Italien - Serbien: Terror in Genua:Ivan und die Schrecklichen

Die serbischen Hooligans, die in Genua gezielt den Abbruch des EM-Qualifikationsspiels gegen Italien provozieren, sind offenbar die Handlanger rechter Kräfte in Belgrad.

Birgit Schönau

Italien wollte sich an diesem Abend ein wenig selbst feiern im 150. Jahr der Einigung des Landes an einem Ort und zu einem Datum, die auf eine glorreiche Vergangenheit verweisen: 12.Oktober, Columbus' Day, Festtag zur Erinnerung der Entdeckung Amerikas durch den Seefahrer Cristoforo Colombo aus Genua. Das Stadion im Stadtviertel Marassi hatte zur Feier des Tages endlich einen neuen Rasen bekommen, Kostenpunkt 150.000 Euro, schließlich wollte die Stadt Genua bella figura machen als Austragungsort des EM-Qualifikationsspiels Italien-Serbien. Tausend Schulkinder waren eingeladen, die Azzurri spielen zu sehen.

Italy v Serbia - EURO 2012 Qualifier

Ein Fußballspiel als Bühne für rechten Terror: serbische Radikale in Genua auf der Absperrung zwischen Tribüne und Spielfeld.

(Foto: Getty Images)

Was den Kleinen dann aber geboten wurde, war nicht Fußball. Sondern brutale Gewalt, blanker Terror, Schrecken und Schande. "Wie soll man einem Kind, das so etwas in einem Stadion erleben muss, erzählen, dass Fußball ein Fest ist?", klagte später Gianluca Zambrotta, der sechs Minuten lang als Kapitän der Squadra Azzurra fungierte. Quälend lange sechs Minuten, bis Torwart Emiliano Viviano dem schottischen Schiedsrichter Craig Thomson bedeutete: Nichts geht mehr, abpfeifen bitte.

Rund 400 Rechtsextreme aus Serbien hatten, getarnt als Fußballfans, ihr Ziel erreicht, Protagonisten beim ersten Abbruch eines Länderspiels in Italien zu werden. Einreisen konnten sie übrigens ohne Probleme, seit 2010 besteht für Serben in EU-Ländern keine Visumpflicht mehr. Und anders als die Italiener werden Hooligans aus Serbien auch nicht von Antiterror-Spezialisten der eigenen Polizei zu Auswärtsspielen begleitet.

Feuerwerkskörper, Messer, Stöcke, Schraubenzieher

Die Serben hatten schon vor dem Stadion randaliert, was die italienischen Ordnungskräfte zu einem bösen Fehler veranlasste. Anstatt die Krawallmacher draußen zu lassen, führte man sie schnell ins Stadion, offenbar in der irrigen Annahme, die Rowdys auf den sorgsam abgesperrten Rängen besser kontrollieren zu können. In ihrer Hast verzichteten die Italiener auf jene Kontrollen, die sie den heimischen Fans peinlich genau angedeihen lassen.

Und die Serben durften bestens ausgerüstet in ihre Schlacht ziehen: Feuerwerkskörper, Messer, Stöcke, Schraubenzieher. Sofort begannen sie ihr Werk der Zerstörung, unter dem Geprassel ihrer Leuchtraketen verschob sich der Anpfiff um 40 Minuten. Und Millionen TV-Zuschauer mussten zusehen, wie der Anführer der serbischen Hooligans mit provozierender Ruhe ein Stahlnetz zerschnitt, das seinen Anhang abschirmte.

Ein Kerl wie ein Baum, dieser Serbe, martialisch tätowiert, das Gesicht vermummt, angetan mit einem Totenkopf-T-Shirt, den fleischigen rechten Arm gereckt zum frechen Gruß in die Fernsehkameras. Als man Ivan Bogdanov, einschlägig vorbestrafter Kurvenführer von Roter Stern Belgrad, in der Nacht gemeinsam mit 16 Kumpanen endlich festnahm, während er im Kofferraum eines Fanbusses zu entkommen suchte, da war sowieso schon alles zu spät. Ivan und seine Schrecklichen hatten gründlich ihre Spur der Zerstörung durch Genua gezogen und 16 Verletzte hinterlassen. Ein Wunder, dass nicht mehr passierte - vermutlich auch dank der Polizeistrategie, die Serben unter Verstärkung zusätzlicher Ordnungskräfte aus Mailand und Turin im leeren Stadion zu blockieren.

Hooligans: Nützliche Idioten

Am Mittwoch, als in Genua schon die ersten Haftstrafen erlassen wurden und aus Belgrad offizielle Entschuldigungen eingingen, gab es in Italien nur eine Frage: Wie konnte das geschehen? Man sei nicht vorgewarnt worden, beteuerte die italienische Polizei. Die serbischen Kollegen hatten zunächst behauptet, ein Fax mit Informationen geschickt zu haben, wollten darauf aber später lieber nicht mehr bestehen. Tatsächlich hatten der serbische Fußballverband den Gastgebern gegenüber kein Wort über seinen problematischen Anhang verloren.

Dabei waren die Kurvenrowdys bereits am Freitag bei der 1:3-Heimniederlage der Serben gegen Estland aufgefallen, bevor sie sich am Sonntag an der Straßenschlacht am Rande einer Schwulen-Parade in Belgrad beteiligten. Sprecher der serbischen Regierung vermuteten ganz offen politische Motive als Grund für die Ausschreitungen in Genua - mit den Krawallen solle die Annäherung Serbiens an die EU sabotiert werden. Rechte Kräfte wollen die Öffnung des Westbalkans mit allen Mitteln verhindern und sie bedienen sich der Hooligans, um ein Klima politischer Destabilisierung zu schaffen und vorgezogene Neuwahlen zu erzwingen.

An dem schmutzigen Spiel sind Kriegstreiber, Faschisten und Mafiosi beteiligt, die Kurvenschläger sind ihnen nützliche Idioten. "Das ist eine Attacke gegen den Staat, und die Drahtzieher sitzen in Belgrad", sagte der Fußballverbandspräsident Tomislav Karadzic - leider erst, nachdem vor dem entsetzten italienischen Publikum eine albanische Flagge verbrannt worden war.

In Genua hatten sich offenbar Anhänger der Lokalrivalen Stella Rossa und Partizan Belgrad vereint, unterstützt von rechten Gruppen aus Novi Sad. Der Held dieser jungen Männer ist der tote Kriegsverbrecher Zeljko Raznatovic, genannt Arkan. Auch in Italien ist Arkan kein Unbekannter, seit Ultras von Lazio Rom für den damaligen Lazio-Spieler Sinisa Mihajlovic das berüchtigte Spruchband entrollten: "Ehre dem Tiger Arkan." Das ist zehn Jahre her, inzwischen trainiert Mihajlovic den AC Florenz und über seinen toten Freund Raznatovic spricht er nicht mehr. Am Dienstag saß Mihajlovic in Genua auf der Tribüne, als die ersten Leuchtraketen gezündet wurden, verließ er wortlos das Stadion.

"Er zitterte wie Espenlaub"

Da hatte Serbiens Torwart Vladimir Stojkovic schon Zuflucht in der italienischen Kabine gesucht. "Er zitterte wie Espenlaub", berichtete später Italiens erschütterter Nationaltrainer Cesare Prandelli. Stojkovic war gegen Italien vorsorglich nicht aufgestellt worden, nachdem er bereits beim 1:3 gegen Estland zur Zielscheibe der serbischen Hooligans geworden war. Wussten also die Spieler, was sie in Genua erwartete?

Angeblich zur "Beruhigung" der Randalierer stellten sich Kapitän Dejan Stankovic und andere unter die Kurve und entboten mit drei Fingern den umstrittenen "serbischen Gruß". Gott, Zar, Vaterland - oder Serbien, Montenegro, Bosnien? Nicht doch, beschwichtigte Italiens Verteidigungsminister Ignazio La Russa. "Die wollten ihren Leuten sagen: hört auf, sonst verlieren wir 0:3."

Italiens Sieg wird die Europäische Fußball-Union Uefa am 28. Oktober, nach dem Ermittlungsverfahren, wohl beschließen. Weitere Sanktionen können bis zum Ausschluss der Serben aus dem Wettbewerb reichen (aber auch den Italienern droht eine Platzsperre). Aber all das wird die Gewalttäter aus Belgrad ungefähr so beeindrucken wie vor dem Spiel, das sie zerstörten, die Schweigeminute für vier in Afghanistan gefallene Italiener: Null.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: