Terrormiliz:Deutsche IS-Kinder sollen zurückkehren dürfen

Terrormiliz: Ein Kind im al-Hol-Lager, in dem Verwandte von Mitgliedern der Islamic State (IS) -Gruppe im Nordosten Syriens leben.

Ein Kind im al-Hol-Lager, in dem Verwandte von Mitgliedern der Islamic State (IS) -Gruppe im Nordosten Syriens leben.

(Foto: AFP)
  • Im Zusammenhang mit deutschen IS-Kämpfern in Syrien und ihren Familien soll nach Informationen von NDR, WDR und SZ erstmals eine Rückkehr nach Deutschland gerichtlich erzwungen werden.
  • Im konkreten Fall geht es um zwei Waisenmädchen im Flüchtlingslager al-Haul, deren Mutter IS-Anhängerin gewesen sein soll.
  • In der Bundesregierung wird erwartet, dass zahlreiche Klagen von weiteren Familien folgen werden.
  • Der Irak hat der Bundesregierung inzwischen Hilfe bei der Lösung der Frage angeboten, was mit ehemaligen IS-Kämpfern geschehen könnte. Doch die Bedingungen gelten für Deutschland als nicht akzeptabel.

Von Britta von der Heide, Volkmar Kabisch, Georg Mascolo und Amir Musawy

Die Bundesregierung gerät im Zusammenhang mit den auf syrischem Boden inhaftierten deutschen IS-Kämpfern und ihren Familien unter juristischen Druck. Nach Informationen von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung soll mit Hilfe des Verwaltungsgerichts in Berlin erstmals eine Rückkehr nach Deutschland gerichtlich erzwungen werden.

Einen entsprechenden Antrag reichte jetzt der Hannoveraner Rechtsanwalt Dirk Schoenian ein. Er vertritt zwei Waisenmädchen, die sich im Flüchtlingslager al-Haul im Norden Syriens befinden. Ihre Mutter, eine zuletzt in Baden-Württemberg lebende IS-Anhängerin, soll bei den Kämpfen um die letzte IS-Bastion in Baghouz ums Leben gekommen sein. Eines der Kinder ist vier Jahre alt, das andere knapp Zwei.

Unter Hinweis auf "unmittelbar lebensbedrohende" Umstände in dem Camp will der Anwalt eine konsularische Betreuung durch das Auswärtige Amt und die Rückholung nach Deutschland erzwingen. Auch das Rote Kreuz hat die Zustände in dem Camp zuletzt als unhaltbar und kritisch bezeichnet. Das Verwaltungsgericht in Berlin soll das Auswärtige Amt jetzt per einstweiliger Anordnung zum Handeln verpflichten.

Seit Monaten hatte der Anwalt bereits gegenüber dem Auswärtigen Amt in diesem und anderen Fällen interveniert. Das Amt erwiderte, man könne auf syrischem Boden keine konsularische Hilfe leisten, nachdem die deutsche Botschaft in Damaskus bereits vor Jahren geschlossen worden sei. Gemeinsam mit "Partnern" kläre man aber "mögliche Optionen, um deutschen Staatsangehörigen, auch in humanitären Fällen, eine Rückführung nach Deutschland zu ermöglichen."

Deutschland hat - wie zahlreiche andere EU-Partner - bisher keine abschließende Entscheidung getroffen, was mit den in die Tausende gehenden europäischen IS-Kämpfern und ihren Familien geschehen soll. Zumeist wird ihre Rückkehr aus Sicherheitsgründen abgelehnt. Russland, Albanien, Kosovo und andere Staaten haben sich entschieden, ihre Staatsbürger zurückzunehmen.

Darauf drängen auch die kurdische YPG und US-Präsident Donald Trump. Mit Hilfe des US-Militärs wurden Ende April 110 Kosovaren in ihre Heimat aufgeflogen, darunter 74 Kinder. Die schwedische Regierung ließ gerade erst sieben Waisenkinder abholen - und verwies auf ihre humanitäre Verpflichtung. Die Zahl der deutschen Kinder im ehemaligen IS-Gebiet wird auf 200 bis 300 geschätzt.

In der Bundesregierung wird erwartet, dass es zahlreiche weitere Klagen von Familien geben wird. Auch vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte klagen die Großeltern zweier Kinder aus Frankreich, die ebenfalls in al-Haul sitzen. Die Weigerung der französischen Regierung diese zurückzuholen sei ein Verstoß gegen die Europäische Konvention für Menschenrechte.

Irak will helfen - unter bestimmten Bedingungen

Der Irak hat der Bundesregierung - und zahlreichen anderen Staaten - inzwischen Hilfe bei der Lösung ihres Dschihadisten-Problems angeboten. Danach könnten zumindest ausländischen Kämpfer aus den syrischen Lagern in den Irak gebracht und dort vor Gericht gestellt werden.

Voraussetzung hierfür sei laut einer von der deutschen Botschaft in Bagdad nach Berlin übermittelten Liste von Forderungen der Iraker eine einmalige Zahlung von zehn Millionen Dollar für jeden Verdächtigen. Hinzu kämen 100 Millionen Dollar für den Bau eines Gefängnisses und eines Gerichtsgebäudes. Auch die laufenden Kosten für Richter, Wachen und medizinische Versorgung müssten in dem Fall die Deutschen begleichen.

Statt einer Zusicherung, dass sie auf die Verhängung und Vollstreckung der Todesstrafe verzichten werden, verlangen die Iraker, dass die Deutschen auf ihr Recht zur konsularischen Betreuung verzichten und ihr Land vor möglicher Kritik schützen. Im Fall einer "Intervention oder eines Einspruchs" müssten die Kämpfer sofort zurückgenommen werden.

In der Bundesregierung gelten die Forderungen als nicht akzeptabel. Schon der fehlende Verzicht auf die Verhängung der Todesstrafe mache dies "unmöglich", hieß es.

Der irakische Botschafter in Deutschland in Deutschland, Dhia Al-Dabbass erklärte gegenüber SZ, NDR und WDR, man müsse "der irakischen Justiz die Entscheidung überlassen." Alle europäischen Länder "befürchten die Gefahr, wenn diese Kämpfer zurück in ihre Heimatländer gehen," sagte der Botschafter. Deshalb glauben wir, dass die europäischen Länder positiv reagieren auf unsere Forderungen."

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