Koalitionsgipfel in Berlin:Die Raucher sollen's richten

Die Industrie kommt glimpflich davon: Die Regierung will den Ökosteuer-Rabatt für stromintensive Unternehmen nicht komplett streichen. Stattdessen soll nun die Tabaksteuer steigen.

Claus Hulverscheidt, Berlin

Die Koalition will die Tabaksteuer erhöhen, um die Wirtschaft beim geplanten Abbau von Ökosteuer-Subventionen nicht so stark belasten zu müssen wie bisher geplant. Die Spitzen von Union und FDP einigten sich am Sonntagabend bei einem Treffen im Kanzleramt darauf, energieintensiven Unternehmen weite Teile ihrer Ökosteuerprivilegien zu belassen. Sie sollten ursprünglich um jährlich 1,5 Milliarden Euro beschnitten werden. Um Belastungen für den Haushalt zu vermeiden, werden nun stattdessen die Raucher zur Kasse gebeten. Die Lösung des koalitionsinternen Konflikts über die Subventionierung der Steinkohle wurde hingegen erneut vertagt.

Raucher

Rauchen könnte bald noch teurer werden. Dafür schont die Regierung stromintensive Unternehmen - sie erhalten weiterhin Vergünstigungen bei der Ökosteuer.

(Foto: dpa)

Exakte Zahlen nannten Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) und Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) nach dem Treffen im Kanzleramt nicht. Die Mehrerlöse aus der Tabaksteuer sind aber offenbar so hoch, dass sie die Regierung nicht nur als Kompensation für nun fehlende Ökosteuereinnahmen, sondern auch zur Finanzierung von Steuervereinfachungen für alle Bürger verwenden will.

Allein der zweite Punkt soll 500 Millionen Euro kosten, über Details wollen die Koalitionsspitzen am 9. Dezember beraten. Im Gespräch ist unter anderem, den Bürgern nur noch alle zwei Jahre eine Steuererklärung abzuverlangen. Zudem könnten die Finanzämter via E-Mail weitgehend vorausgefüllte Formulare verschicken, die die Steuerzahler im besten Fall nur noch gegenlesen und dann per Maus-Click bestätigen müssen. Die meisten Steuervereinfachungen sollen 2012 in Kraft treten, einige wenige auch schon im kommenden Jahr.

Bei der Ökosteuer zeigte der immense Druck der Wirtschaft auf die Regierung offenkundig Wirkung. Schäuble zufolge wird der Sockelbetrag nicht auf 2500 Euro erhöht, sondern nur auf 1000 Euro verdoppelt. Das bedeutet, dass alle Unternehmen, die pro Jahr mehr als diese 1000 Euro Ökosteuer zahlen müssen, weiter in den Genuss von Nachlässen kommen werden. Auch die Veränderungen beim sogenannten Spitzenausgleich werden abgemildert.

Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) hatte im Vorfeld der Entscheidung gewarnt, sollte die Regierung bei ihren ursprünglichen Plänen bleiben, seien bis zu 870000 Arbeitsplätze in Gießereien, Zementwerken und der Chemie-Industrie in Gefahr.

Schäuble nahm erstmals seit seiner Einlieferung in eine Berliner Klinik vor fast vier Wochen wieder an einer Koalitionsrunde teil. Der querschnittsgelähmte Politiker hatte sich zum zweiten Mal in diesem Jahr einer Operation unterziehen müssen; diesmal weil eine Wunde nicht verheilte. Der Bild am Sonntag sagte er, er habe während des Klinikaufenthalts nie an Rücktritt gedacht. Allerdings prüfe er sich fortwährend, ob er sein Amt noch mit voller Kraft ausüben könne.

In Regierungskreisen hatte es dagegen Anfang Oktober geheißen, Schäuble habe Merkel sehr wohl angeboten, ihn zu entlassen. Das Magazin Stern hatte den Minister zudem mit den Worten zitiert, sollte er weiter gravierende gesundheitliche Probleme haben, werde er "Konsequenzen ziehen".

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