Migration, Steuern, Gesundheitspolitik:Was heute im Bundestag beschlossen wurde

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Derzeit sitzen 736 Abgeordnete im Bundestag - damit ist das Parlament so groß wie noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik. (Foto: Kay Nietfeld/dpa)

Ausländer, die schon länger in Deutschland leben, sollen eine Perspektive bekommen. Außerdem gibt es Steueränderungen und mehr Geld für Kliniken. Eine Übersicht über die wichtigsten Vorhaben.

Von Carina Seeburg

Änderungen beim Aufenthaltsrecht, Hilfen für Kliniken, ein neues Kita-Qualitätsgesetz sowie eine ganze Reihe von neuen Regeln im Steuerrecht: Die Ampelkoalition hat an diesem Freitag zahlreiche Vorhaben durch den Bundestag gebracht. Ein Überblick über die Gesetze, die das Parlament verabschiedet hat.

Mehr Chancen für Zuwanderer

Chancen-Aufenthaltsrecht: Mit mehreren Gesetzesvorhaben will die Ampelkoalition die Migrationspolitik reformieren - auch, um fehlende Fachkräfte aus dem Ausland nach Deutschland zu holen. Zu dem Bündel an Maßnahmen gehört auch das sogenannte Chancen-Aufenthaltsrecht, das der Bundestag mit der Mehrheit von 371 Stimmen in namentlicher Abstimmung verabschiedet hat. Nach den Plänen der Bundesregierung soll das Gesetz gut integrierten Ausländern, die schon mehrere Jahre ohne gesicherten Status in Deutschland leben, eine Perspektive bieten. Wer zum Stichtag 31. Oktober 2022 fünf Jahre im Land lebt und nicht straffällig geworden ist, soll 18 Monate Zeit bekommen, um die Voraussetzungen für einen langfristigen Aufenthalt zu erfüllen - dazu gehören etwa Deutschkenntnisse und die Sicherung des eigenen Lebensunterhalts.

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Schnellere Asylverfahren: Das neue Aufenthaltsrecht ist nur ein Baustein des Vorhabens der Ampelkoalition, die deutsche Migrationspolitik zu reformieren. Ein zweites vom Bundestag beschlossenes Gesetz soll für zügigere und effizientere Asylverfahren sorgen. Es legt die maximale Dauer für ein Asylverfahren auf sechs Monate fest, erlaubt aber eine Verlängerung auf bis zu 18 Monate, wenn entsprechende Gründe vorliegen. Durch Änderungen im Asylverfahrensrecht soll es schnellere Gerichtsurteile geben.

Einwanderung von Fachkräften: Bereits am Mittwoch hat sich das Bundeskabinett auf ein Eckpunktepapier für das neue Fachkräftezuwanderungsgesetz geeinigt. Um mehr Arbeitskräfte nach Deutschland zu holen, will die Bundesregierung auch die Regeln für Einreise und Anerkennung von Berufsabschlüssen vereinfachen. Auswahlkriterien sollen etwa Berufserfahrung oder Deutschlandbezug sein.

Staatsbürgerschaft: Eine weitere Baustelle in der Migrationspolitik ist die Staatsbürgerschaft, die jedoch nicht Thema der heutigen Beschlüsse ist. Die Ampelparteien wollen laut ihrem Koalitionsvertrag ein "modernes Staatsangehörigkeitsrecht" schaffen, das die Möglichkeit zur Einbürgerung "in der Regel nach fünf Jahren" vorsieht - derzeit sind es acht. "Bei besonderen Integrationsleistungen" - etwa herausragenden Leistungen in Schule und Beruf oder besonders guten Sprachkenntnissen - könnten es sogar nur drei Jahre sein. Vorgesehen ist auch, dass in Deutschland geborene Kinder ausländischer Eltern automatisch Deutsche werden, wenn ein Elternteil bereits seit fünf Jahren "seinen rechtmäßigen gewöhnlichen Aufenthalt" in Deutschland hat. Wer Deutscher oder Deutsche werden will, soll zudem eine zweite Staatsbürgerschaft dafür nicht mehr aufgeben müssen.

