Islamdebatte:Unionsgranden legen Wulff-Rede aus

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Während die CDU-Politiker de Maizière und Müller erklären, was der Bundespräsident über den Islam in Deutschland gesagt hat, widerspricht Unionsfraktionschef Kauder.

Die von Bundespräsident Christian Wulff am Tag der Deutschen Einheit gehaltene Rede wirkt sich weiter aus. Die Einlassungen des Staatsoberhaupts zur Rolle der Muslime in Deutschland beschäftigt vor allem seine langjährigen Parteifreunde - die Reaktionen aus der Union schwangen zwischen Zustimmung und Ablehnung. Eine dritte Option lautet: Man interpretiert die Rede Wulffs - als ob der sich nicht deutlich genug ausgedrückt hätte.

Muslim beim Gebet in Dortmunder Moschee (Foto: REUTERS)

Der Satz des Bundespräsidenten, wonach der Islam sei ein Teil Deutschlands, bedeute, dass diese Religion zwar dazugehöre, aber nur ein Teil sei, erklärte etwa Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU). "Wenn Sie jetzt fragen: Wird damit der Islam auf die gleiche Stufe gestellt wie das christlich-jüdische Religionsverständnis, Kulturverständnis, was wir haben, dann ist meine Antwort: auf absehbare Zeit nein", sagte der Minister nach einer Mitteilung des Deutschlandradios Kultur bei einer Veranstaltung des Senders und des Fernsehsenders Phoenix.

Evangelische Kirche warnt vor religiösem Fundamentalismus

De Maizière wies darauf hin, dass die Gelder für Integrationskurse im laufenden Haushalt um 15 Millionen Euro aufgestockt worden seien. Zugleich räumte er aber ein, es gebe für die Kurse "Wartelisten, weil wir die im Moment auch schlecht organisiert haben". Als Allheilmittel sollten die Kurse seiner Ansicht nach aber nicht verstanden werden: Wenn Zuwanderer-Eltern mit ihren nur Fernsehsender aus ihrer alten Heimat sähen und mit ihren Kindern nie Deutsch sprächen, "dann ist es schwierig, auch mit einem Kurs das alles auszugleichen".

Auch der saarländische Ministerpräsident Peter Müller (CDU) legt gerne, was Wulff aus seiner Sicht gemeint hat: "Die Botschaft des Bundespräsidenten war: Selbstverständlich ist diese Gesellschaft auch offen für Moslems", sagte Müller am Freitag in einem Deutschlandfunk-Interview. Muslime müssten bereit sein, sich in die Gesellschaft einzugliedern und könnten nicht nach eigenen Gesetzen hier leben, betonte er. Wulff hatte gesagt, neben dem Christentum und dem Judentum gehöre der Islam "inzwischen auch zu Deutschland".

Müller meinte, dadurch werde das Bekenntnis zur Verfassung nicht relativiert. Zu der Kritik sagte der CDU-Politiker: "Es gibt immer welche, die Formulierungen missverstehen wollen." Zur umstrittenen Äußerung des türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan von 2008 in Köln, "Assimilierung ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit", sagte Müller: "Wir wollen keine Assimilierung, genauso wenig wie Parallelgesellschaften." Erdogan wird zu einem Deutschlandbesuch erwartet.

Aus Bayern dringt schon mal eine Aufforderung in Richtung des Gasts aus Ankara: Landesinnenminister Joachim Herrmann appellierte an Erdogan, die Türken in Deutschland zur Integration aufzurufen: "Es hätte eine immense Wirkung, wenn der türkische Ministerpräsident seine bisherigen Landsleute dazu aufrufen würde, sich entsprechend diesen Spielregeln in unser Land zu integrieren. Deswegen müssen sie ja noch lange nicht ihre kulturelle und religiöse Identität aufgeben", so der CSU-Politiker. Herrmann bekräftigte zugleich sein Nein zu einem Beitritt der Türkei in die Europäische Union: "Ich lehne eine Vollmitgliedschaft der Türkei in der EU rundweg ab." Dies sei auch "die klare Position von CDU und CSU".

Der Minister fügte hinzu: "Mit einer privilegierten Partnerschaft wäre beiden Seiten mehr gedient als mit dem unrealistischen Versprechen an die Türkei, irgendwann in die EU eintreten zu können." Bundespräsident Christian Wulff hatte vor einigen Tagen "faire Verhandlungen" über einen möglichen EU-Beitritt der Türkei angemahnt. Die Gespräche müssten ergebnisoffen geführt werden. Herrmann betonte nun: "Es gibt in keinem EU-Land eine Mehrheit für die Aufnahme der Türkei. Europa wäre damit überfordert - und die Türkei ist dazu noch weniger in der Lage."

Unions-Fraktionschef Volker Kauder weist Forderungen aus den Reihen der Opposition zurück, den Islam als Religionsgemeinschaft in Deutschland mit den christlichen Kirchen gleichzustellen. Das gehe "in eine völlig falsche Richtung", sagte Christdemokrat Kauder Bild-Zeitung. Eine Gleichstellung wäre kein Beitrag zur Integration, sondern würde die Probleme nur verschärfen. Er teile nicht die Auffassung des Bundespräsidenten, der Islam gehöre zu Deutschland. Die Muslime seien in Deutschland willkommen, sagte Kauder, und fügte hinzu: "Unsere Werteordnung, zu der auch die Religionsfreiheit gehört, müssen wir erhalten. Der Islam kann diese Wertordnung nicht bestimmen."

Bundestags-Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Grüne) wies bei der Veranstaltung mit de Maizière darauf hin, dass die meisten Menschen mit ausländischen Wurzeln auf Dauer in Deutschland leben wollten. Man solle nicht die Vorurteile schüren, dass die Zuwanderer sich generell nicht integrieren wollten, so Göring-Eckardt, die als Präses auch dem Kirchenparlament der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), der Synode, vorsteht.

Derweil warnte der amtierende Ratsvorsitzende der EKD, Nikolaus Schneider, vor religiösem Fundamentalismus im Christentum und im Islam. "Da wo der Glaube fundamentalistisch verstanden und gelebt wird, hat er eine Tendenz zur Gewalt", sagte er in der evangelischen Fernseh-Talkshow Tacheles.

Auch Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin äußerte sich zu der Causa - und nahm Christian Wulff vor Kritik in Schutz. "Vier Millionen Menschen in Deutschland sind islamischen Glaubens, der Islam ist längst Teil unseres Landes", sagte Trittin der Rheinischen Post. Der Bundespräsident habe "diese Realität klar und unmissverständlich benannt und sich zu unseren islamischen Mitbürgern bekannt", sagte der frühere Bundesumweltminister. "Das verdient Lob und kein Mobbing von den Rechtsaußen aus der Union."

© sueddeutsche.de/dpa/dapd/odg - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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