US-Politik:Der Widerstand sitzt in der Trump-Regierung

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  • In der New York Times schreibt ein anonymer Trump-Mitarbeiter, er gehöre zum "Widerstand" gegen den US-Präsidenten.
  • Der Widerstand sei nicht links, sondern wolle sich für den Erfolg der Regierung einsetzen. Der Autor bedauert, dass es noch kein Amtsenthebungsverfahren gegen Trump gegeben habe.
  • Trump reagiert mit "vulkanischer Wut" auf den Beitrag.

Von Thorsten Denkler, New York

US-Präsident Trump scheint auf die Frage nach dem spektakulären Gastbeitrag in der New York Times nur gewartet zu haben. Er hat gerade eine Gruppe von Sheriffs im Weißen Haus empfangen, sie stehen hinter ihm aufgereiht, das Erinnerungsfoto wurde gerade gemacht. Das sind seine Leute, Fans. Sie werden ihm mehrfach während seines so kurzen wie wirren Wutanfalls zujubeln.

Wenn er mal nicht mehr Präsident sein werde - er dreht sich zu den Sheriffs um - "in sechseinhalb Jahren", die Sheriffs johlen auf - da werde es die New York Times und all die anderen "verlogenen" Medien nicht mehr geben, weil sie nichts mehr zu schreiben hätten und niemand sich mehr für sie interessiere. Denn keine andere Regierung habe erreicht, was seine Regierung erreicht habe. Und als er die Wahl gewonnen habe, da habe sich die New York Times für ihre "inkorrekte" Wahl-Berichterstattung entschuldigen müssen. Und jetzt hat diese "Versager- New-York-Times" einen anonymen Gastbeitrag veröffentlicht. "Anonym!"

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Er dreht sich wieder zu seinen Sheriffs - "das heißt rückgratlos, einen rückgratlosen Gastbeitrag", aber niemand werde auch ihn auch nur ansatzweise schlagen können, wenn 2020 die nächste US-Präsidentschaftswahl anstehe. Und zwar weil "wir mehr gemacht haben, als je jemand für möglich gehalten hätte! Thank you very much." Hinter ihm bricht Jubel aus.

Es ist ein höchst ungewöhnlicher Text, den die Times am Mittwochnachmittag veröffentlicht hat. Vor allem, weil er anonym ist. Ein Meinungsbeitrag in der New York Times ist - wie in fast allen anderen Medien - so gut wie immer namentlich gekennzeichnet. Vor allem aber soll der Autor, der der New York Times bekannt ist, ein führender Beamter in der Trump-Regierung sein. Und offenbar jemand, der einen tiefen Einblick in die Abläufe im Weißen Haus hat. Um ihren Lesern diese Perspektive auf die Trump-Administration zu bieten, habe sich das Blatt entschlossen, den Text zu veröffentlichen.

Der Text ist ein Bekenntnis, ein Versprechen und eine Offenbarung. Der Autor bekennt sich, dem "Widerstand" in der Trump-Regierung anzugehören. Er verspricht, sich den schlimmsten Auswüchsen der Trump-Agenda entgegenzustellen. Und er offenbart, wie tief die Gräben inzwischen sind in der Regierung zwischen den "Erwachsenen", wie der Autor sich und die seinen bezeichnet. Und denen, die Trump blind folgen.

Der Autor räumt gleich zu Beginn ein mögliches Missverständnis aus. Das sei kein "linker Widerstand". Nein, "wir wollen, dass die Regierung erfolgreich ist". Nicht die Russland-Ermittlungen, nicht die bevorstehende Niederlage für die Republikaner in den Zwischenwahlen Anfang November. Es sei dieser Widerstand, der die größte Gefahr für Trumps Präsidentschaft darstelle.

Was nämlich er, der Präsident, "nicht vollständig begreift", sei, dass bis in die höchsten Führungsebenen seiner Regierung hinein Regierungsmitarbeiter intensiv daran arbeiten, Teile von Trumps Agenda und ihre schlimmsten Folgen zu verhindern.

