Bertelsmann versus Middelhoff:Torte im Gesicht

Ein vergifteter Gruß: Bertelsmann feiert den 175. Geburtstag und liefert sich derweil einen heftigen Disput mit dem Ex-Chef Thomas Middelhoff.

Hans-Jürgen Jakobs

Der Geburtstagsgruß war vergiftet. Die Torte, die der in einer Karikatur abgebildete Gratulant mit süffisantem Lächeln überreichte, erwies sich als ungenießbar. Nein, auf einen solchen Text, wie im Handelsblatt vom 16. September präsentiert, hätte Bertelsmann am Tag der 175-Jahr-Feier gut verzichten können.

Da schrieb tatsächlich der frühere Bertelsmann-Vorstandschef Thomas Middelhoff, 57, himself. Der Mann, der einst mit den Allüren eines Popstars auftrat, fragte ketzerisch, warum der Gütersloher Medienkonzern keine Top-Rolle mehr in den USA und im Internet spiele, warum die Schulden hoch seien, warum das Wohl "existenziell" vom RTL-Profit abhänge und der Umsatz schmelze - obgleich fast alle Bertelsmann-Manager das "Wachstums- oder Sieger-Gen" hätten.

Am selben Abend erhielten Gäste der Jubiläumsgala eine Firmenchronik, die den Kritiker Middelhoff als Mann ohne Sieger-Gen hinstellt - und so einen bizarren Schlagabtausch provoziert. Als "Rufmord" jedenfalls empfindet Middelhoff die Gütersloher Geschichtsschreibung. Das Handelsblatt sieht prompt eine "Abrechnung", für die letztlich Eigentümerin Liz Mohn verantwortlich ist, die Witwe des Patrons Reinhard Mohn, dem Middelhoff ("genialer Unternehmer") huldigt.

Das strittige Buch ist laut Bertelsmann-PR ein "objektiver Beitrag zur Erforschung der Unternehmensgeschichte". Darin beschäftigt sich Autor Hartmut Berghoff auch mit der Chefzeit des Kaufmanns Middelhoff (1998 bis 2002). Schwächen des Aufbruchs ins Internet seien "an allen Fronten zu erkennen", so der Historiker: "Middelhoffs Kurs entsprach der allgemeinen Desorientierung". Und weil die Musikindustrie nach dem Einstieg bei der Tauschbörse Napster juristisch gekontert hatte, sei alles in Gefahr gewesen: "Diese Klage hätte den ganzen Konzern zerstören können." Schließlich wird enthüllt, Middelhoff habe eine Fusion von Bertelsmann mit America Online (AOL) befördert und sei erst von Reinhard Mohn gestoppt worden - sonst hätte der Zusammenschluss "zu einem Desaster geführt".

Wo bleibt das Sieger-Gen?

Für Middelhoff, der in Bielefeld das einstige Anwesen des Pudding-Patrons Oetker bewohnt, ist diese Art Chaosforschung unangenehm. Die Justiz ermittelt, weil der von ihm lange geleitete Warenhauskonzern Arcandor pleite ging. Hat er etwa schon in Gütersloh Gigantomanisches verzapft?

Eine Fusion mit AOL habe er "keineswegs aktiv betrieben", sagt Middelhoff. AOL-Chef Steve Case habe ein Treffen mit Mohn über Kooperationschancen "bis hin zu einem Merger" angeregt, er habe das "pflichtgemäß" vorgetragen. Das war's. Berghoff bleibt bei seinen Vorwürfen, "die Indizien sprechen eine eindeutige Sprache". Aber er lobt Middelhoff auch für den Verkauf von 50 Prozent an AOL Europe und die Übernahme von RTL. Davon profitiere Bertelsmann noch heute. Vielleicht sollte Liz Mohn einfach einmal eine Geburtstagstorte schicken.

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