Verfassungsschutzchef Maaßen:Fakten verzweifelt gesucht

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  • Verfassungsschutzchef Maaßen soll seine Fachleute am Wochenende dazu angehalten haben, Beweise zusammenzutragen, die seine umstrittenen Äußerungen stützen könnten.
  • Er hatte zuvor in der Bild-Zeitung nahegelegt, ein Beweisvideo für ausländerfeindliche Gewalt vor zwei Wochen in Chemnitz sei gefälscht.
  • An diesem Mittwoch muss sich Maaßen in gleich zwei Gremien des Bundestages befragen lassen.

Von Ronen Steinke, Berlin

Es ist ein hitziges Wochenende gewesen im Bundesamt für Verfassungsschutz in Köln-Chorweiler. Aber es ging nicht darum, einen Terroranschlag zu verhindern, einen Spion dingfest zu machen oder die Pläne von russischen Hackern zu durchkreuzen. Es ging darum, die Karriere des Chefs zu retten: Hans-Georg Maaßen, Präsident der Behörde seit 2012, soll seine Fachleute am Samstag und Sonntag dazu angehalten haben, eilig Beweise zusammenzutragen, die seine umstrittenen Äußerungen in der Bild-Zeitung stützen könnten.

Dort hatte Maaßen am Freitag nahegelegt, ein Beweisvideo für ausländerfeindliche Gewalt vor zwei Wochen in Chemnitz sei gefälscht. "Es liegen keine Belege dafür vor, dass das im Internet kursierende Video zu diesem angeblichen Vorfall authentisch ist", hatte er gesagt. Wie die Zeitung Die Welt am Dienstag berichtete, habe im von Maaßen geleiteten Bundesamt daraufhin eine "verzweifelte" Suche nach Informationen und Analysen eingesetzt, um diese Zweifel an dem Video zu untermauern. Mit dürftigem Ergebnis. Hätte er die Fachleute bloß vorher gefragt: Laut der Welt war Maaßens Bild-Aussage nicht auf Recherchen seines eigenen Hauses gestützt.

Es sind lange Ausführungen, die Maaßen ins Innenministerium geschickt hat

Der Begriff "Menschenjagd", der im Titel des Videos auftaucht, sei fragwürdig, meldeten die Beamten am Wochenende an Maaßen, so war aus Sicherheitskreisen zu hören. Man könne sich auch fragen, warum das Video nur einen bestimmten Ausschnitt des Geschehens zeige. Ist der Ausschnitt manipulativ gewählt? Man könne weiter auch nach dem Absender des Videos fragen, der dubios wirkt: Ist "Antifa Zeckenbiss", der Youtube-Account, der den Film zuerst im Netz verbreitete, vertrauenswürdig? Oder verfolgt er eine Agenda? Mit diesem Tenor soll sich Maaßen dann am Montag in einem internen Bericht vor Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) gerechtfertigt haben. Bereits am Samstag war Maaßen im Innenministerium gewesen, um unter anderen mit Seehofers Staatssekretär Stephan Mayer (CSU) die Lage zu beraten.

Es sind lange Ausführungen, die Maaßen am Montag ins Ministerium sowie in Kopie an das Bundeskanzleramt geschickt hat - er erhebt darin auch Kritik gegen andere, etwa gegen die Medien, die das von "Antifa Zeckenbiss" verbreitete Video unkritisch weiterverbreitet hätten, wie zu hören ist. Was Maaßens Bericht an Seehofer jedoch offenbar nicht beinhaltet: Eine Erklärung dafür, wie Maaßen zu seiner ursprünglichen Behauptung in der Bild kam, das Video sei nicht "authentisch". Oder ein Eingeständnis, dass er diese Behauptung ins Blaue hinein aufgestellt habe.

Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) kritisierte Maaßen scharf. "Gerade in Zeiten von sogenannten Fake News und Verschwörungstheorien ist es die Aufgabe des Behördenchefs, für Klarheit und Gewissheit zu sorgen und sich nicht seinerseits an Spekulationen zu beteiligen oder sie sogar in Gang zu setzen", sagte Pistorius dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Maaßens Vorgehen lege den Schluss nahe, "dass er Einfluss auf die politische Stimmung im Land nehmen will".

Andererseits stärkte am Dienstag erstmals ein maßgeblicher CDU-Politiker Maaßen den Rücken. Parteivize Thomas Strobl sagte in Berlin, die Zusammenarbeit mit Maaßen sei immer erstklassig und ohne Fehl und Tadel gewesen. "Ich kenne ihn vor allem - und das meine ich ausschließlich positiv - als einen sehr korrekten und kenntnisreichen Beamten." Die Frage, ob Maaßen an der Spitze des Bundesamts für Verfassungsschutz noch der richtige Mann sei, habe aber nicht er zu beantworten, sondern die Bundesregierung.

An diesem Mittwoch muss sich Maaßen in gleich zwei Gremien des Bundestages befragen lassen. Um 15 Uhr beginnt zunächst die Sitzung des geheim tagenden Parlamentarischen Kontrollgremiums der Nachrichtendienste. Der stellvertretende Vorsitzende dieses Gremiums, der Grünen-Politiker Konstantin von Notz, hat Maaßen die Verbreitung "kruder Verschwörungstheorien" vorgeworfen. Anschließend beginnt um 18.30 Uhr eine Sondersitzung des Innenausschusses. Geladen ist dort auch Horst Seehofer. Die Abgeordneten wollen nicht nur nach Maaßens Chemnitz-Aussagen fragen. Sondern auch nach dessen Kontakten zur AfD.

© SZ vom 12.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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