Wie die Zeit vergeht:Höhe macht alt

Wer weiter oben im Hochaus arbeitet, altert schneller, und Autofahrer bleiben jünger als Fußgänger: Mit zwei der genausten Uhren der Welt haben US-Physiker die Einstein'sche Zeitverschiebung bestätigt.

Christopher Schrader

Albert Einsteins Relativitätstheorie gilt als Gedankenkonstrukt fern der Wirklichkeit. Die Effekte zeigten sich nur bei hohen Geschwindigkeiten irgendwo im Weltraum, heißt es oft.

Die Zeit vergeht nicht überall gleich schnell. (Foto: Loel Barr, NIST)

Tatsächlich aber lassen sich die Vorhersagen der Theorie auch in normalen Gebäuden auf der Erde überprüfen, sofern man geeignete Uhren hat. Forscher am amerikanischen Eichinstitut NIST in Boulder, Colorado, haben gleich zwei der genausten Uhren der Welt, in denen jeweils ein oszillierendes Aluminium-Atom schwingt. Sie verlieren höchstens eine Sekunde in 3,7 beziehungsweise 1,4 Milliarden Jahren.

Damit haben die Physiker nachgewiesen, dass auf einer Treppe derjenige schneller altert, der zwei Stufen höher steht. Und ein Autofahrer im Stadtverkehr bleibt jünger als der Fußgänger ( Science, Bd.329, S.1630, 2010).

Die Uhren waren über einen Lichtleiter gekoppelt, so konnten die Physiker das Ticken vergleichen. Als sie den Tisch mit der einen Uhr 33 Zentimeter höher kurbelten, tickte sie merkbar schneller.

Und als sie eines der Atome mit einem elektrischen Feld bewegten, und zwar mit 36 Kilometern pro Stunde, ging diese Uhr etwas langsamer. An einem Menschenleben gemessen sind die Zeitdifferenzen freilich unerheblich.

Der Autofahrer müsste 57 Millionen Jahre geradeaus fahren, um eine Sekunde jünger zu sein als der Fußgänger.

Wer 80 Jahre in Hamburg statt in München lebt, hat am Ende eine Sechstausendstel Sekunde gewonnen.

Und die Chefs zehn Stockwerke über dem eigenen Büro altern in fünf Jahren des gemeinsamen Berufslebens eine Fünfmillionstel Sekunde schneller.

© SZ vom 24.09.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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