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Steuerentlastungen und Übergewinnsteuer für Energieunternehmen

Mit dem Jahressteuergesetz 2022 hat der Bundestag am Nachmittag außerdem ein ganzes Sammelsurium von Steueränderungen beschlossen. Für das Jahressteuergesetz 2022 votierten in der finalen Beratung die Ampel-Fraktionen SPD, Grüne und FDP. Die Union stimmte dagegen. Die AfD und die Linke enthielten sich jeweils.

Das Paket birgt eine Reihe von Steuervorteilen etwa im Wohnungsbau, für Solarstromanlagen und für Arbeitnehmer in sich. Aber es enthält auch Änderungen, die auf Steuererhöhungen hinauslaufen - etwa mit einer erstmaligen Übergewinnsteuer für einige Energieunternehmen und dem Bewertungsgesetz, das Immobilien-Übertragungen verteuern könnte. In der Summe wird für Bund, Länder und Kommunen mit Steuermindereinnahmen von etwa 4,5 Milliarden Euro - bezogen auf ein Jahr - gerechnet. Die wichtigsten Steueränderungen:

  • Übergewinnsteuer: Unternehmen in der Erdöl-, Erdgas-, Kohle- und Raffineriewirtschaft sollen einen auf die Wirtschaftsjahre 2022 und 2023 befristeten Energiekrisenbeitrag leisten. Damit wird eine EU-Vorgabe umgesetzt. Gewinne, die im Vergleich zu den Vorjahren den Durchschnittsgewinn um 20 Prozent übersteigen, werden mit 33 Prozent besteuert. Die auf eine bis drei Milliarden Euro geschätzten Einnahmen sollen zur Finanzierung der Strompreisbremse für Verbraucher beitragen.
  • Entlastungen für Arbeitnehmer und Kapitaleinkünfte: Die Pauschale für das heimische Arbeitszimmer bei der Steuererklärung und die Homeoffice-Pauschale werden vom Jahr 2023 an in einer Tagespauschale von sechs Euro (bisher waren es fünf) zusammengeführt. Sie kann für 210 Tage geltend gemacht werden. Der Arbeitnehmer-Pauschbetrag bei den Werbungskosten wird auf 1230 Euro statt geplanter 1200 Euro erhöht. Der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende steigt von 4008 Euro auf 4260 Euro. Der Sparer-Pauschalbetrag für Zins- und Kapitaleinkünfte wird von 801 Euro auf 1000 Euro angehoben.
  • Solarstrom: Einnahmen aus kleinen Solarstromanlagen sind rückwirkend mit Jahresanfang 2022 steuerfrei. Von 2023 an entfällt für Kauf und Installation von Photovoltaik-Anlagen bis zu einer Leistung von 30 Kilowatt und Stromspeichern die Umsatzsteuer von 19 Prozent. Dies soll die Solarwende auf den Dächern von Privathäusern fördern.
  • Wohnungsbau: Im Mietwohnungsbau wird die Sonderabschreibung fortgeführt, sie wird zugleich aber an klimafreundliches Bauen gekoppelt. Für vier Jahre können jeweils fünf Prozent der Herstellungskosten steuerlich abgesetzt werden, wenn der sehr hohe Standard des Energieeffizienz-Hauses 40 eingehalten wird und die Baukosten nicht über 4800 Euro pro Quadratmeter liegen. Zudem wird ab Jahresanfang 2023 die lineare Abschreibung für Wohngebäude von zwei auf drei Prozent angehoben.
  • Altersvorsorge: Ab 2023 können Aufwendungen für die Altersvorsorge vollständig von der Steuer abgesetzt werden. Ursprünglich waren für 2023 noch 96 Prozent und 98 Prozent für 2024 vorgesehen.
  • Besteuerung von Energie-Entlastungen: Bei Privatpersonen mit höheren Einkommen wird ein Teil der Entlastungen durch die Soforthilfe im Dezember sowie die Gas- und Wärmepreisbremse wieder eingesammelt. Dies soll nur Steuerzahlende betreffen, die auch den Solidaritätszuschlag noch zahlen. Für sie erhöht sich das zu versteuernde Einkommen um die Entlastungen. Dies wird als sozialer Ausgleich gewertet, da höhere Einkommen auf die Entlastungen weniger angewiesen seien. Es wird mit Einnahmen von etwa 850 Millionen Euro gerechnet. Vorgesehen ist auch eine Steuerpflicht der Energiepreispauschale für Rentner und Pensionäre.
  • Bewertungsgesetz: Die Übertragung von Immobilienvermögen - etwa durch Schenkungen und Erbschaften - könnte teurer werden. Änderungen im Bewertungsgesetz können dazu führen, dass bei der Wertermittlung einer Immobilie der steuerliche Wert ab Jahresanfang 2023 höher angesetzt werden muss. Ziel ist eine verkehrswertnähere Bewertung. Im Ergebnis könnten Erbschaft-, Schenkung- und Grunderwerbsteuer höher ausfallen.

