Gaspipeline:Hürdenlauf für "Nabucco"

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Die geplante Gaspipeline nach Europa ist in Gefahr - wieder einmal. Jetzt stürzen die Iran-Sanktionen der Europäischen Union die beteiligten Konzerne in Schwierigkeiten.

Jeanne Rubner

Mit einem Schachspiel hat ein Manager unlängst die geplante europäische Gaspipeline "Nabucco" verglichen; Stefan Judisch, Gas-Chef des an Nabucco maßgeblich beteiligten Konzerns RWE, sprach von der "Endphase" des Spiels - bis Ende des Jahres solle feststehen, woher das Erdgas kommen wird, das die Europäer so dringend brauchen.

Immer neue Hindernisse türmen sich vor dem Projekt Nabucco auf: Frühestens 2011 könnten die Investitionsentscheidungen fallen. (Foto: AP)

Tatsächlich ähnelt Nabucco derzeit eher einem Hürdenlauf, bei dem sich immerzu neue Hindernisse auftürmen. Vor wenigen Tagen bekannte der österreichische Energiekonzern OMV, bei dem die Federführung für den Bau der knapp 4000 Kilometer langen Pipeline zwischen Zentralasien und Mitteleuropa liegt, dass der Zeitplan erneut in Verzug gerät. Frühestens 2011 könnten Investitionsentscheidungen fallen. Grund sind die Aserbaidschaner, die sich vor Zusagen für Gaslieferungen an die Europäer drücken.

Nun tut sich eine neue Barriere auf: Die im Juli beschlossenen Iran-Sanktionen der Europäischen Union könnten das Projekt gefährden. Denn Teheran ist - über die staatliche Firma Naftiran Intertrade - zu zehn Prozent an der Erkundung von "Shah Deniz" beteiligt. Vor der Küste im Kaspischen Meer gelegen, ist Shah Deniz das größte aserbaidschanische Gasfeld.

Ein Konsortium, an dem auch die britischen und französischen Firmen BP und Total beteiligt sind, plant die weitere Erschließung ("Shah Deniz II"). Zehn Milliarden Kubikmeter Gas jährlich sollen aus dieser Quelle durch Nabucco fließen, was immerhin ein Drittel des Fassungsvermögens ausmacht. Shah Deniz sei wegen der Beteiligung Irans gefährdet, heißt es in einem internen Papier des Europäischen Rats.

Höchste Priorität

Noch müssen die EU-Außenminister über den genauen Text der Sanktionen abstimmen, doch nach dem derzeitigen Entwurf würden Investitionen verboten wie auch Geräte für die Exploration unter ein Embargo fallen, wenn sie für Firmen mit iranischer Beteiligung bestimmt sind. Die EU steht vor dem Dilemma, Nabucco zügig zu bauen oder aber die Iran-Sanktionen konsequent umzusetzen.

In Brüssel genießt die acht Milliarden Euro teure Pipeline eigentlich höchste Priorität. Schließlich soll sie zum ersten Mal Gas direkt aus der kaspischen Region, wo etwa die Hälfte aller weltweiten Reserven lagern, nach Europa leiten und die EU unabhängiger von russischem Rohstoff machen. Moskau setzt deshalb auch alles daran, Nabucco zu verhindern - mit der Pipeline South Stream, die ebenfalls Gas nach Europa bringen soll. Ministerpräsident Wladimir Putin verhöhnte gar die Europäer, als er vor wenigen Wochen spottete, dass Nabucco gar keine garantierten Lieferanten habe. Woraufhin der frühere Bundesaußenminister und Nabucco-Lobbyist Joschka Fischer zum Gegenschlag ausholte: Das russische Konkurrenzprojekt South Stream sei nicht im europäischen Interesse, da es nur "altes Gas" in einer neuen Leitung transportiere.

Ärgerlich für die Europäer sind nicht nur die Störfeuer aus Moskau, sondern auch die zögerlichen Zentralasiaten. Turkmenistan hat zwar zehn Milliarden Kubikmeter Gas jährlich versprochen, ein Vertrag aber fehlt bis heute. Turkmenisches Gas müsste zudem aufwendig unter Wasser durch das Kaspische Meer geleitet werden. Auch ein weiterer Lieferant, der Nordirak, wackelt, weil Bagdad Einspruch gegen einen mit der autonomen Kurdenregierung ausgehandelten Liefervertrag erhebt. Ob wie geplant 2015 Gas durch die Nabucco-Röhre strömen wird, bleibt ungewiss. Der Hürdenlauf geht weiter.

© SZ vom 12.10.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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