Frankfurter Buchmesse:E-Books: Suche nach Sinnlichkeit

Elektronische Bücher sind praktisch, aber nüchtern. In Deutschland haben sie sich bisher kaum durchgesetzt - das liegt auch an unflexiblen Anbietern.

Varinia Bernau

Der Name des neuen Geräts klingt, als würde es eher Radsportler als Literaturliebhaber betören. Doch das "Aluratek Libre", das der Weltbild-Konzern pünktlich zur Frankfurter Buchmesse präsentiert, hat Argumente, mit denen es doch noch so manchen überzeugen könnte: Es ist das erste elektronische Lesegerät, das in Deutschland für weniger als 100Euro zu haben ist.

-

E-Book-Leser auf der Frankfurter Buchmesse: Knick in den Verkaufszahlen erwartet.

(Foto: AFP)

Das Aluratek Libre ist so groß wie ein Taschenbuch - und bietet dennoch Platz für tausend verschiedene Titel, in denen sich in sechs verschiedenen Schriftgrößen schmökern lässt. Ein Einsteigermodell zum Ausprobieren, wie es bei Weltbild heißt.

Das Taschenbuch mit Eselsohren war gestern, die glatte Elektronik soll die Zukunft sein. Diese Überzeugung ist von den USA nun auch nach Europa geschwappt. 4,71 Millionen Lesegeräte für E-Books, also digitalisierte Krimis, Klassiker und Kindergeschichten, sollen nach Schätzung des Analystenhauses IDC in diesem Jahr weltweit über die Ladentische gehen - nur jedes fünfte davon in Europa. Einer Umfrage des IT-Branchenverbands Bitkom zufolge spielen derzeit etwa die Hälfte der Deutschen mit dem Gedanken, sich ein E-Book zu kaufen.

Am größten ist das Interesse bei Schülern und Studenten. Und für die dürfte der Preis entscheidend sein, sagt die IDC-Analystin Lynn Thorenz. "Bislang sind E-Books eher ein Lifestyle-Gerät und für die breite Masse einfach zu teuer. Aber gerade junge Leute sind es längst gewohnt, alles Mögliche unterwegs auf mobilen Geräten zu erledigen. Für die könnte ein E-Book-Reader ebenso ein Standard werden wie für die heute 30-Jährigen die digitalen Musikspieler."

Knick in der Begeisterung

Aber selbst Weltbild ist skeptisch. "E-Books sind in Deutschland in Wahrheit ein bislang nicht existenter Markt", sagte Weltbild-Chef Carel Halff der Wirtschaftswoche. Die Gesamtumsätze liegen noch bei weit weniger als einem Prozent jener fast zehn Milliarden Euro, die der Buchhandel im Jahr umsetzt.

Doch wird die Zukunft rosig sein? Wurden im vergangenen Jahr weltweit noch 2,13 Millionen Lesegeräte verkauft, so werden es nach IDC-Prognose in drei Jahren bereits 7,76 Millionen sein. Doch bereits im Jahr 2014 könnte sich die Begeisterung legen, die Verkaufszahlen könnten einen ersten Knick bekommen, erwarten die Analysten.

Die Erlöse könnten sogar schon ein Jahr zuvor zurückgehen. "Die Anbieter werden sicherlich auch versuchen, sich über den Preis von der Konkurrenz zu unterscheiden", sagt Thorenz. Die Offensive des Weltbild-Konzerns aus Augsburg ist dafür der Beleg. Doch Westeuropa wird auch in den nächsten Jahren nur der zweitwichtigste Markt für die digitalen Bücher sein - mit deutlichem Abstand zu den USA.

"Der Erfolg der E-Books hängt im Wesentlichen davon ab, was an Inhalten verfügbar ist und wie bequem sich darauf zugreifen lässt", sagt Thorenz. Zwar führt der US-Internetbuchhändler Amazon mit seinem Kindle den Markt für die Lesegeräte an, doch der Technologiekonzern Apple setzt derzeit die Standards - obwohl das iPad gar kein E-Book-Reader im engeren Sinne ist, sondern als Taschencomputer auch allerlei andere Unterhaltung bietet. Dennoch: "Apple hat die E-Books salonfähig gemacht", betont Thorenz. Selbst auf die relativ kleinen Mobiltelefone von Apple kann, wer will, sich große Literatur laden.

Noch allerdings ist das Angebot in Deutschland sehr gering: Auf Deutsch gibt es derzeit laut einer Studie von Stiftung Warentest 40.000 E-Books - im Vergleich zu 1,2 Millionen gedruckten Titeln. Die Verlage bieten vor allem Bestseller elektronisch an. Bücher in kleinerer Auflage gibt es dagegen kaum. Amazon bietet derzeit zwar 670000 digitale Bücher - allerdings nur in englischer Sprache. Bislang überzeugten dabei vor allem Sachbücher.

Formatchaos schreckt Leser ab

Nicht zuletzt weil das Lesen von Fachliteratur weniger ein sinnliches Erlebnis als nüchternes Arbeiten ist und sich in den E-Books ähnlich wie in einem Textdokument am Computer einfacher nach Stichwörtern oder Zitaten suchen lässt. Inzwischen allerdings hat Bitkom höhere Erwartungen und hofft, dass sich auch Belletristik in digitaler Form durchsetzt - dank der Taschencomputer wie dem iPad und ähnlicher Geräte, die mehrere Computerbauer bereits angekündigt haben. Allein in Deutschland werden nach Bitkom-Schätzung in diesem Jahr 500000 solcher Tablets verkauft.

Mit mehreren verschiedenen Kopierschutzsystemen wollen Verlage, Medienhäuser und Gerätehersteller illegale Kopien der Bücher verhindern. Die Folge: Auf keinem Gerät lassen sich alle Formate lesen. Das ist unpraktisch, aber vermutlich nicht von Dauer, glaubt Thorenz: "Wir sind gerade erst am Anfang der Entwicklung, da wird sich noch einiges tun."

Derzeit haben vor allem die Elektronikhersteller Interesse daran, mit Lesegeräten den Drang vieler Menschen nach mehr Mobilität zu bedienen. Doch auch andere Branchen stehen vor neuen Herausforderungen: "Vor allem die Verlage und Medienhäuser werden sich etwas einfallen lassen müssen", so Thorenz.

Sicherlich werde es neue Allianzen geben. So werde es beispielsweise für Telekommunikationsunternehmen wichtiger, nicht nur Netze zur Verfügung zu stellen, sondern Kunden einen Mehrwert zu bieten - etwa Unterhaltungspakete, auch mit digitalen Büchern.

Lesen Sie hierzu Berichte in der Süddeutschen Zeitung.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: