Wer mit dem deutschen Föderalismus hadert, bekam mit der Rolle, die die Ministerpräsidentenkonferenz zuletzt in der Corona-Pandemie spielte, reiches Anschauungsmaterial: Selbst politische Laien sprachen schon routiniert von der "MPK". Da traten Machtverhältnisse zutage, die der Politikwissenschaftler Gerhard Lehmbruch in seinem maßgeblichen Werk "Parteienwettbewerb im Bundesstaat" von 1976 erklärt hat: Im System der Bundesrepublik ist ein "Strukturbruch" eingebaut, so Lehmbruch, nämlich zwischen dem Prinzip des demokratischen Wettbewerbs der Parteien und dem Zwang zu Kooperation und Kompromiss unter den verschiedenen Ebenen des Staates.
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Lehmbruch schrieb in einem späteren Aufsatz, "dieser deutsche Bundesstaat" sei "in einem bemerkenswert starken Maße reformresistent". Doch der Demokratieforscher, der zuerst in Tübingen und dann in Konstanz lehrte, betrachtete sein Lebensthema keineswegs nur als Quelle des politischen Frusts: Was Lehmbruch grundlegend als auch historisch bedingte "Verhandlungs-" oder auch "Konkordanzdemokratie" beschrieb, weist Abweichungen vom reinen Mehrheitsprinzip auf, die aber noch nicht als undemokratisch gelten müssen, sondern für Ausgleich und Stabilität sorgen können. Selbst die Interessenverbände hatten bei Lehmbruch als Teil der Willensbildung einen besseren Ruf als gemeinhin.
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An der Erziehung zu den Mühen der Demokratie, die Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg brauchte, hatte Gerhard Lehmbruch keinen geringen Anteil. Am 12. Juni ist er, wie nun bekannt wurde, im Alter von 94 Jahren in Tübingen gestorben.