Im Interview: Oliver Stone:"Wie kann ich ein Mann sein?"

"Wall Street"-Regisseur Oliver Stone spricht über Geld und Gier, grünen Kapitalismus - und über alternative amerikanische Helden.

Willi Winkler

SZ: Mr. Stone, reden wir vom Kapitalismus. Wie kam denn die Zusammenarbeit mit dem Verleih Fox zustande? Fox gehört Rupert Murdoch, der unter anderem das Wall Street Journal besitzt.

US Director Oliver Stone poses during a photocall promoting his film Wall Street: Money Never Sleeps in Berlin

US Regisseur Oliver Stone im Interview über seinen neuen Film "Wall Street: Geld schläft nicht". Obwohl er die Gier anprangert, hält er den Kapitalismus für sinnvoll.

(Foto: REUTERS)

Oliver Stone: Der neue Film "Wall Street: Geld schläft nicht" kam durch ein insgeheimes Einverständnis zustande: Fox mochte die Figur des Gordon Gekko und konnte sich eine Fortsetzung vorstellen, und ich wollte einen kapitalismuskritischen Film machen.

SZ: So einfach geht das?

Stone: So einfach geht das. Ohne politische Einflussnahme, denn auch Murdoch ist zuallererst am Geldverdienen interessiert. Ich kritisiere zwar den Kapitalismus, aber ich weiß auch, dass es ohne ihn nicht geht. Darum gibt es den Film.

SZ: Der zwar nicht den Geld-Glamour des ersten hat, aber dafür New York feiert. Ich glaube, seit "Manhattan" von Woody Allen gab es nicht mehr so viele Zwischenschnitte auf New York.

Stone: Ich liebe New York.

SZ: Das ist aber nicht der einzige Grund.

Stone: New York verändert sich rapide. In den letzten Jahrzehnten sind ganze Stadtteile modernisiert worden, die Stadt breitet sich nach Westen aus, nach New Jersey.

SZ: Es gibt eine Szene, in der sich die Kamera von Figur zu Figur bewegt, ein Reigen. Wäre das nicht was für Sie, ein Film über die New Yorker Gesellschaft wie damals "La Ronde"?

Stone: Was, wie der Film von Max Ophüls? Nein, bitte nicht, nicht dieses steife, bourgeoise Zeug.

SZ: Eine Gesellschaftssatire ist doch nicht ehrenrührig. Martin Scorsese, bei dem Sie an der New York University lernten, hat Zeit der Unschuld gemacht.

Stone: Es ist schon wahr, bei diesem Charity-Dinner im Metropolitan Museum war es schwer, keine Satire zu machen. Wir hatten eine Szene mit 25 Ohrringen, auch ein Reigen, wenn Sie so wollen. Aber wie war das bei Schnitzler - die sterben doch alle an Syphilis, oder? Nein, das möchte ich nicht machen. Ich weiß noch, wie wir auf der Filmhochschule mit den Kamerafahrten von Ophüls gequält wurden: Schrecklich!

SZ: Aber es sind doch tolle Fahrten.

Stone: Aber so langweilig! Wissen Sie, wer die gewagtesten Kamerafahrten hat? Bernardo Bertolucci! Von niemand haben wir damals mehr gelernt als von Bertolucci: Wie der die Kamera die Mauer hochgehen ließ, ein Ding der Unmöglichkeit, aber er hat es geschafft.

SZ: Sie sind ein Phänomen, der einzige amerikanische Regisseur, der es versteht, finanziell erfolgreiche Propagandafilme zu machen.

Stone: Das mag sein; Eisenstein ist mir natürlich näher als John Ford.

SZ: Trotzdem verübelt Ihnen niemand diese unamerikanischen Umtriebe. Egal, wen Sie angreifen, den Präsidenten oder die Finanzjongleure von der Wall Street, Sie bekommen immer das Geld dafür.

Stone: Was aber nicht heißt, dass es leicht ist. Es war mühsam, das Geld für "Alexander" aufzutreiben. "W." wurde mit Geld aus Hongkong gedreht, auch aus Deutschland kam Unterstützung.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wie sich Gekko laut Oliver Stone im Lauf der Zeit verändert hat und warum.

Gordon Gekko als Mephisto?

SZ: Eine deutsche Frage: Schließt Charlie Sheen in "Wall Street" von 1987 einen Teufelspakt mit Gordon Gekko und wiederholt sich das bei Jake Moore (Shia LaBeouf) in der Fortsetzung?

Stone: Sie meinen, Gordon Gekko als Mephisto? Ich weiß nicht, ich habe mich nicht so gründlich mit dem "Faust" beschäftigt. Gekko ist als Figur nicht zweidimensional genug für eine solche Rolle.

