Reisen in Europa:Die Bahn ist zu selten eine Alternative zum Flugzeug

Flughafen Düsseldorf

Unter sechs Stunden Reisezeit mit dem Zug? Das klappt nur bei einem Drittel der 150 wichtigsten Flugverbindungen in Europa.

(Foto: Kevin Kurek/dpa)

Die Umweltorganisation Greenpeace hat ausgerechnet, welche Flugverbindungen in Europa sich durch Züge ersetzen lassen. Das Ergebnis ist durchwachsen.

Von Max Hägler

Es ist eine Debatte, die inzwischen jeder kennt - bei Dienstreisen oder vor dem Urlaub: Muss es zwingend das Flugzeug sein, oder könnte man nicht auch die klimafreundlichere Eisenbahn nehmen? Auf der so beliebten Strecke Berlin-Frankfurt etwa ist ein Flugpassagier für 127 Kilogramm Treibhausgase verantwortlich, der Bahnfahrende verursacht hingegen nur knapp elf Kilogramm.

Im Wahlkampf brachte die Grünen-Kandidatin Annalena Baerbock angesichts dieser Unterschiede das Verbot von Kurzstrecken ins Gespräch. Doch bald verschwand diese Forderung wieder aus dem Grünen-Wahlkampf. Denn wer viel reist, weiß: Die Bahn ist manchmal eine gute Alternative - aber oft auch keine, noch keine. Die Umweltschutzorganisation Greenpeace hat das im Detail ausrechnen lassen: für jene 150 wichtigsten Strecken innerhalb der EU, die in ein bis zwei Stunden Flugzeit zu erreichen sind, die aber auch mit dem Zug möglich wären. Das Ergebnis: mitunter klappt das Bahnfahren gut, aber in etlichen Fällen würde ein generelles Kurzstrecken-Verbot das Reisen beinahe unmöglich machen.

Ein Drittel dieser Verbindungen ist in weniger als sechs Stunden per Bahn machbar - für Greenpeace ist das die akzeptable und wettbewerbsfähige Reisezeit, etwa Amsterdam-Paris (3:23 h), Paris-Frankfurt (3:50 h) oder Venedig-Neapel (5:10 h). Auf all diesen Strecken sollten Flüge verboten werden, fordert die Organisation. Zumal auch auf den 21 der 150 wichtigsten Reiseverbindungen, bei denen der Zug weniger als vier Stunden benötigt, wie etwa Madrid-Barcelona (2:30 h). Auf 23 Strecken, so zeigt es die Erhebung, wäre der Reisende hingegen mehr als 16 Stunden unterwegs.

Erschwert wird das landgestützte Reisen durch zunehmend schlechtere internationale Zugverbindungen, kritisiert Greenpeace nach Durchsicht aller Fahrpläne. Der Eurostar etwa hat seine Tunnelzüge zwischen Großbritannien und Frankreich deutlich reduziert. Und auf der Strecke Frankfurt-Lyon, einer wichtigen Verbindungsachse zwischen Deutschland und Frankreich, fährt nur ein Direktzug pro Tag - was beispielhaft zeigt: Passagiere, die vom Flugzeug auf die Bahn umsteigen, müssen allenthalben mit umständlichen Umstiegen rechnen. Immerhin gewinnen aber die Nachtzugverbindungen wieder an Attraktivität: Wien-Paris sowie Zürich-Amsterdam starten im Dezember.

Lufthansa hat zumindest die Strecke Nürnberg-München gestrichen

Deutschland trägt übrigens, so Greenpeace, die "größte Verantwortung" für den Flugverkehr in Europa: Ein Drittel der 150 meistgenutzten EU-Flugstrecken enden oder starten hierzulande. Und bei etlichen liege die Reisezeit bei Nutzung der Bahn unter sechs Stunden - im Beispiel Frankfurt-Berlin sind es 3 Stunden und 54 Minuten. Und zwar von Innenstadt zu Innenstadt, ohne Einchecken, ohne Warten am Gate und ohne S-Bahn-Anfahrt, wie sie beim Umweltschutzverband betonen. Das wiederum deckt sich mit der Haltung des bislang von Andreas Scheuer (CSU) geführten Bundesverkehrsministeriums: Dort will man Inlandsflüge nicht verbieten, aber durch bessere Verbindungen und finanzielle Anreize reduzieren. Tatsächlich sind die Investitionsmittel in die Schiene ab dem kommenden Jahr erstmals höher als jene in die Straße (9,3 Milliarden Euro zu 8,3 Milliarden Euro), und auch die Umsatzsteuer für Fahrkarten des Bahn-Fernverkehrs wurde auf sieben Prozent gesenkt, die Luftverkehrsteuer hingegen ein wenig angehoben.

Die Lufthansa hat in einem Fall übrigens bereits reagiert: Die innerbayerische Verbindung München-Nürnberg wurde in diesem Sommer gestrichen - aber die Alternative zeigt die Schwierigkeit deutlich: ein Expressbus fährt nun zwischen den beiden Flughäfen, weil am Münchner Airport weiterhin keine Schnellzüge halten, was die Fluggesellschaft andauernd kritisiert. Immerhin ist auch diese Alternative vergleichsweise umweltfreundlich: Ein Flugzeug im Inlandsbetrieb emittiert 214 Gramm klimaschädliche Treibhausgase pro Personenkilometer. Ein Pkw immerhin noch 154 Gramm - ein Fernverkehrszug oder ein Fernbus hingegen nur 29 Gramm.

Trotz dieser Unterschiede und der anhaltenden Debatten: Das Fliegen ist weniger für den Klimawandel verantwortlich, als manch einer womöglich annimmt. 3,5 Prozent trägt der globale Luftverkehr durch CO₂, Kondensstreifen oder Ruß zur Klimaerwärmung bei, soweit sie vom Menschen verursacht ist, das hat vor einem Jahr eine große internationale Studie unter Beteiligung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt gezeigt. Das Gewinnen von Strom und Wärme aus Kohle, Gas und Öl sowie das Verbrennen von Benzin und Diesel beim Autofahren sind weit gravierendere Faktoren.

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