Soziale Spaltung:Ein großes Versprechen, das fast zu spät kommt

In Eastern Germany, Small Towns And Rural Communities Remain Economically Challenged

Weißwasser - eine Kleinstadt in Sachsen.

(Foto: Getty Images)

Die Bundesregierung will sich gegen die soziale Spaltung im Land stemmen. Das ist richtig, kommt aber reichlich spät. Nun müssen den schönen Worten umso schneller Taten folgen.

Kommentar von Stefan Braun, Berlin

Endlich, muss man sagen, endlich kommt die angemessene Antwort. Endlich reagiert die Bundesregierung auf das, was jeder sehen kann, wenn er mit offenen Augen durch dieses Land fährt. Es gibt nicht nur wunderschöne Gegenden und auch nicht nur jene Regionen, in denen die Wirtschaft blüht und es den Menschen ziemlich gut geht. Es gibt daneben schon viel länger als sich das viele eingestehen wollen Stadtteile, Landstriche und Dörfer, in denen die Menschen sich abgehängt fühlen. Darauf zu reagieren ist überfällig.

Sicher, dieses Wort vom "abgehängt sein" ist bei den Kritikern des Staates längst zum Modewort geworden. Trotzdem hat es seine Berechtigung, wenn man sich ansieht, wie in manchen Landstrichen die Internetversorgung und das Mobilfunknetz, aber auch die schlechte Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr und die geringe Versorgung mit Dorfschulen, mit Polizeistationen, mit sozialen Einrichtungen kaum noch tragbar ist. In München, Stuttgart oder Hamburg ist das wenig zu spüren. Aber wer sich in die entlegenen Ecken Brandenburgs, Sachsens oder auch der Pfalz aufmacht, kann das sehr real studieren.

Aus diesem Grund ist es richtig und höchste Zeit, dass die Bundesregierung darauf eine Antwort gibt und diese mit einem Paradigmenwechsel verbindet. Es gibt Bereiche der Daseinsvorsorge, die kann man beim besten Willen nicht der Wirtschaft oder einzelnen, noch so großartigen Privatinitiativen überlassen. Wenn es um die Grundversorgung geht, muss die öffentliche Hand eine Grundverantwortung übernehmen. Ansonsten entstehen Lücken und Einsamkeiten, die sich tief ins Gedächtnis und Gefühl der Menschen eingraben.

Und so möchte man der Bundesregierung mit ihrem neuen "Plan für Deutschland" eigentlich nur zurufen, sie möge bitte ganz schnell loslegen. Loslegen mit Initiativen, die zum Beispiel bei der Reaktivierung von stillgelegten Bahnstrecken nicht mehr fragen, ob sich das wirtschaftlich rentiert, sondern alles unter die Überschrift stellen: Was können wir anstoßen, wenn wir das machen? Zu lange hat sich der Rentabilitätsgedanke über alles gelagert, sei es beim Bau von Schulen und Supermärkten, sei es bei der Entwicklung von Straße und Schiene oder auch beim Aufstellen von Mobilfunkmasten.

Richtig ist außerdem, dass die Bundesregierung nicht einfach Milliarden verspricht und ausschüttet. Sie will alle in der öffentlichen Hand anspornen, künftig nach Bedürftigkeit zu planen und also das Land als Ganzes zu verstehen. Geld, so heißt es, soll erst dann fließen, wenn es mit einer ganzheitlichen Idee für ein Dorf, eine Stadt, eine Region verknüpft ist. Das ist ein kluger Ansatz, insbesondere dann, wenn es um so viel geht.

Nur eines darf jetzt nicht passieren, sonst wird das große Versprechen, das die Bundesregierung abgegeben hat, nicht in eine Zukunft, sondern ins Desaster führen. Es dürfen keine leeren Worte sein; und also darf es niemals den Eindruck erwecken, man habe kluge Ideen formuliert, aber leider nicht das Geld, sie umzusetzen. Wenn Berlin jetzt andeutet, dass es die ärmsten Kommunen von ihren Altschulden befreien möchte, dann muss das schnell und ohne größere Debatten laufen. Nur dann werden die Menschen glauben, dass der "Plan für Deutschland" wirklich ernst gemeint ist.

Werden daran Zweifel möglich; ja, wird bei einer ersten Bilanz in einem Jahr deutlich, dass die Regierung nur gute Ideen, aber im Streit um dieses und jenes keine Umsetzungen bietet, dann werden diejenigen höchstgefährliche politische Munition erhalten, die man mit diesem Programm eigentlich überflüssig machen möchte. Gemeint sind diejenigen, die nur darauf warten, den Glauben an Demokratie und an die Lösungsfähigkeit von Politik zu untergraben.

Die Regierung hat ein mächtiges Versprechen abgegeben. Das kann funktionieren. Besser gesagt: Es muss jetzt gelingen. Tut es das nicht, dann könnte der Vertrauensverlust in Regierung und Koalition ins Bodenlose fallen. Das Versprechen bietet eine große Chance zum Besseren. Aber wenn man damit scheitert, sind die Folgen besonders verheerend.

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