BB wird 70:Ein nationales Ereignis

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Brigitte Bardot hat die Grenzen gesprengt, das Unmögliche möglich gemacht - das Vivre sa vie zum dominanten Prinzip erklärt und einige Tabus dabei verletzt.

Eine reizende Anarchie wurde ihr immer wieder attestiert, eine animalische Ungebundenheit in einer Welt, die ihren Stars ihr Gebaren gewöhnlich ganz rigoros vorschreibt.

"Sie nahm sich die natürlichen Rechte ihrer Schönheit heraus, ihrer Natur, und verweigerte sich den falschen Pflichten mit der schönen Energie einer Leopardin ... Selbst für diese verrottete und faszinierte Gesellschaft weigerte sie sich, das lächerliche und barocke Spiel von Pflichten und Rechten zu spielen. Sich irgendein Maß anzulegen. Sie war konsequent anarchisch."

So schrieb Françoise Sagan, 1975, im Rückblick auf das, was sich in den Fünfzigern in Frankreich ereignet hatte. Bardot und Sagan hatten, jede für sich, die Grenzen gesprengt, das Unmögliche möglich gemacht - das Vivre sa vie zum dominanten Prinzip erklärt und einige Tabus dabei verletzt.

Als könnte die Welt erneut ein Paradies der Freiheit sein, der Rücksichtslosigkeit, der Renitenz. Existentialismus wurde in diesen Sommern endlich zur Lebenskunst, und auch eine Liebe zum Cabrio verband die beiden, Sagan mit ihrem Jaguar, Bardot, die in "Le Mépris" zu Jack Palance in seinen leidenschaftlich roten Alfa Romeo steigt ...

Et dieu créa la femme

Man muss alle Phasen dieser Karriere, auch die schlimmsten Auswüchse - wenn Bardot heute sich lächerlich macht in ihren naturschützerischen, nationalistischen Tiraden - auf diesen Moment damals beziehen ... Et dieu créa la femme.

"Und immer lockt das Weib" hieß bei uns der Film, und das verkennt, um was es dabei ging, beim Mythos Bardot. "Sie sollte über alle Grenzen hinweg der Welt einen Vorgeschmack von einer neuen Moral geben", schrieb ihr Regisseur, ihr Mann Roger Vadim: "Sie verhöhnte auf ihre unnachahmliche schamfreie Art die Zehn Gebote, indem sie zeigte, dass Sex keine Sünde mehr ist. Da war nichts Diabolisches um diese Explosion heidnischer Aufrichtigkeit ..."

In den Großstädten der USA hat Vadims Film 1957 den guten alten DeMille mit seinem "Zehn Gebote" im Einspiel übertrumpft.

Bardot war ein nationales Ereignis, aber sie war kein Unikat, ihre Explosion wurde vorbereitet durch die Sommer mit Monika, Ava oder Sarita.

Es kulminierte früh in "Le Mépris", dem Meisterstück des guten alten Godard. Bardot war da schon unterwegs in ein neues Paradies, eine Endlosschleife aus Treppen und Sonne, unter Hölderlinschem Himmel.

Sie ist völlig aufgegangen in dieser Welt, schon deshalb kann sie uns heute nicht mehr verständlich sein. Ich glaube an vollkommene Natürlichkeit, schrieb Sagan - natürlich sein in Großzügigkeit und Egoismus, Wildheit und Zuneigung, im Fordern wie in der Zärtlichkeit.

© SZ vom 28.9.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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