Konzertkritik "Velvet Revolver":Ganz die Roses

Die Ex-Ex-Ex-Bandmitglieder von Guns N'Roses rocken die Elserhalle und wecken Erinnerungen an alte Zeiten.

Von Jochen Temsch

Der kondensierte Schweiß rinnt die Wände der gestopft vollen Elserhalle herunter, alle Hände sind oben, Bierbecher fliegen, und im Stroboskopgewitter stehen fünf halbnackte, tätowierte Gestalten, die das Posenhandbuch der Rock-Rampensau vor und zurück inszenieren:

Dave Kushner hält seine Gitarre wie Ali vom Bau die Rüttelmaschine, Duff McKagan fasst den Bass auf Schritthöhe, Drummer Matt Sorum drischt auf einen Gong. Der Röntgenbild-dünne Sänger Scott Weiland stakst mit Militärmütze und Megaphon auf den Monitorboxen herum, räkelt sich mit tuntiger Grandezza wie Queens Freddie Mercury selig.

Und Saul Hudson alias Slash bekommt Szenenapplaus, als er sich seinen alten Zylinderhut auf die Wischmop-Frisur setzt und irgendwo darunter eine Kippe reinsteckt.

Ochsentour aus Heroinloch und Whiskeynacht

Axl Rose kann sich ärgern. Während der Ober-Psycho der größten Rock'n'Roll-Band der späten Achtziger Guns N'Roses seit Jahren vergeblich an einem neuen Album schraubt, gehen seine Ex-Weggefährten Slash, McKagan und Sorum zusammen mit Ex-Stone Temple Pilot Weiland und Ex-Suicidal-Tendencies-Mann Kushner als Velvet Revolver auf Ochsentour aus Heroinloch und Whiskeynacht zurück ins Scheinwerferlicht.

Und dieses Unternehmen fängt schon mal gut an. Die Ex-Ex-Ex-Bandmitglieder bilden kein abgehalftertes Allstar-Projekt, sie klingen überraschend frisch. Ihr Album "Contraband" ist eine harte Rock-Scheibe - alte Schule, aber nicht altbacken; klassisch, aber nicht im modischen Retro-Stil; ein bisschen wie Guns N'Roses, aber kein Abklatsch.

Live bringen Velvet Revolver ihr Programm in 80 konzentrierten Minuten ohne große Ansagen rüber. Zu besichtigen ist ein diszipliniert aufeinander eingespielter Trupp Handwerker. Sogar Slash fügt sich, spielt nicht die Diva, zitiert seine eigenen legendären Soli im Vergleich zur Platte eher selten.

Bei den alten Stücken fehlt Axl Rose

Guns N'Roses-Songs sind unspektakulär, wie beiläufig ins Repertoire gestreut. Allerdings wird bei einem "Mr. Brownstone" oder "Used To Love Her" besonders deutlich, wie wenig Kraft Weilands Stimme hat.

Vor der starken Rhythmusgruppe aus Bass und Schlagzeug geht er fast unter, und bei den alten Stücken fehlt einfach Axl Rose, der zwar mehr krächzte als sang, aber immerhin unverwechselbar war.

Dafür leistet sich Weiland den vorläufig coolsten Stagedive des Jahres - ohne Vorwarnung, aus der Hüfte heraus ins Publikum. Vorher ruft er noch: "Das ist eine Rock'n'Roll-Show!" Das kann man so einfach sagen.

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