Recht:Protest mit dem ganzen Körper

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Beim Protest geht vieles - aber nicht alles.

Blockieren geht manchmal, Tanzen fast immer und Trommeln sowieso: Ein Überblick, wie Demonstrieren von Kopf bis Fuß funktioniert.

Von Benedict Witzenberger

Trillerpfeifen, laut gerufene Parolen, Protestlieder - so demonstrieren Menschen auf der ganzen Welt für ihre Anliegen, machen deutlich, was sie stört, fordern Veränderungen. Aber es ist nicht nur das. Protest drückt sich nicht nur in Sprache und Slogans aus. Er findet mit dem ganzen Körper statt - nicht immer legal.

Der Kopf

Eine Tiermaske ist okay, eine mit Trumps Gesicht auch. Eine Sturmhaube hingegen auf keinen Fall. Das Versammlungsgesetz schreibt vor, dass Demo-Teilnehmer sich so anziehen müssen, dass es möglich ist, sie zu identifizieren. Das gilt schon für den Weg zur Demo. Verkleidungen, die einen inhaltlichen Bezug zur Demo haben, sind aber erlaubt. So protestiert schon seit mehreren Jahren die "Heimliche aufständische Rebellen-Clownarmee" gegen Globalisierung, Militarismus und Krieg. Die Teilnehmer der Armee verkleiden sich als Clowns, teilweise haben sie auch schon Polizisten auf Demos mit Seifenlauge besprüht, aus der Seifenblasen gemacht werden. Inspiriert von der Spaßguerilla aus den 1960er-Jahren, die Politiker auch mal mit Torten bewarfen.

Die Augen

Eine Plastikfolie vor den Augen - so wollte sich eine Frau in Frankfurt bei den Occupy-Protesten vor dem Tränengas der Polizei schützen. Und wurde deswegen zu einer Geldstrafe verurteilt. Das Gericht hat die Plastikfolie als Schutzwaffe gewertet, mit der die Frau sich vor der Polizei schützen wollte - das ist nicht erlaubt. Genauso wie Angriffswaffen auf Demos, wie Messer und Pfeffersprays. Auch Fahnen können theoretisch von der Polizei beschlagnahmt werden, wenn sie wegen ihres Materials oder ihrer Länge als Waffen genutzt werden könnte.

Die Brust

Auf dem Petersplatz in Rom, auf der Berlinale oder bei einem Auftritt von Gesundheitsminister Jens Spahn. Femen-Aktivistinnen suchen sich für ihr Anliegen oft eine große Bühne. Sie protestieren "oben ohne" für feministische Themen: das Recht auf Abtreibung, gegen sexuelle Ausbeutung, gegen den Schönheitswahn, den manche Fernsehsendungen transportieren. Die Gruppe wurde 2008 in der Ukraine gegründet, seit 2012 gibt es sie auch in Deutschland. Inzwischen gibt es aber auch viel Kritik von anderen feministischen Aktivistinnen. Sie werfen Femen vor, dass ihre Aktionen vor allem der Öffentlichwirksamkeit dienten - sie aber keine inhaltliche Arbeit leisten würden.

Die Hände

Samba gegen die Regierungen: So wollte eine linke Gruppe 2010 in Freiburg gegen den deutsch-französischen Gipfel im Ort protestieren. Aber die Polizei beschlagnahmte die Trommeln. Zu Unrecht, wie das Verwaltungsgericht Freiburg zwei Jahre später urteilte. Auch Trommeln fallen grundsätzlich unter die Versammlungsfreiheit, solange ihr Lärm nicht die Gesundheit der Umstehenden gefährdet.

Der Po

Vor Kraftwerken, vor Kasernen, vor Neonazi-Aufmärschen: Sitzblockaden können die verschiedensten Anlässe haben, ihre Funktion bleibt gleich. Sie halten den Betrieb auf. Früher galt die Blockade vor Gericht deswegen als Gewaltanwendung. Erst 2011 entschied das Bundesverfassungsgericht, dass es auf den Zweck ankommt. Wenn die Blockade als Kommunikation einer politischen Botschaft verstanden werden kann, ist sie von der Meinungsfreiheit gedeckt. Grundrechte wie die Versammlungsfreiheit können nicht gegeneinander aufgerechnet werden, sondern müssen von der Polizei möglichst schonend ausgeglichen werden. Andere Demonstrationen werden dann möglicherweise umgeleitet. Etwas anderes ist es bei Blockaden, bei denen sich Menschen aneinander festketten. Dann können sich die Demonstrierenden wegen "grober Störung" strafbar machen.

Die Beine

"Keine Vergewaltigungen, kein Inzest, kein Missbrauch, Frauen sind kein Besitz", sangen mehrere Frauen in dem Lied "Break the Chain" aus dem Jahr 2012. Der Song begleitet seit 2013 die jährlichen "One Billion Rising"-Proteste am 14. Februar, die an die Milliarde Frauen weltweit erinnern sollen, die in ihrem Leben Opfer von Gewalt werden. Frauen auf der ganzen Welt protestieren, indem sie tanzen. Der offizielle Tanz zum Song erinnert ein bisschen an Step Aerobic. Immer wieder nutzen Menschen Tänze für ihren Protest. In China tanzten Bauarbeiter zum Beispiel den Gangnam Style vor einem Nachtclub, den sie gebaut hatten, um darauf aufmerksam zu machen, dass die Bauherren ihnen noch Löhne schuldeten. Eine Demo am Karfreitag gegen den stillen Feiertag hatte in diesem Jahr in Hannover sogar das Verwaltungsgericht beschäftigt, das verfügte: Die Demo muss ohne Musik, Trillerpfeifen und Lautsprecher auskommen.

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