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Von Harald Freiberger

Ampelkoalition will Pflege­kräfte entlasten

Hohe Arbeitsbelastung und zu wenig Personal - der Berufsverband für Pflegeberufe berichtet von einer dramatischen Situation in der eigenen Branche. Das neue Gesetzespaket zu Krankenhäusern, das der Bundestag beschlossen hat, soll dem nun entgegenwirken. Es soll mehr Geld für Kinderkliniken und Entlastungen bei dringend benötigten Pflegekräften bringen. Die Neuregelungen zielen unter anderem darauf, Arbeitsbedingungen der oft stark belasteten Pflegekräfte zu verbessern. Dafür soll ein neues Instrument der Personalbemessung kommen - ausgehend von errechneten Idealbesetzungen für die Stationen. Zudem sollen bestimmte Klinikuntersuchungen künftig als Tagesbehandlung ohne Übernachtung möglich sein. Auch das soll mehr Kapazitäten beim Pflegepersonal schaffen.

Zuletzt war das Problem des fehlenden Personals auch anhand der Situation in Kinderkliniken deutlich geworden, die aktuell große Schwierigkeiten haben, alle schwerstkranken kleinen Patienten zu versorgen. Einer Umfrage des Verbands Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) zufolge gibt es in deutschen Kinderkliniken aktuell kaum noch freie Betten. Das neue Gesetz soll solchen Engpässen entgegenwirken. Von 2025 an soll die Personalbemessung dann verbindlich sein und sanktioniert werden können.

Der Gesetzentwurf enthält zudem auch einige neue Regelungen zur finanziellen Stärkung der Pädiatrie und der Geburtshilfe. So soll es für Kinderkliniken 2023 und 2024 jeweils 300 Millionen Euro zusätzlich geben und zur Sicherung von Geburtshilfestandorten jeweils 120 Millionen Euro mehr. Zudem soll der Personalaufwand für Hebammen im Krankenhaus ab 2025 vollständig im Pflegebudget berücksichtigt werden.

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Kita-Qualitätsgesetz soll Fachkräftemangel in Kindergärten entgegenwirken

Die Qualität von Kitas soll besser werden. Der Bundestag hat dazu ein Gesetz verabschiedet, das entsprechende Maßnahmen wie etwa kleinere Gruppen sicherstellen soll. Mit dem Gesetz will die Bundesregierung das bisherige sogenannte Gute-Kita-Gesetz weiterentwickeln und einen stärkeren Fokus auf die Qualität der Kindertagesbetreuung legen. Dafür stellt der Bund den Ländern in den kommenden zwei Jahren fast vier Milliarden Euro zur Verfügung. Zudem soll die Bundesagentur für Arbeit künftig drei statt zwei Jahre Umschulungen finanzieren - bei einer Ausbildungsdauer von insgesamt fünf Jahren im Erzieherberuf.

Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) rechnet damit, dass sich der Fachkräftemangel in Kindergärten und -tagesstätten durch das neue Gesetz lindern lässt. Sie sei optimistisch, zusätzliches Personal für die Betreuungseinrichtungen zu gewinnen, sagte Paus im Deutschlandfunk. Die Bertelsmann-Stiftung hatte im Oktober eine Prognose veröffentlicht, der zufolge im kommenden Jahr in Deutschland rund 384 000 Kita-Plätze fehlen. Im Bundesrat hatte es zuvor großen Widerspruch gegen Teile des Gesetzes gegeben. Die Länderkammer muss dem Vorhaben zustimmen - sonst kann es nicht in Kraft treten.

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