Champions League:Lebenszeichen deutscher Klubs

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Ein 1:1 in Enschede wahrt Werder Bremens Chancen in der Champions League - allerdings muss Tim Wiese verletzt ausgewechselt werden. Schalke 04 darf nach dem 3:1 gegen Hapoel Tel Aviv aufs Achtelfinale hoffen.

Von links segelte eine Flanke in den Strafraum, die eine Menge hätte erzählen können über dieses Champions-League-Gruppenspiel zwischen Twente Enschede und Werder Bremen. Sie flog nämlich ins Aus und illustrierte damit recht eindrücklich das spielerische Niveau dieses Abends: Vor allem die Angst, die Partie zu verlieren, prägte die Aktionen, weniger der Wille, es zu gewinnen. Auf beiden Seiten. Aber niemand im Stadion Grolsch Veste blickte nun diesem verunglückten Ball hinterher, wie er als Beleg der allgemeinen Harmlosigkeit Richtung Tribüne hoppelte. Alle blickten auf Tim Wiese.

Tim Wiese muss aufgrund einer Knieverletzung behandelt und später ausgewechselt werden. (Foto: dpa)

Der Bremer Torhüter lag im Fünf-Meter-Raum. Er hielt sein rechtes Knie mit beiden Händen umschlungen. Sein verzerrtes Gesicht: ein stummer, verzweifelter Schrei. Auch Tim Wiese hatte diesem Ball hinterhergesehen und war dabei im Gras hängen geblieben. Es dauerte dann einige Minuten, ehe er wieder auf den Beinen war, er humpelte über die Torauslinie - und lies sich dort wieder ins Gras sinken. Da schrieb man die 37. Minute.

Es sind diese Momente, die ein ganzes Stadion zum Schaudern bringen können, die es vermögen, einen Kollektivgedanken durch 20000 Köpfe gleichzeitig zu jagen: Kreuzbandriss! Doch nach Lage der Dinge scheint Time Wiese diese betrüblichste aller das Knie betreffenden Diagnosen erspart zu bleiben, wenn man ihn diesen Donnerstag in Bremen in einen Kernspintomographen schieben wird. Wenigstens dem ersten Augenschein nach sei "nichts gerissen", übermittelte der Werder-Manager Klaus Allofs noch am Mittwochabend die ersten Erkenntnisse der medizinischen Abteilung.

Da hatten die Bremer zwar ihren Stammtorhüter verloren - eine Niederlage im Spiel hatten sie aber mit Mühe abgewendet. Marko Arnautovic hatte die zwischenzeitliche Führung durch Theo Janssen (75.) kurz darauf ausgeglichen, und so endete die Partie 1:1, was beiden Mannschaften in der Gruppe A die Möglichkeit offenhält, doch noch die K.o.-Phase zu erreichen. Arnautovic schrieb damit die zweite Geschichte des Abends: Er war im Sommer von Twente Enschede nach Bremen gewechselt.

Werder Bremen ist dieser Tage ja eine Art Handlungsreisender in eigener Sache. Dem Ausflug über die holländische Grenze folgt schon am Samstag eine Fahrt nach Mönchengladbach, dann geht es in der Bundesliga darum, den wenig überzeugenden Saisonstart (Tabellenrang elf) ein bisschen aufzuhübschen. Am Dienstag darauf geht es dann weiter nach München, wo kommenden Dienstag im DFB-Pokal der FC Bayern wartet, in der zweiten Runde. Enschede war so gesehen nicht die glamouröseste Station dieser Reise - aber eine eminent wichtige.

Vor dem dritten Spieltag in der Königsklasse hatte der SV Werder den letzten Tabellenplatz belegt mit 2:6 Toren und einem Punkt. Twente stand nur unwesentlich besser da: 3:6 Tore, ein Punkt. Bei dieser Rangfolge bleibt es jetzt erst mal, beide Klubs wetteifern mit Tottenham Hotspur weiter um den zweiten Platz in dieser Gruppe, die vom Titelverteidiger Inter Mailand mühelos angeführt wird.

Mit Dienstreisen in die Niederlande hat Werder Bremen bisher keine besonders guten Erfahrungen gemacht. In der Klubhistorie stehen; sechs Ausflüge. Kein Sieg. Diesmal gelang immerhin ein Lebenszeichen. Auch wenn die Mannschaft von Thomas Schaaf in der ersten Halbzeit lange auf eine echte Torgelegenheit warten musste, während die Gastgeber ein erstes Ausrufezeichen setzten: In der 12. Minute lief Ruiz mit viel Raum auf das Tor von Tim Wiese zu, schoss dann aber knapp am linken Pfosten vorbei.

