Verdacht auf illegalen Handel mit Iran:Brisante Bestellung aus Teheran

Der Geschäftsführer einer Berliner Firma soll versucht haben, Tritium zum Atomwaffenbau an Iran zu liefern. Es wäre nicht der erste Versuch Teherans, an die Substanz zu kommen.

Paul-Anton Krüger

Die Staatsanwaltschaft Berlin ermittelt gegen den Geschäftsführer einer Firma in der Hauptstadt, weil er versucht haben soll, Tritium an Iran zu liefern. Das bestätigte auf Anfrage ein Sprecher der Behörde. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung planen die Ermittler, demnächst Anklage gegen Ahmad R. wegen Verstößen gegen das Außenwirtschaftsgesetz zu erheben.

Jahresrückblick - Ahmadinedschad

Irans Präsident Mahmud Ahmadinedschad preist im Jahr 2006 das Atomprogramm seines Landes. Jetzt ist ein Geschäftsmann aus Deutschland in Verdacht geraten, Tritium an Teheran geliefert zu haben, dass auch zum Bau von Atomwaffen genutzt werden kann.

(Foto: dpa)

Tritium kann als Neutronenquelle in Atomwaffen verwendet werden, allerdings gibt es auch mannigfaltige Anwendungen in der Forschung für das radioaktive Wasserstoff-Isotop, etwa um Substanzen bei bestimmten Laboruntersuchungen zu markieren. Der Anwalt des Beschuldigten lehnte eine Stellungnahme zu dem Ermittlungsverfahren ab. Auch die Staatsanwaltschaft gab keine weiteren Details bekannt.

Die Iranische Atomenergieorganisation (AEOI) soll das Tritium-Gas im Februar 2006 bei der Berliner Firma bestellt haben, die Lieferung wurde jedoch im Dezember 2007 am Amsterdamer Flughafen Schiphol abgefangen. Das geht aus einem internen Dokument der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA hervor, in dem die Inspektoren ihren Kenntnisstand über "mögliche militärische Dimensionen des iranischen Atomprogramms" zusammengefasst haben. Eine Version dieses internen Berichts konnte die SZ einsehen. Er dokumentiert unter anderem verdächtige Beschaffungsversuche der Iraner. Demnach teilte Iran der IAEA mit, das Tritium sei für "medizinische Zwecke" bestimmt gewesen.

Tritium kann in Atomwaffen verschiedene Funktionen erfüllen. Es eignet sich zum einen, um Neutronenquellen zu bauen. Neutronen werden im Moment der Zündung gebraucht, um die Kettenreaktion der Kernspaltung in Gang zu bringen, die dann blitzartig die zerstörerische Energie der Bomben freisetzt. Nach dem gleichen Prinzip kann Tritium auch genutzt werden, um gezielt die Sprengkraft der Waffen zu steigern. Beim sogenannten boosting werden Neutronenröhren mit zwei bis drei Gramm gasförmigem Tritium eingesetzt; von diesem möglichen Verwendungszweck gehen offenbar auch die Ankläger aus.

Außerdem ist Tritium Voraussetzung für thermonukleare Waffen, also Wasserstoffbomben. Alle fünf offiziellen Kernwaffenstaaten, also die USA, Russland, Großbritannien, Frankreich und China, verwenden Tritium heute in den meisten ihrer Sprengköpfe, wenn nicht sogar in allen.

Diese Technologie ist jedoch sehr schwer zu beherrschen. Experten gehen davon aus, dass Wissenschaftler in einem noch in Entwicklung befindlichen Atomwaffenprogramm, wie Iran es im Verdacht zu betreiben steht, vermutlich auf einfachere Lösungen zurückgreifen würden. Im Dezember 2009 hatte die Londoner Times Dokumente veröffentlicht, die nahelegen, dass Iran möglicherweise eine Neutronenquelle auf Basis des Wasserstoff-Isotops Deuterium entwickelt.

Geringe Menge Tritium

Diese Technologie setzten auch die Pakistaner für ihre Atomwaffen ein. Die iranischen Verbindungen des Nuklearschmugglers Abdul Qadir Khan, als "Vater der pakistanischen Bombe" bekannt, sind gut dokumentiert. Er soll den Iranern - angeblich ungefragt - auch Pläne für einen einfachen Sprengkopf überlassen haben.

Die Menge Tritium, die Ahmad R. den Iranern zu liefern versucht haben soll, ist nach Auffassung eines erfahrenen Nuklearexperten zu gering, um direkt Anwendung in Atomwaffen zu finden - eine Einschätzung, die nach Informationen der SZ auch die IAEA teilt. Allerdings hätte das Gas für Forschungs- und Entwicklungsarbeiten in einem Waffenprogramm durchaus nützlich sein können.

Europäischen Geheimdiensten lagen im Jahr 2006 Hinweise auf mehrere Versuche der Iraner vor, sich in Westeuropa Tritium zu beschaffen. In die Bewertung solcher Indizien fließt nicht nur ein, ob die infrage stehenden Güter für eine militärische Nutzung geeignet sind. Es wird immer auch untersucht, ob Personen oder Organisationen involviert sind, die bekanntermaßen in Verbindung mit dem iranischen Atomprogramm stehen oder etwa konspiratives Vorgehen dafür spricht, dass die Güter nicht für zivile Zwecke bestimmt sind. Die Analyse dieses Gesamtbildes war einer der Faktoren, die europäische Geheimdienste schlussfolgern ließen, dass Iran zumindest Forschung und Entwicklung für Atomwaffen nach 2003 fortgesetzt hat.

Dagegen waren die US-Geheimdienste in einer im November 2007 veröffentlichten Analyse zur Einschätzung gelangt, Teheran habe "mit hoher Wahrscheinlichkeit" sein Waffenprogramm 2003 aufgegeben und es vermutlich bis Mitte 2007 nicht wieder aufgenommen. Die Neuauflage dieses National Intelligence Estimate ist seit Monaten überfällig, jedoch haben hochrangige US-Regierungsvertreter angedeutet, dass sie auf die Linie der Europäer einschwenken dürfte. Womöglich tragen bald Erkenntnisse aus einem Berliner Wirtschaftsstrafverfahren dazu bei, dies zu stützen.

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