SZ: Aber er hat in den 22 Jahren, die er weg war, an Statur gewonnen. Er ist nicht mehr das gewissenlose Raubtier, hat sich in einen Geldtheoretiker verwandelt. Ein beispiellos erfolgreicher Amerikaner predigt gegen den Kapitalismus.

Stone: Nein, er warnt vor der Gier, die er einmal für gut erklärt hatte. Nochmal, der Kapitalismus ist nicht schlecht, vor allem geht es nicht ohne ihn. Ich wollte den Exzess darstellen, der zur Bankenkrise von 2008 geführt hat.

SZ: Ist Ihnen nicht ein wenig mulmig geworden? Michael Douglas warnt vor der Geldgier und vergleicht sie mit einem um sich fressenden Krebs. Wusste er da schon, dass er selber Krebs hat?

Stone: Nein, die Diagnose kam für ihn und uns völlig überraschend erst in diesem Sommer. Michael hält sich sehr tapfer. In seine Rolle ist natürlich viel von ihm selber eingegangen: Er hat eine junge Frau geheiratet und ist ein liebevoller Vater geworden.

SZ: Der Mythologe Joseph Campbell hat den "Heros in tausend Gestalten" beschrieben. Jake Moore möchte auch einer sein, er möchte wissen, wie das geht, ein amerikanischer Held.

Stone: Jake möchte gut sein als Trader. Er ist maßlos stolz auf seinen Bonus, weil er damit den Beweis in der Hand hat, dass er es kann. Aber er möchte nicht bloß gut sein als Geldmakler, sondern wirklich Gutes tun. Deshalb sein Interesse für das unscheinbare alternative Energieprojekt.

SZ: Sind nicht alle Ihre Filme große Heldengesänge? JFK, Born on the Fourth of July, Alexander? Sie feiern Kennedy, Ron Kovic, sogar, mit Einschränkungen, Nixon. Auch Wall Street ist eine moderne Heldensage.

Stone: Mir geht es um eine andere Frage: Wie kann ich ein Mann sein?

SZ: Ihr junger Held Jake Moore hat keinen Vater, er sucht sich einen Mentor, der ihn seinerseits enttäuscht. Ihr Vater hat selber an der Wall Street gearbeitet, da bietet sich die Frage an ...

Stone: Ja, ich habe viel von meinem Vater gelernt, aber seine Wall Street hatte mit den Geschäften heute nichts zu tun. Können Sie sich vorstellen, dass sich allein in den acht Jahren seit 2002 das Kapital auf der Welt verdoppelt hat? Dieses Geld entstand doch nicht durch eine Steigerung der Produktivität, sondern allein eine Folge des Handels mit Geld.

SZ: Darf ich noch mal zur Heldensage zurückkommen? Auch George W. Bush in Ihrem Film "W." ist ein Vatersohn.

Stone: Bush wird von seinem Machismo getrieben: er muss seinem Vater nicht nur zeigen, dass er zur Familie gehört, er muss ihn auch noch übertreffen.

SZ: Durch einen weiteren Irakkrieg.

Stone: Der alte Bush hatte die Invasion 1991 gestoppt, war nicht gegen Bagdad gezogen, Saddam Hussein blieb an der Macht. Das war die Chance für den Jungen, sein Mannestum zu beweisen.

SZ: Der Slogan "Mission accomplished" galt also seinem Vater?

Stone: Es war eine Botschaft an seinen Vater: Schau her, ich bin kein Versager, ich kann das, sogar besser als du.

SZ: Damit ist er als einer der schlechtesten amerikanischen Präsidenten in die Geschichte eingegangen.

Stone: Aber so sieht er sich nicht. Bush glaubt wirklich, dass er ein erfolgreicher Präsident war, dass er einen Tyrannen gestürzt und damit das Land vor großer Gefahr bewahrt hat. Wenn es jemanden gibt, der mit sich vollkommen im Reinen ist, dann ist es der jüngere Bush.

SZ: Noch eine Frage, die die Anleger unter unseren Lesern brennend interessiert: Wie investieren Sie Ihr Geld?

Stone: Meine Anlagen sind breit gestreut, aber ich kann Sie versichern, es sind vernünftige Investitionen. Ich bin sogar an einer deutschen Firma beteiligt, Peter Wehling. Der hat ein Mittel gegen Arthritis, die Degeneration der Gelenke entwickelt. Der Mann ist ein Genie.

SZ: Das klingt nach Shia LaBeouf, der den Kapitalismus retten will, indem er in umweltfreundliche Energien investiert.

Stone: Ja, stimmt, ich identifiziere mich mit Shia, mit seinem Ehrgeiz, seinen Idealen. Und die nächste Finanzblase wird grün, das garantiere ich Ihnen.

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