Im Kino: "Das Parfum":Duftbilder in Fehlfarben

Sehnsucht, die man in einer 50-Millionen-Euro-Produktion nicht erfüllen kann: Tom Tykwers und Bernd Eichingers Verfilmung von Patrick Süskinds "Das Parfum" zeigt eine olfaktorische Lust am Text.

Fritz Göttler

Ein Anflug von Erschöpfung scheint nun über diesem Film zu liegen, nach dem mörderischen Parcours, den er hat durchlaufen müssen. Nach der unendlich langen Wartezeit, bis der Produzent Bernd Eichinger vom zurückgezogenen Patrick Süskind die Rechte an seinem Roman bekommen hat, frei wurden. Nach der komplizierten Finanzierungs- und Drehbuchphase - zwei Dutzend verschiedene Fassungen hat es angeblich gegeben, bevor Eichinger, Tom Tykwer und Andrew Birkin das endgültige Script verfertigt hatten (abgedruckt im Buch zum Film im Diogenes Verlag). Nach der ungewöhnlichen Doppelspitze von Tom Tykwer, als Regisseur, und Bernd Eichinger als Produzent - wie meistens am Drehort präsent. Nach den liebevollen Rekonstruktionen des Fischmarkts von Paris und der Kaufmannsvillen von Grasse, beide gedreht in Barcelona, und den Massenszenen. Nach dem Mega-Auflauf schließlich bei der Premiere vorige Woche in München.

Im Kino: "Das Parfum": Karoline Herfurth als Mirabellenmädchen und Ben Whishaw als Grenouille.

Karoline Herfurth als Mirabellenmädchen und Ben Whishaw als Grenouille.

(Foto: Foto: Constantin)

Duftbilder in Fehlfarben

Und dazu die Erwartungen der Millionen von Lesern in aller Welt, die das Buch zum Welterfolg führten und für die dieser Film gemacht wurde - eine gewaltige, erschreckende Hypothek, wie sie ansonsten wohl nur noch die Hobbit-Gemeinde beim ,,Herrn der Ringe'' den Filmemachern aufbürdete. Eine Erschöpfung, die auch im Film zu spüren ist - wenn er immer wieder eine Sehnsucht spüren lässt, einfach nur eine Geschichte zu erzählen, sich auf die Figuren einzulassen, die Welt zu sehen, in der sie leben, und ihre Versuche, sich in ihr zurechtzufinden. Eine Sehnsucht, die man in einer 50-Millionen-Euro-Produktion heutzutage nicht erfüllen kann.

Das klassische Modell des Entwicklungsromans, der Lehr- und Wanderjahre musste man vergessen, wenn man seinerzeit das ,,Parfum'' las. Das Buch ist ein echtes Produkt der Siebziger, sein Held tritt uns entgegen als der reine Strukturalist - als wäre die ,,Lust am Text'' von Barthes sein Brevier. Ein Buch der Ab- und der Ausschweifung, das immer wieder in die Breite geht und sich der erzählerischen Progression, der Spannungsmache verweigert. Den Autor treibt die gleiche Lust an der Katalogisierung wie seinen Helden Jean-Baptiste Grenouille, eine Gier nach immer neuen Düften - ,,und diese filterte er aus den Duftgemischen heraus und bewahrte sie namenlos im Gedächtnis: Amber, Zibet, Patschuli, Sandelholz, Bergamotte, Vetiver, Opoponax, Benzoe, Hopfenblüte, Bibergeil ...''

Um diesen Text der Lust, dieses Buch und seine Geruchsgebäude auf die Leinwand zu bringen, musste man es verraten. Und Patrick Süskind, der ganz gut die Techniken und Geheimnisse des Drehbuchschreibens kennt - er hat mit Helmut Dietl ,,Kir Royal'', ,,Rossini'' und ,,Vom Suchen und Finden der Liebe'' geschrieben - hat das natürlich gewusst. Der saloppe Dekonstruktivismus des Buches - das sich nicht sehr bemüht, seinen Helden zu profilieren - musste für die Leinwand konstruktiv gemacht werden, der scheußliche Grenouille musste ein Gesicht bekommen, eine Persona, eine Psychologie. Ben Whishaw spielt ihn nun, der auf dem Londoner Theater mit Shakespeare glänzte, er ist ansehnlicher als der Junge im Buch, aber durchaus dreckig und verstörend. Keiner, der doch nur will, dass man ihn liebt.

Non olet, das ist das Trauma dieses Helden - dass er keinen eigenen Geruch hat. Was ihn dazu treibt, das ultimative Parfum zusammenzumischen und dafür eine Reihe von Mädchen umzubringen und ihren Geruch ihnen von den Körpern zu schaben, dazu machen Buch und Film nur sehr vage Angaben. Weshalb der Film, nachdem der Junge seine Lehrzeit absolviert hat beim abgehalfterten Parfumeur Baldini - den Dustin Hoffman lustvoll schwuchtelig gibt -, ins Trudeln gerät und Spannung verliert. Und die Massenverführung auf dem Marktplatz von Grasse, in die zum Schluss die geplante Exekution umgebogen wird, ist eher krabbelig als ekstatisch oder dämonisch - so grotesk wie die Verrenkung, mit der Grenouille sein Tuch mit dem Parfum unter die Leute wirft. Ein Prometheus, ein selbstgeschaffener, selbstgerechter Gott - der Große Grenouille?

Der Mörder weint, er trauert seiner verfehlten Liebe nach, dem Mirabellenmädchen. Der Film schraubt sich im zweiten Teil in einen Psychothriller hinein - in Alan Rickman, der den Vater des letzten Opfers, Laura, spielt und mit allen Mitteln sich wehrt, die Tochter der Welt und dem Mörder preisgeben zu müssen, bekommt Grenouille dann doch einen famosen Gegenspieler. Der Obsession für die Rothaarigen wegen muss man immer wieder an den Mörder in ,,Frenzy'' denken - man weiß, was Tom Tykwer Hitchock verdankt. Was die Gerüche im ,,Parfum'', sind in ,,Frenzy'' Gemüse und Obst - der Film, eine sinnliche Studie über Sex und Konsum, spielt in Covent Garden, und die berüchtigte Szene auf dem Kartoffellaster, mit der starren Mädchenleiche im Sack, kann es mit den Abschabeszenen im ,,Parfum'' durchaus aufnehmen. Der großen Herausforderung aber entzieht sich das ,,Parfum'', das Experiment, Duftstoffe zu bebildern, wird nach ein paar zaghaften Computertricks an die Musik delegiert - die Herrschaft der Duft-Akkorde.

DAS PARFUM, D 2006 - Regie: Tom Tykwer. Buch: Andrew Birkin, Bernd Eichinger, Tom Tykwer. Kamera: Frank Griebe. Musik: Tom Tykwer, Johnny Klimek, Reinhold Heil. Schnitt: Alexander Berner. Szenenbild: Uli Hanisch. Mit: Ben Whishaw, Alan Rickman, Rachel Hurd-Wood, Dustin Hoffman, Karoline Herfurth, David Calder, Simon Chandler, Jessica Schwarz, Sian Thomas, Corinna Harfouch, Birgit Minichmayr. Constantin, 147 Minuten.

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