Wirbel um Plakat-Verbot:"Die Uefa diffamiert Dachau"

Bayern-Fans ja, aber bitte nicht aus Dachau: Die Uefa ließ den Namen der Stadt überkleben - weil andere Fans ihn für ein Nazi-Symbol halten könnten. Das sorgt nun für Wirbel. Auch Bayerns Kultusminister Spaenle mischt sich in die Debatte ein.

Robert Stocker

Ihr Herz schlägt für den FC Bayern, doch manchmal ist es für die Jungs nicht leicht, ihre Verbundenheit zu diesem Fußballverein auch offen zu zeigen. Besonders, wenn die zehn jungen Leute aus Stadt und Landkreis Fahnen und Transparente ihres Fanclubs "Dachau City '95" zu den Spielen des deutschen Rekordmeisters in die großen Stadien mitbringen.

dachau city fanclub

Das vom Europäischen Fußballverband inkriminierte Transparent, das die Dachauer Fans des FC Bayern bei Auswärtsspielen in der Bundesliga problemlos aufhängen dürfen. Dort bekommen sie höchstens Ärger mit anderen Fans.

(Foto: privat)

Dachau City '95 steht auf den rot-weißen Bannern, den Vereinsfarben des FC Bayern, die gleichzeitig auch die Farben der Stadt Dachau sind; auf manchen Fahnen ist die stilisierte Silhouette der Altstadt mit Rathaus und Jakobskirche zu sehen, auf anderen wiederum sind nur der Schriftzug Dachau City '95 und das Wappen des Fanclubs abgebildet.

Alles harmlos und unverfänglich, sollte man meinen, doch manchmal bekommen die Dachauer Bayern-Fans ziemlichen Ärger. Allein deswegen, weil auf den Fahnen in großen Lettern Dachau steht. Anhänger anderer Vereine feinden sie an, beschimpfen sie als "Scheiß-Nazis" oder werden sogar handgreiflich, weil sie in ihrer intellektuellen Bescheidenheit den Namen Dachau mit nationalsozialistischer Gesinnung gleichsetzen. Rechtfertigungsversuche der Dachauer Fans, dass sie nur zufällig in einer Stadt wohnten, in der es während des Dritten Reichs zwar ein Konzentrationslager gegeben habe, sie selbst aber mit Rechtsradikalismus nichts am Hut hätten, sind dann meist zwecklos.

Doch die Dachauer Anhänger des FC Bayern haben sich nicht nur Ärger mit anderen Fans, sondern auch schon mit Sportfunktionären auf europäischer Ebene eingehandelt. Auf Druck des Europäischen Fußballverbandes (Uefa) mussten sie beim Champions-League-Finale zwischen dem FC Bayern und Inter Mailand in Madrid das Wort Dachau auf ihrem Transparent überkleben, das im Stadion hing, weil der Name an den Nationalsozialismus erinnere.

Eine schriftliche Begründung lieferten die sensiblen Sportfunktionäre jetzt nach: Der Name Dachau könne als Nazi-Symbol verstanden werden und für Unruhe im Stadion sorgen. Der Verband sorge sich um die Sicherheit der Spieler, Funktionäre und Fans. Auch Banner und Symbole, die einen Angriff auf Dritte oder eine Beleidigung Dritter hervorrufen könnten, würden als Sicherheitsrisiko gewertet.

Dachau als Synonym für Rechtsradikalismus - in der Stadtpolitik schlagen jetzt die Wellen hoch. Und nicht nur dort: Inzwischen hat sich auch Kultusminister Spaenle (CSU) geäußert und die Uefa wegen der Diskriminierung des Dachauer Fanclubs scharf kritisiert. "Ich erwarte, dass die aktive Aufarbeitung der Schreckenszeit des Dritten Reichs, die gerade in der Stadt Dachau intensiv betrieben wird, auch von der UEFA anerkannt wird", sagte Spaenle dem Münchner Merkur. Sport-Fans aus Dachau hätten das gleiche Recht wie die aus München, Madrid oder Manchester, sich mit ihrem Sportverein und ihrer Stadt zu identifizieren. Dazu gehörten auch Fahnen und Transparente, die Schriftzug und Wappen der Heimatstadt trügen.

Für die Liberalen im Dachauer Stadtrat ist die Begründung der Uefa eine Ungeheuerlichkeit. In einer Pressemitteilung spricht die FDP von einer "Diffamierung der Stadt Dachau durch die Uefa." Die Stadt, welche seit Jahrzehnten um Aussöhnung für die Verbrechen im Dritten Reich bemüht ist, könne sich von einer der einflussreichsten Institutionen im Sportbereich nicht in die rechte Ecke stellen lassen.

"Den Dachauer Bürgern und Sportlern wird unterschwellig eine rechte Gesinnung unterstellt, was für die heutige Generation nicht tragbar ist", schreiben die empörten FDP-Stadträte und fordern Oberbürgermeister Peter Bürgel (CSU) auf, einen Widerspruch der Uefa zu erzwingen. Die Behauptung, der Name Dachau könne als Nazisymbol verstanden werden, dürfe die Stadt so nicht stehen lassen. Die Liberalen haben dazu einen Antrag eingebracht, der in der Kulturausschusssitzung an diesem Mittwoch behandelt werden soll.

Sebastian Kölbl, Mitglied des Fanclubs Dachau City '95, hält einen Vorstoß der Stadt Dachau jedenfalls für "sehr begrüßenswert". Der 24-jährige Geologie-Student aus Prittlbach war bei dem Gezerre um das Dachauer Banner vor dem Champions-League-Finale in Madrid live dabei. "Uns geht es doch nur darum zu zeigen, dass Dachau eine ganz normale Stadt wie jede andere ist." Kölbl glaubt aber nicht, dass die Uefa zurückrudern werde. Der Dachauer Fanclub werde seine Vereinsbanner jedoch beibehalten.

Noch am Montag wurden Oberbürgermeister Bürgel und der CSU-Landtagsabgeordnete Bernhard Seidenath in der Banner-Affäre aktiv. Beide schickten an den Uefa-Präsidenten Michael Platini einen wortgleichen Brief, in dem sie ihr Unverständnis für das Verhalten des Verbandes bekunden. Der Vorfall in Madrid berühre das Selbstverständnis und die Reputation einer ganzen Stadt und eines Landkreises, schreiben Seidenath und Bürgel. Dachau sei längst zum Gedenkort geworden, der die Erinnerung an die unglaublichen Verbrechen der Nazi-Diktatur wachhalte.

"Nie wieder!" heiße die klare Botschaft, die heute von Dachau in die ganze Welt ausgehe. Dies habe Platini in Madrid verkannt. Solch ein Vorgang dürfe sich nicht wiederholen. Gleichzeitig laden Seidenath und Bürgel den Uefa-Präsidenten zu einem Besuch nach Dachau ein, damit der sich ein Bild von der Stadt machen könne. "Mal sehen, welche Reaktion dann kommt", kommentierte Bürgel das Schreiben.

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