Im Kino: Guru:Der Preis der Hingabe

Junge, oft nackte Menschen, die ekstatisch schreien oder sich auf den Boden werfen, ein Zausel mit Binsenweisheiten und knapp hundert Rolls Royce: Eine Dokumentation will die Bhagwan-Sekte erklären.

Martina Knoben

Am Ende ist es der Wizard of Oz, der zitiert wird, der von sich selbst behauptet, "ein guter Mensch, aber ein schlechter Zauberer" zu sein. Ist das der Schlüssel zum Verständnis Bhagwans?

Guru - Bhagwan Film

Bhagwan galt einmal als Sex-Guru, in den siebziger Jahren waren Tausende Blumenkinder dem "Göttlichen" ins indische Poona gefolgt, auf der Suche nach Erleuchtung und freier Liebe.

(Foto: Pandora)

In den siebziger Jahren waren Tausende Blumenkinder dem "Göttlichen" ins indische Poona gefolgt, auf der Suche nach Erleuchtung und freier Liebe. "Guru" zeigt recht spektakuläre Aufnahmen von jungen, schlanken, oft nackten Menschen, die ekstatisch schreien oder sich auf den Boden werfen; Bhagwan galt damals als Sex-Guru. Dann ließ er in den USA Rajneeshpuram errichten und seine Stadt einzäunen und bewachen wie die DDR - was zahllose Europäer nicht davon abhielt, in der Bewegung weiterhin den Inbegriff alternativen, "bewussteren" Lebens zu sehen. Dabei war das Klima in Rajneeshpuram autoritär; Sektenmitglieder wurden bespitzelt, man bewaffnete sich zum Schutz vor den amerikanischen Nachbarn, sogar Mordversuche an Sektengegner hat es gegeben.

Wann begann die Sache schiefzulaufen? Das ist die zentrale Frage für die Schweizer Regisseurin Sabine Gisiger, die "Gambit" über die Chemie-Katastrophe von Seveso gedreht hat, und "Do It" über den Wahrsager und Terroristen Daniele von Arb. Mit ihrem Co-Regisseur Beat Häner hat sie zwei Kronzeugen gefunden: Sheela Birnstiel, die langjährige Sekretärin Bhagwans, und Hugh Milne, der fast ebenso lang Chef-Leibwächter des Sektenführers war. Näher kann man dem Rätsel Bhagwan eigentlich nicht kommen. Oder doch?

Die Faszination des Zausels mit den Binsenweisheiten und den knapp hundert Rolls Royce können die Regisseure nicht klären, die spirituelle Mitte des Films bleibt bezeichnenderweise leer. Umso deutlicher wird, wie aus der Hippie-Kommune in Poona eine autoritäre Festung werden konnte - schon in früheren Filmen hatte sich Gisiger für das totalitäre Erbe interessiert, das die vermeintlich liberale Generation der 68er in sich trägt. Hugh Milne - der am Ende auch den Wizard of Oz bemüht - wandte sich von Bhagwan ab, als ihm der Lachgas- und Valiumkonsum des Meisters und die Bevormundung in Oregon zu viel wurden. Aber er bekommt heute noch leuchtende Augen, wenn er von ihm spricht.

Es sind Liebesgeschichten, die er und Sheela erzählen - sind Liebe und Hingabe nicht eigentlich unschuldige, "gute" Gefühle? "Guru" zeigt auch die andere Seite der Medaille, Sheela etwa hätte vor lauter Hingabe vielleicht sogar getötet. Sie war es, die in Oregon die Geschäfte führte und dort die Schreckensherrschaft installierte. Für ihre Verbrechen wurde sie in den USA zu dreieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt.

In Julia Roberts aktuellem Film "Eat Pray Love" ist die Wellness-Variante von Sinnsuche zu sehen - "Guru" zeigt die Ursprünge der Bewegung und den Preis der totalen Hingabe. "Der Göttliche" hat seinen Jüngern neue Kleidung, einen neuen Job, einen neuen Namen, eine neue Identität gegeben. Ganz so, wie es andere Orden tun, aber auch clevere Marketingstrategen. Bhagwan, dieser Aspekt kommt im Film zu kurz, war auch ein höchst erfolgreicher Kapitalist. Und die Aussteiger der Siebziger begründeten die Light-Angebote der Gegenwart: Aus Bhagwans Ashram in Poona wurde das "Osho International Meditation Resort" - eines der beliebtesten Reiseziele Indiens.

GURU - BHAGWAN; HIS SECRETARY & HIS BODYGUARD, Schweiz 2010 - Regie, Buch: Sabine Gisiger, Beat Häner. Kamera: Beat Häner, Matthias Kälin. Musik: Marcel Vaid. Pandora, 98 Min.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: