sie nicht. "Kinder sind die ehrlicheren Zuhörer", sagt sie. "Wenn es ihnen nicht gefällt, fangen sie sofort an zu zappeln." Außerdem mache es ihr Spaß, in die "gedankliche Grenzenlosigkeit" von Kindern einzutauchen, die ein Privileg der Kindheit sei. Die eigentliche Schreibarbeit hat man sich dann ganz klassisch am Schreibtisch vorzustellen.

Als Yannick in den Sommerferien mit den ersten Bildern für das Buch begann, war er zehn. Die restlichen entwarf er in den Weihnachtsferien. Auch sonst zeichnet er in jeder freien Minute. In der Regel braucht er 60 Sekunden für eine Figur, das Gespenst im Block der Journalistin fließt ihm noch nicht einmal in der Hälfte der Zeit aus dem Stift. Und radiert wird nie. Dass er so gerne zeichnet, erklärt er mit dem Drang, seine Ideen zu verbildlichen. Dabei legt er großen Wert darauf, Zeichnen bloß nicht mit Malen zu verwechseln: Gezeichnet werde mit klaren Strichen, gemalt mit Pinsel und Farbe. "Malen ist nicht so mein Ding, weil ich eher ein Freund von Details bin."

München: Zwei mit lebhafter Fantasie: In Yannick Weinert hat Autorin Verena Prym einen Zeichner für ihr Buch gefunden, der mit ihr auf einer Wellenlänge liegt.

Zwei mit lebhafter Fantasie: In Yannick Weinert hat Autorin Verena Prym einen Zeichner für ihr Buch gefunden, der mit ihr auf einer Wellenlänge liegt.

(Foto: Stephan Rumpf)

Das lässt sich sehr schön etwa auf dem Wimmelbild auf der Rückseite seines Englischhefts aus der vierten Klasse verfolgen, das lauter Berühmtheiten und Fantasiefiguren zeigt, die englischsprachige Länder geprägt haben. Dort findet sich die Queen ebenso wie Abraham Lincoln, Isaac Newton, Robin Hood neben Jack the Ripper und auch Johnny Depp. Oder auf dem Ein-Seiten-"Cartoon" mit Albert Einstein als Engel in Anspielung auf dessen Satz "Gott würfelt nicht". Und da wäre noch "Die Stadt", die er als Protest gegen die "knalligen Farben" und die "positive Weltsicht" der Hochhäuser des Pop-Art-Künstlers James Rizzi erschaffen hat. Yannicks Wolkenkratzer sind in Schwarz-Weiß gehalten, mit nackten sonnenbadenden Männern auf den Dächern, wo der mit einem Feigenblatt den anderen fragt, woher dieser denn seinen schwarzen Balken herhabe.

Verena Prym und Yannick haben schon das Folgebuch in der Mache, in dem sie Greta, Jupp und den berühmten Geisterforscher Professor Stummhirn nach Paris schicken. Dieses Mal entwickelt Yannick auch die Geschichte mit. Auch die zusätzlich zum ersten Band entstandene Website www.gesunder-hausgeist.de wird fortlaufend weiterbestückt; über sie lassen sich auch kostenlose Lehrerbegleithefte für die zweiten bis vierten Jahrgangsstufen, Lesezeichen und Ausmalbilder bestellen und herunterladen.

Erst neulich haben die beiden intensiv darüber diskutiert, ob Geister Geld haben. "Yannick kennt sich gut in der Geisterwelt aus", sagt Verena Prym. Klar, ist doch die griechische Mythologie eines seiner Steckenpferde. Aber in echt glaubt er natürlich weder an Dach- noch an Flatter- oder Kellergeister.

"Greta, Jupp und die Geister", Verena Prym mit Bildern von Yannick Weinert, erschienen 2017 im Papierfresserchens MTM-Verlag, 9,90 Euro

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