Siemens verlängert Beschäftigungspakt:Pakt mit dem Ungewissen

Die Siemens-Mitarbeiter dürfen sich freuen: Ihr Konzern hat mit der Verlängerung des Beschäftigungspaktes Kündigungen bis 2013 praktisch ausgeschlossen. Doch nicht immer waren solche Abmachungen so stabil wie sie klingen.

Johannes Aumüller

Der Begriff Beschäftigungspakt ist sperrig, klingt aber auch vielversprechend. Die Arbeitnehmer verzichten auf Lohnerhöhungen, Einmalzahlungen oder irgendeine andere Forderung - und die Konzerne versichern im Gegenzug, bis zu einem bestimmten Termin auf betriebsbedingte Kündigungen ohne Zustimmung des Betriebsrates zu verzichten.

Siemens

Die Siemens-Mitarbeiter freuen sich über die Verlängerung des Beschäftigungspaktes.

(Foto: dpa)

Eine befristete Jobgarantie, eine zumindest mittelfristige Planungssicherheit - dafür akzeptieren viele Arbeitnehmer sogar, dass ihre Gehälter kaum oder gar nicht steigen. Entsprechend begrüßten auch die IG Metall und die Belegschaft die Verlängerung der seit 2008 gültigen Standort- und Beschäftigungssicherung für die 128.000 Siemens-Mitarbeiter in Deutschland. Zwar ist er nicht "unbefristet", wie das Unternehmen erklärte, sondern kann ab 2013 mit einer Frist von drei Monaten gekündigt werden - aber immerhin.

Diese Abmachung passt in den Trend. In den vergangenen Jahren stieg die Zahl der Beschäftigungspakte enorm auf etwa 600 bis 1000 und quer durch alle Branchen - unter anderem bei allen großen Autobauern. Das geschah nicht zur Freude der radikaleren unter den Gewerkschaftsvertretern, die in solchen Schritten eine Aufweichung des Flächentarifvertrags und eine Bedrohung der gewerkschaftlichen Front sehen.

Oftmals erweisen sich die Beschäftigungspakte auch tatsächlich als das erwünschte arbeitsplatzsichernde Instrument. Aber nicht immer sind sie so stabil, wie sie bei der Unterzeichnung klingen.

Beispiel Heidelberger Druck: Bei dem Druckmaschinenhersteller hatten die Unternehmensführung und die Arbeitnehmervertreter einen Beschäftigungssicherungsvertrag bis 2012 abgeschlossen, doch im April 2009 galt diese Abmachung nichts mehr. Aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung kündigte die Firma die Vereinbarung zum 30. Juni 2009 auf. "Ich finde es fast abstoßend, wenn Arbeitgeber wie Heidelberger Druck solche Verträge einseitig aufkündigen", sagte IG-Metall-Vize Detlef Wetzel damals.

Beispiel Daimler: Im Jahr 2005 hatte der Betriebsrat einem Beschäftigungspakt bis 2012 zugestimmt. Doch als im vergangenen Frühjahr die Wirtschaftskrise auch den Automobilkonzern erfasste, war der Pakt plötzlich nicht mehr sakrosankt. Konzernchef Dieter Zetsche verhandelte mit dem Betriebsrat über massive Kosteneinsparungen, es ging ums Urlaubs- und Weihnachtsgeld, um Arbeitszeiten ohne Lohnausgleich und eine Verschiebung der geplanten Tariferhöhung. Und im äußersten Fall, so sagte Zetsche, seien selbst Kündigungen nicht mehr auszuschließen und versetzte mit diesem Schritt die Arbeitnehmervertreter in ein Dilemma: Entweder die Belegschaft trägt die Einsparungen mit oder der Kündigungsschutz fällt. Manche Beobachter sprachen damals von "Erpressung".

Beispiel Bahn: Als Anfang 2008 der Bahnchef noch Helmut Mehdorn hieß, der sich mit der Lokführer-Gewerkschaft GDL auf einen neuen Tarifvertrag geeinigt hatte und nun neue Kosten im Raum standen, fand Mehdorn neben höheren Fahrpreisen noch einen weiteren Punkt, mit dem sich Kosten einsparen ließen: der noch bis 2010 geltende Beschäftigungspakt. Der sei "so nicht mehr existent", erklärte der Bahnchef. In einem Brief an die Belegschaft schrieb Mehdorn, der Konzern müsse für das Personal in den nächsten fünf Jahren 1,6 Milliarden Euro mehr aufwenden als bis dahin kalkuliert, die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens habe einen "schweren Dämpfer" erhalten. Die Gewerkschaften zeigten sich verwundert, kurze Zeit später war die Drohung zwar vom Tisch, doch das Ansinnen zeigte, wie einfach sich manche Konzernlenker an vermeintlich stabilen Beschäftigungspakten zu schaffen machen.

Auch bei Siemens sind ja einige Hintertürchen eingebaut, wie zum Beispiel das Aufkündigungsrecht ab 2013. Aber das änderte nichts daran, dass die Arbeitnehmervertreter die Verlängerung des Beschäftigungspaktes rundweg begrüßten.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: