Champions League: FC Bayern:Der Friede von Cluj

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Dank der Kritik von Uli Hoeneß wird die Pressekonferenz des FC Bayern vor dem Champions-League-Spiel in Cluj zum Großeieignis. Trainer van Gaal äußert sich entrüstet - ehe doch die Versöhnung gelingt.

Andreas Burkert

Es ging dann ziemlich schnell. Um nicht zu sagen: rasend schnell. Noch während des abendlichen Abschlusstrainings im Stadion ,,Dr. Constantin Radulescu'' schickte der FC Bayern seine zweite Pressemitteilung zum Verfahren Hoeneß/van Gaal herum, und darin vermeldeten die Münchner die wundersame Rückkehr zu Frieden und Harmonie in ihrem Klub, den sie ja nicht nur als Global Player ansehen, sondern auch als große Familie. "Uli Hoeneß und Louis van Gaal finden gemeinsamen Weg", hieß es da, "in einer offenen Diskussion hat man sich ausführlich ausgetauscht und auch ausgesprochen"; neben dem Trainer und dem Präsidenten seien Vorstand Rummenigge, Finanzchef Hopfner und Sportdirektor Nerlinger am Tisch gesessen. ,,Es wurde vereinbart, künftig öfter sich genau in diesem Kreis zu treffen und alle anstehenden Themen des FC Bayern München zu besprechen.''

"Das ist eine meiner besten Qualitäten, die Kommunikation" - Bayern-Trainer Louis van Gaal in Cluj. (Foto: AP)

Van Gaal und Hoeneß hätten sich die Hand gegeben und vereinbart, auch künftig verantwortungsvoll für den Verein arbeiten zu wollen. Ein Gruppenfoto wurde leider nicht mitgeliefert.

Solch eine rasante Wende haben die Bayern zuletzt vor einem Jahr hinbekommen, als sie plötzlich fast alles gewannen. Die Wende von Cluj schien am Dienstagnachmittag ebenso unmöglich wie damals der folgende Einzug ins Champions-League-Finale. Denn als der von Hoeneß heftig gerügte Trainer um kurz vor drei den Gaal den Sala Cristal betreten hatte, erlebte man einen Trainer, der emotional seinen Ärger äußerte. Er hatte bis hierhin geschwiegen zur Kritik des Präsidenten, die nicht nur sportliche Dinge betraf, sondern auch vermeintliche Charakterschwächen des Holländers wie den Umgang mit Spielern. Selten zuvor auf einer Europacup-Reise der Bayern war eine dieser ritualisierten Pressekonferenzen im Teamquartier mit größerer Spannung erwartet worden.

"Eine Erklärung in eigener Sache" kündigte denn auch der Kommunikationschef an, nach der Übersetzung schauten sich die rumänischen Journalisten etwas irritiert an. Sie wollten doch über das Duell mit dem örtlichen CFR Cluj reden. Sie ahnten nicht, welche Wucht Hoeneß' Worte erzeugt hatten. In Medien. Im Klub. Und tief drinnen in van Gaal.

Als der 59-Jährige zu reden begann, brauchte man nur in sein Gesicht sehen, um zu wissen, was er fühlte und was folgen würde. Seine Gesichtsfarbe näherte sich rasch dem Rot der altertümlichen Polstersitze. Er war sehr entrüstet. Dass sich Hoeneß ausgerechnet jetzt, wo sie so viel Verletzungspech haben und trotzdem wieder gewinnen, gegen ihn stellte, habe ihn ,,erstaunt und enttäuscht''. Zudem sprach Hoeneß "auch noch über meine Spieler, meine Zweite-Reihe-Spieler - und das sind nicht meine Wörter über diese Zweite-Reihe-Spieler, das sind seine". Van Gaal findet, zusammen hätten sie diesen Engpass bisher doch sehr gut bewältigt, "ich habe die Perspektiven offen gehalten für diese Spieler, und wir haben jetzt 13 Punkte (Bundesliga, Pokal, Champions League; d.Red.) geholt. Das widerspricht dem, was er gesagt hat."

Besonders verärgert hatte van Gaal der Vorwurf, man könne nicht mit ihm reden. "Denn das ist eine meiner besten Qualitäten, die Kommunikation." Das hätten andere Präsidenten in seinem Buch, das kürzlich erschien, sogar niedergeschrieben. "Darunter auch Uli Hoeneß." Auch von Hoeneß findet sich in der Tat ein freundliches Vorwort.

Und so schienen die Fronten verhärtet zu sein. Hoeneß fühlte sich angeblich bestätigt durch Reaktionen, während Karl-Heinz Rummenigge den Zeitpunkt des Angriffs auf den Trainer für einen Fehler hielt. Er hatte das zwar vor dem Abflug nicht bestätigen wollen, aber er klang in der Sache doch sehr reserviert. ,,Ich hab's gar nicht gesehen'', sagte Rummenigge, er meinte den TV-Auftritt von Hoeneß. ,,Ich habe mir einen schönen Spielfilm geschaut, und ich denke, dass ich damit nicht so schlecht gelegen habe.'' Auch Christian Nerlinger äußerte sich zurückhaltend über den für alle unerwarteten Vorstoß: "Meine Titulierung heißt Sportdirektor, für den Sektor Unterhaltung bin ich nicht zuständig."

Der Mediator Rummenigge hatte schon am Feiertag auf dem Klubgelände mit van Gaal gesprochen und zuvor mit Hoeneß telefoniert. ,,Wir haben versucht, das alles, soweit das möglich war unter diesen Voraussetzungen, zu kontrollieren'', berichtete er. Als ob er van Gaals Rücktritt habe verhindern müssen. Verfahren sei die Lage, hatte er Dienstagmorgen eingeräumt, "wie bei Stuttgart 21 müssen wir versuchen, dass beide Parteien aufeinander zugehen". Wie viel Heiner Geißler denn in ihm stecke, wurde er noch gefragt. "Nicht ein Prozent", entgegnete Rummenigge.

Das hat aber trotzdem gereicht, um diesen heftigen Streit zu befrieden, zumindest in der Öffentlichkeit. Im Sinne der Mannschaft ist das allemal, sie steht klar zum Trainer und hatte die Debatte "sehr überrascht" aufgenommen, wie Thomas Müller sagte. Recht offensiv ergänzte er: "Zwischen dem Trainer und der Mannschaft ist alles in bester Ordnung." Auch Co-Kapitän Philipp Lahm betonte, unter van Gaal herrsche große Harmonie, "das zeigen doch auch jetzt die Leistungen der Spieler aus der zweiten Reihe"; keiner lasse sich hängen. Dass nicht jeder zufrieden sei, worauf Hoeneß abgezielt hatte, sei "doch normal, denn wir sind eine Top-Mannschaft, da herrscht eben großer Konkurrenzkampf". Nicht nur unter Alphatieren.

© SZ vom 03.11.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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