Trumps Politik sei von "irregeleiteten Impulsen" gesteuert

Warum sie das machen? "Wir glauben, unsere oberste Pflicht ist es, dem Land zu dienen, aber der Präsident verhält sich auf eine Weise, die dem Wohl der Republik diametral entgegensteht." Das sei der Grund, weshalb viele von Trump ernannte Mitarbeiter geschworen hätten, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, "die demokratischen Institutionen zu schützen" und die von "irregeleiteten Impulsen" gesteuerte Politik des Präsidenten zu durchkreuzen. Und zwar solange, bis Trump nicht mehr im Amt ist.

Das Kernproblem der Trump-Präsidentschaft sei Trumps Amoralität. Jeder, der mit ihm zusammenarbeite, wisse, dass er sich nicht gebunden fühle an wahrnehmbare Prinzipen, die ihn in seinen Entscheidungen leiten. Seine Impulse seien meist "antidemokratisch" und gegen freien Handel gerichtet.

Die wenigen Erfolge der Trump-Regierung - Steuerreform, robustes Militär, Deregulierung - seien nicht wegen, sondern trotz Trumps Führungsstil zustande gekommen. Der sei "unüberlegt, auf Konflikt ausgelegt, kleinkariert und ineffektiv".

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Treffen mit Trump würden schnell vom gesetzten Thema abkommen. Trump ergehe sich dann in Schimpfkanonaden. Seine Impulsivität bringe "halbgare, schlecht informierte und zuweilen rücksichtslose Entscheidungen" hervor, die dann wieder rückgängig gemacht werden müssten.

Es sei wahrscheinlich nur ein schwacher Trost in dieser "chaotischen Ära", aber die Amerikaner sollten wissen, dass da "Erwachsene im Raum sind", schreibt der Autor. "Wir sind uns völlig im Klaren darüber, was gerade passiert. Und wir versuchen zu tun, was richtig ist, auch wenn der Präsident dem entgegensteht."

Das Resultat sei eine "zweigleisige Präsidentschaft". Auf dem einen Gleis fährt Trump, der sich etwa zu autokratischen Herrschern wie Russlands Präsident Wladimir Putin hingezogen fühle. Auf dem anderen Gleis fährt der Widerstand, der etwa dafür sorge, dass gegen Trumps Willen die Sanktionen gegen Russland in Kraft bleiben und zum Teil noch verstärkt wurden.

Der Autor bedauert, dass es noch nicht zu einem Amtsenthebungsverfahren gegen Trump gekommen ist. "Darum tun wir, was wir können, um die Regierung in die richtige Richtung zu steuern, bis es - auf welchem Weg auch immer - vorbei ist."

Die Washington Post berichtet, Trump habe mit " vulkanischer Wut" auf den Gastbeitrag reagiert, den dieser als "verräterischen Akt der Illoyalität" einstufe. Auf Twitter fordert Trump die New York Times gar auf, " aus Gründen der nationalen Sicherheit" den Namen des Autors preiszugeben. Obwohl er im gleichen Tweet mutmaßt, dass es den Autoren vielleicht gar nicht gebe und alles nur eine Erfindung der New York Times ist. Trumps Sprecherin Sarah Huckabee Sanders fordert den "Feigling" von Autor auf, sich selbst preiszugeben.

Erst am Tag zuvor hatte die Washington Post eine Vorabgeschichte über das neue Enthüllungsbuch seiner Reporter-Legende Bob Woodward veröffentlicht. Es trägt den Titel "Fear", Angst, und beschreibt die Zustände in der Trump-Regierung. Darin wird etwa Trumps Stabschef mit den Worten zitiert, sein Chef sei "ein Idiot". Und Verteidigungsminister Jim Mattis soll über Trump gesagt haben, er verhalte sich wie ein Fünft- oder Sechstklässler. Beide bestreiten, so etwas je gesagt zu haben. Trump wettert auf Twitter gegen das Buch und Woodward, als hätte er keine anderen Probleme.

Er greift mit Woodward und der New York Times allerdings lediglich die Überbringer der schlechten Nachricht an. Der Autor des Gastbeitrags scheint recht zu haben. Trump hat womöglich wirklich nicht vollständig begriffen, dass die größte Gefahr für ihn von innen kommt. Aus seinem direkten Umfeld, in dem ihn offenbar viele nicht mehr richtig für voll nehmen.

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