Auf der anderen Seite hingegen schickte Claudio Pizarro eine scharfe Flanke von rechts, sie flog sehr scharf in den Strafraum und dann sehr scharf auf der anderen Seite wieder raus. Kein Teamkamerad war bisher dort zu finden, wo üblicherweise die Tore geschossen werden. Ein Fehlpass von Dwight Tiendalli brachte dann Hugo Almeida in eine gute Position, im Fallen gab er einen Schuss ab, der manchen Stürmern auch im Stehen gut zu Gesicht stehen würde. Der Ball wurde aber gehalten.

Nach Wieses Auswechslung kam der junge Sebastian Mielitz (zwei Bundesligaspiele, ein Europa-League-Einsatz) auf den Platz, der die Champions-League bisher nur von der Playstation kannte. Nach Janssens Führungstreffers, nach Arnautovic Ausgleich, hatte stand er im Mittelpunkt des Spiels: Mit einem Weltklassereflex verhinderte er Janssens 2:1. Da schrieb man die 86. Minute.

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Spanische Nacht für Königsblau: Dank Torjäger Raúl und Spielmacher José Manuel Jurado hat der FC Schalke 04 seinen Fans eine rauschende Fiesta beschert und bleibt in der Champions League auf Achtelfinalkurs. Der Revierclub sicherte sich am Mittwochabend mit dem überlegenen 3:1 (1:0) gegen Hapoel Tel Aviv im dritten Gruppenspiel den zweiten Sieg.

Jubel mit den Fans: Raúl nach seinem Treffer zum 1:0 für Schalke 04. (Foto: AFP)

Vor 50.900 Zuschauern brachte Raúl (3./58.) das Team von Trainer Felix Magath mit seinen Königsklassen-Treffern Nummer 67 und 68 in Führung, sein spanischer Landsmann Jurado (68.) sorgte für die endgültige Entscheidung. Der Gegentreffer von Itay Shechter (90.+3) konnte die Schalker Freude nicht mehr bremsen. Mit dem schnellsten Tor der Saison war die jüngste Bundesliga-Tristesse beim Tabellen-16. sofort vergessen. Einen Pass von Jurado ließ Klaas-Jan Huntelaar geschickt durch, Raúl verwandelte aus 18 Metern eiskalt.

Im Mittelfeld setzte Schalke-Coach Felix Magath auf den zuvor gesperrten Jermaine Jones und Jefferson Farfan, der sich am Samstag beim 2:2 gegen den VfB Stuttgart noch schonen durfte. Aber besonders Jurado zeigte hinter den Spitzen, warum Magath ihn vor der Saison für etwa 13 Millionen Euro von Atlético Madrid verpflichtet hatte. Der zweitteuerste Einkauf der Schalker Clubgeschichte sorgte immer wieder mit seinen feinen Pässen in die Tiefe für Gefahr.

Zunächst vertändelte Farfan (24.) eine Vorlage leichtfertig, zwei Minuten später scheiterte Huntelaar am nigerianischen Nationaltorwart Vincent Enyeama. Auch per Kopf (39.) und mit einem Schuss aus 18 Metern (44.) blieb der niederländische Stürmer nur zweiter Sieger im Duell mit dem Keeper. Die harmlosen Gäste präsentierten sich mit zwei Sturmspitzen zwar offensiver als erwartet, konnten sich in der ersten Halbzeit trotz Vorteilen beim Ballbesitz aber keine zwingenden Chancen herausspielen.

Für Schalke bildeten Christoph Metzelder und Benedikt Höwedes, der am ersten Spieltag bei Olympique Lyon (0:1) die Rote Karte gesehen hatte, erstmals die Innenverteidigung in der Königsklasse, blieben aber ungeprüft. Auch nach dem Wechsel war Schalke spielbestimmend, zeigte bei seinen Angriffen aber deutlich mehr Zielstrebigkeit als zuvor. Zwar traf Huntelaar (57.) zunächst zweimal per Kopf nur die Latte.

In der folgenden Minute war die Gegenwehr der Israelis dann aber endgültig gebrochen.Der eingewechselte Ivan Rakitic und Huntelaar bereiteten per Doppelpass den zweiten Treffer von Raúl vor, der damit seine Führung in der ewigen Torjägerliste der Champions League ausbaute.

Nach 68 Minuten krönte Jurado seine überragende Leistung dann mit einem Traumschuss in den Winkel. Zwar kam Tel Aviv noch zum Ehrentreffer, hat nach der dritten Niederlage in der dritten Partie aber kaum noch Chancen auf die nächste Runde.

© SZ vom 21.10.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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