Steinbrücks Buchvorstellung:"Da kann man auch verhungern"

Ex-Finanzminister Steinbrück warnt die Genossen vor zu viel Nähe zu den Gewerkschaften. Sich in deren "warme Arme" zu werfen, hält er für gefährlich.

Susanne Höll

Der frühere Bundesfinanzminister und ehemalige stellvertretende SPD-Vorsitzende Peer Steinbrück hat seine Partei vor allzu großer Nähe zu den Gewerkschaften gewarnt und sie zu mehr Reformfreude aufgerufen. Sozialdemokraten müssten sich nicht von den Gewerkschaften distanzieren, sagte Steinbrück bei der Vorstellung seines neuen Buches "Unter'm Strich" am Donnerstag in Hamburg. "Aber sie sollte die eine oder andere divergente Position vertreten." Offenkundig auch mit Blick auf die Entscheidung der SPD für eine Aussetzung der Rente mit 67 sagte Steinbrück, es könne für seine Partei gefährlich sein, sich in die "warmen Arme der Gewerkschaften" zu werfen: "Da kann man auch verhungern", setze er hinzu.

Buchvorstellung Steinbrück

Zeigt sich von den jüngsten politischen Beschlüssen seiner Partei wenig begeistert: Peer Steinbrück bei der Vorstellung seines Buches in Hamburg.

(Foto: dpa)

Der 63-Jährige, der auf dem Bundesparteitag der SPD am übernächsten Sonntag in Berlin sprechen soll, kritisierte abermals die Teilabkehr der SPD von der längeren Lebensarbeitszeit, die die SPD zusammen mit der Union in der großen Koalition beschlossen hatte. Parteichef Sigmar Gabriel habe zwar recht, dass es immer noch nicht genügend Arbeitsplätze für Ältere gebe, sagte Steinbrück. Die Aussetzung, die die SPD für den Fall ihrer Rückkehr an die Regierung beschlossen habe, sei aber die falsche Antwort. Sie laufe Gefahr, ihre Entscheidung aus demographischen und finanziellen Gründen einige Jahre später revidieren zu müssen und werde dann womöglich auf noch größere gesellschaftliche Widerstände stoßen.

Von den jüngsten politischen Beschlüssen seiner Partei zeigte sich Steinbrück nicht begeistert: "Die SPD hat in den letzten zwei Monaten im wesentlichen Rentner und Transferempfänger angesprochen." Steinbrück, der in seinem Buch weiteren politischen und ökonomischen Umbau zum Erhalt des Sozialstaats anmahnt, zeigte sich auch skeptisch über die Reformfähigkeit der SPD. In seiner Partei gebe es Tendenzen, hinter den Entwicklungen herzulaufen und dann unter Druck Entscheidungen zu fällen, die vorher nicht erklärt worden seien und von den Bürgern nicht verstanden würden. "Das war der Geburtsfehler der Agenda 2010", sagte Steinbrück. Ähnliche Kritik hatte er auch schon in der Regierungszeit der SPD geübt und war deshalb parteiintern heftig gerügt worden. In seinem Buch, in dem er auch die schwere Finanzkrise der Jahre 2008 und 2009 beschreibt, nennt Steinbrück die SPD eine "verspätete Partei".

Seine berufliche Zukunft ließ Steinbrück bei der Buchvorstellung offen. Er wolle sich noch nicht festlegen, ob und was er neben seiner Arbeit als Bundestagsabgeordneter und seinen Tätigkeit in zwei Stiftungen und im Aufsichtsrat eines Unternehmens noch zu tun gedenkt. Auf Fragen nach einer Kanzlerkandidatur verweigerte er die Antwort mit dem Argument, es sei unsinnig, drei Jahre vor einer Bundestagswahl überhaupt solche Personalspekulationen zu betreiben.

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