W&V: Werbung mit Nachhaltigkeit:Pilawas Picknicktipp

Bier trinken für den Regenwald, gesunde Mettwurst - die Werbung setzt auf Nachhaltigkeit und prominente Gesichter.

Martin Bell

Picknick mit Pilawa: Da kommt Mett aufs Brot, Leberwurst und Schinkenspicker - alles von Rügenwalder. Die mochte der TV-Moderator schon, da war er so lütt wie die Kiddies, die um ihn herumtollen. "Was ich jetzt als Papa richtig super finde?" fragt er im Spot der niedersächsischen Wurstmarke. "Dass alles ohne Zusatz von Geschmacksverstärkern und ohne Farbstoffe produziert wird."

Prominente Werbeträger

Wenn Moderator Jörg Pilawa sagt, die Wurst sei gut, dann ist das so - finden zumindest die Verbraucher. Die Werbemacher freut's.

(Foto: online.sdemedien)

Das klingt nach Naturbelassenheit. Ein Argument, das unter Verbrauchern zieht. Laut Marketingchef Godo Röben wuchs Rügenwalders Absatz seit Start der Kampagne vor anderthalb Jahren zweistellig. Kein Wunder, dass der Fabrikant aus Bad Zwischenahn den Exklusiv-Vertrag mit Jörg Pilawa dieser Tage bis Mitte 2012 verlängerte. In der Rolle des verantwortungsbewussten Ernährers bringt der Hamburger die Werbebotschaft unters Volk, ohne dass die Wurst zum Allheilmittel gegen Klimawandel & Co. mutiert. "Wir bewerben nicht CO2-freien Schinken, sondern nachvollziehbare Produktverbesserungen", so Godo Röben. "Alles andere würde nach Greenwashing riechen."

Konsumenten sind misstrauisch. Längst haben sie bemerkt: Unter Markenartiklern ist es quer durch die Branchen en vogue, sich mit sozial-ökologischem Engagement zu brüsten. Energieversorger e.on feiert seine Aufnahme in den Carbon Performance Leadership Index, den "wichtigsten Klimaschutz-Index". Der Touristik-Konzern TUI zeichnet seine hundert "nachhaltigsten Hotels" aus. Und FMCG-Riese Procter & Gamble kündigt eine "Nachhaltigkeitsvision" an, heißt konkret:Hundert Prozent erneuerbare oder wiederverwertete Materialien für alle Produkte und Verpackungen.

Wer es ernst meint, wer nur so tut als ob - das lässt sich lediglich mit intimen Kenntnissen über die Anstrengungen jedes einzelnen beurteilen. Statt aufwendig zu recherchieren verlässt sich das Gros der Verbraucher darauf, ob Behauptetes glaubwürdig erscheint oder nicht. Fehleinschätzungen inklusive. Die Tiefkühlmarke Frosta etwa pflegt Qualitätsstandards, die selbst Foodwatch als "vorbildlich" bezeichnet. "Frosta wirbt 'ohne Aromen' und verwendet tatsächlich keine", stellt Foodwatch-Managerin Anne Markwardt fest. "Das halten wir für die einzig konsequente Umsetzung eines solchen Werbeversprechens."

Die Befragten einer aktuellen Studie jedoch, die die Agenturen Taste und Organic für die Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft durchführten, wussten das nicht zu würdigen. Weniger als die Hälfte nahm der Marke den Anspruch in Sachen Nachhaltigkeit ab, den der TV-Spot thematisiert.

Gefragt ist kritische Selbstbetrachtung

Krombacher hingegen schneidet in der Untersuchung als Drittbester ab. Das durchsichtige Greenwashing "Saufen für den Regenwald" (ein Quadratmeter geschütztes Grün in der Zentralafrikanischen Republik pro verkauftem Kasten Bier) überzeugte 60 Prozent der Befragten. "Der Marke kommt die hohe Vertrauenswürdigkeit des Testimonials Günther Jauch zugute", erklärt Taste-Geschäftsführer Günther Nessel. "Zudem gingen Probanden davon aus, dass sich der Spot Flunkerei schon deshalb nicht erlauben kann, weil die Konkurrenz sonst dagegen vorgeht."

Die Wahrnehmung der Verbraucher ist ein eigenwilliger Mischmasch aus Annahmen, Wünschen, Vorurteilen und (Halb-)Wissen. Der lässt sich via Werbung zwar bedienen. Aber wirklich nachhaltig wirkt Corporate Social Responsibility (CSR) erst, wenn Unternehmen sie unter Beweis stellen. "Täuschungsmanöver verbieten sich in Zeiten der Informationsvermittlung übers Internet", denkt Andreas Severin, Chef der Düsseldorfer Agentur Crossrelations, die auf CSR spezialisiert ist. "Gefragt ist die Bereitschaft zu einem kritischen Dialog, in dem Unternehmen ihre Ziele herausarbeiten, aber auch klarmachen, wo ihre Grenzen liegen." Als wichtigste Veröffentlichung sieht Severin nicht publikumswirksame Versprechen in Spots und Anzeigen, sondern einen Nachhaltigkeitsbericht: "Auch wenn den nur wenige wirklich lesen - der Bericht dokumentiert Leistungen und ist Grundlage aller weiteren Kommunikationsaktivitäten."

Vor allem aber: Er sorgt für die notwendige Abgrenzung zu jenen, die Nachhaltigkeit als reinen Werbegag missbrauchen. Siehe Ferrero. Das Naschwaren-Imperium sponsert an Schulen den SportsFinderDay, einen Projekttag, der Bewegung und ausgewogene Ernährung in den Mittelpunkt stellt. Zugleich ist die Marke in ihren Werbemaßnahmen redlich bemüht, die Wirkung ihrer Kalorienbomben zu verschleiern. "Unternehmen, die ihr Engagement nicht ernst nehmen, laufen Gefahr, dass Verbraucher oder Verbraucherschützer das über kurz oder lang an den Pranger stellen", warnt Crossrelations-Managerin Christina Marx.

Gewieften Kommunikatoren eröffnen sich derzeit noch etliche Wege, die Öffentlichkeit hinters Licht zu führen. Den Begriff Nachhaltigkeit, stellt die Taste-Studie fest, füllen Verbraucher in unterschiedlicher Weise. Für die einen steht Umweltschutz im Fokus, für die anderen zukunftsorientiertes Handeln. Prononciert man mit passendem Testimonial und einem der zahlreichen Siegel diesen oder jenen Aspekt, stehen die Chancen nicht schlecht, kurzfristig zu punkten.

Nachhaltige Erfolge jedoch, ist die einhellige Meinung der Experten, lassen sich so nicht erzielen. "Um dauerhaft glaubwürdig zu sein, müssen Unternehmen den Beweis antreten für ihr Engagement", mahnt Günther Nessel. Deutsche Verbraucher seien besser informiert, als mancher denkt - und weniger denn je bereit, sich veralbern zu lassen.

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