Edle Biersorten:Karamellig im Abgang

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Von wegen Durstlöscher des Kleinen Mannes: Mit Edelsorten für mehr als 50 Euro pro Flasche versuchen Brauereien, Bier als Gourmetgetränk zu etablieren.

Franz Kotteder

Wenn Getränke Menschen wären, dann wäre der Champagner selbstverständlich König, darunter folgten hoher und niedriger Adel in Form von Wein aus den besten Anbaugebieten bis hin zum Discounter-Verschnitt, dann der eher einfache Landadel und der Beamtenstand, also vielleicht die diversen Spirituosen, und schließlich die Biere als Tagelöhner oder einfache Arbeiter. Bier gilt nicht viel auf der Getränkekarte der Gourmets, normalerweise wird es in Spitzenrestaurants gerade mal geduldet - als schneller Durstlöscher vor dem Einstieg ins eigentliche Mahl.

Bier als des kleinen Mannes Durstlöscher, der einen Rausch verursacht? Mit diesem Image möchten die neuen Edelbiere nichts zu tun haben. Sie schmecken zu Austern oder zu Wild und kosten bis zu 270 Euro pro Flasche (Foto: N/A)

Das wird wohl nicht so bleiben. Denn in jüngster Zeit drängen eine ganze Reihe neuer Biersorten auf den kleinen, exklusiven Markt für gehobene Ansprüche und ebensolche Geldbeutel. Der dänische Braukonzern Carlsberg etwa protzt ganz unumwunden damit, "das teuerste Bier der Welt" anzubieten: Umgerechnert fast 270 Euro kostet eine Flasche Jacobsen Vintage No.2 zu 0,375 Liter, und damit sie das dem Feinschmecker auch wert ist, bemühen die Dänen allerlei Sommelier-Poesie: Einen Mix aus "Vanille, Karamell, rauchiger Eiche, Sherry und Madeira" schmecke man heraus, heißt es, das aber jährlich nur in 600 Flaschen. Die australischen Kollegen von Foster's wollen da nicht nachstehen, sie haben das "Crown Ambassador Reserve Lager" im Angebot, limitiert auf 5000 Stück zu jeweils immerhin 50 Euro pro Flasche.

Man kann sich nun gut vorstellen, dass es sich dabei nicht um das übliche, "gepflegte Pils" handelt, das in Deutschland normalerweise so auf den Tresen des Hauses kommt. Die neuen Edelbiere werden in der Regel in Champagnerflaschen abgefüllt, was schon deshalb nötig ist, weil viele von ihnen einen erheblich längeren Gärvorgang benötigen als herkömmliche Biere und meist auch noch, ähnlich wie Schaumweine, in der Flasche nachreifen. Und an den typischen, gewohnten Biergeschmack sollte man auch nicht denken, wenn es um Luxusbiere geht. In der Premium-Preisklasse erinnert der Geschmack öfter mal an feine Liköre, die Biere sind kräftiger, auch was den Alkoholgehalt angeht - weshalb sie in Spitzenrestaurants, wenn schon, dann gerne als Aperitif oder Digestif in speziellen Gläsern kredenzt werden, die entfernt an Cognacschwenker erinnern.

"Die Form des Glases spielt eine wichtige Rolle", sagt auch Rüdiger Meyer, der als Sommelier das Brauhaus Fürst Wallerstein im bayerischen Schwaben berät: "Diese Art des Bieres muss atmen können, damit man das volle Aroma erhält." Fürst Wallerstein braut das teuerste Bier Deutschlands, was die kleine, mittelständische Brauerei so natürlich nie aussprechen würde. Zwischen 70 und 100 Euro kostet die Flasche "1598 Edition Privée" in Restaurants wie Boettner oder Dallmayr in München, dem Berliner Hotel Adlon oder der Sansibar auf Sylt. Normalerweise beliefert das Brauhaus seine heimische Kundschaft im Nördlinger Ries, aber 2005 beschloss Erbprinz Carl-Eugen zu Oettingen-Wallerstein, seine Braumeister sollten einmal zeigen, was sie so alles draufhaben, und einen speziellen Haustrunk kreieren. Und so werden mittlerweiel jedes Jahr um die 4000 Liter des Edelbieres gebraut. 1598 heißt es, weil dem Geschlecht Oettingen-Wallerstein damals das Braurecht verliehen wurde.

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Jedes Jahr Ende Juli wird der erste Sud in Anwesenheit des Erbprinzen "eingefertigt", wie das in der Sprache der Brauer heißt. Man tritt dem Prinzen sicher nicht zu nahe, wenn man davon ausgeht, dass seine Gegenwart nicht entscheidend ist für die Qualität des Gebräus, aber Rituale müssen eben sein. Ausschlaggebend sind wohl eher die besondere Mischung aus Gersten- und Weizenmalz, die für das fürstliche Edelbier verwendet wird, verschiedenen Aromahopfensorten sowie die spezielle Hefe, die sonst nur in Weinkellereien zum Einsatz kommt. Und dann natürlich das Handwerk. Braumeister Volker Röthinger legt großen Wert auf die Feinheiten, die sein Produkt von den "Fernsehbieren", wie er die Massenware abfällig nennt, unterscheidet: "Das fängt schon damit an, dass wir den Sud länger kochen und später viel länger lagern können als die Großbetriebe." Im Wallersteinschen Zweikessel-Sudhaus aus den sechziger Jahren geht alles noch etwas langsamer, was sich auch auf den Geschmack auswirkt: "Der ist dann natürlich nicht so neutral wie bei den Fernsehbieren. Da nähert sich der Geschmack ja immer mehr an."

Im Fall der 1598 Edition Privée mit ihrem hohen Stammwürzegehalt von 23 Prozent kommt noch hinzu, dass das Bier nicht nur einmal, wie sonst üblich, sondern gleich dreimal gärt und drei Monate gelagert wird. Erst dann kann abgefüllt werden, wofür Röthinger allerdings extra nach Neustadt an der Weinstraße fahren muss - zu einer Abfüllerei, die eigentlich auf Wein spezialisiert ist.

Als Ergebnis bekommt man dann ein recht ungewöhnliches Bier mit einem relativ hohen Alkoholgehalt von neun Prozent. Sommelier Rüdiger Meyer sagt: "Da sind auch Weinkenner überrascht und begeistert, nach anfänglicher Skepsis - denn das ist ja auch nicht einfach Bier." Sondern ein richtiger Aperitif, der gut zu Wild, Geräuchertem und Vorspeisen passt.

Dass für so etwas noch Platz ist auf dem Luxusmarkt, hat auch die neu gegründete Frankfurter Firma "Braufactum" erkannt - sie versteht sich, vornehm wie man ist, als "Intendanz" für 32 internationale Edelbiersorten, darunter acht deutsche von kleinen Brauereien. Etwas ordinärer ausgedrückt, ist "Braufactum" eine Vertriebsorganisation, die vom belgischen Lambic-Bier (bekannt für die sogenannte Spontangärung mit Hefepilzen aus der Luft) bis hin zum amerikanischen "East India Pale Ale" aus Brooklyn allerlei Spezialitäten zu Preisen zwischen 2,99 und 29,99 Euro pro Flasche im Sortiment hat, darunter auch Sorten, die neun Monate in Whiskyfässern reifen oder mit Himbeeren oder Sauerkirschen nachvergären. Man könnte meinen, die Kollektion sei doch eher was für Snobs. Aber an dem Start-up-Unternehmen "Braufactum" ist immerhin der große "Fernsehbier"-Konzern Radeberger maßgeblich beteiligt.

Auch das deutet darauf hin, dass auch die Großen der Branche wegwollen vom prolligen Bölkstoff-Image. Wenn Getränke Menschen wären, wäre Bier der nächste Emporkömmling.

© SZ vom 17.09.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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